VGH 2023/008 Der Verwaltungsgerichtshof des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz, hat durch die Richter | lic.iur. Andreas Batliner, Präsident | | lic.iur. Marion Seeger | | lic.iur. et lic.oec. Azra Dizdarevic-Hasic | | lic.iur. Adrian Rufener | | Dr.iur. Esther Schneider |
in der Beschwerdesache der Beschwerdeführerin: | Gemeinde A
vertreten durch:
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wegen | Erschliessungskosten |
gegen | Entscheidung der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten vom 30. November 2022, VBK 2022/11 ON 11 |
in der nicht-öffentlichen Sitzung vom 11. Mai 2023 entschieden: 1. | Die Beschwerde vom 23. Januar 2023 gegen die Entscheidung der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten vom 30. November 2022, VBK 2022/11, wird abgewiesen und die angefochtene Entscheidung bestätigt. |
2. | Die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof verbleiben beim Land. |
TATBESTAND | 1. | Mit Schreiben vom 26. Oktober 2021 teilte die Beschwerdeführerin Gemeinde A der Beschwerdegegnerin mit, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 22. September 2021 den Beschluss über den Kostenverteiler der Erschliessungskosten Baulandumlegung (BU) *** gefasst habe und die Beschwerdegegnerin zu einem Kostenbeitrag von CHF 10'166.90 verpflichtet werde. |
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| 2. | Gegen diesen Beschluss erhob die Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 19. November 2021 Einsprache an den Gemeinderat . Sie machte geltend, dass die Anwendung von Art. 38 Abs. 4 BauG, LGBl. 2009 Nr. 44, und des Erschliessungskostenreglements vom 10. Februar 2021 eine unzulässige Rückwirkung darstelle und die Einforderung der Erschliessungskosten durch die Gemeinde verjährt sei. |
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| 3. | Mit Einspracheentscheidung vom 14. Februar 2022 wies die Gemeinde die Einsprache der Beschwerdegegnerin ab. Sie stellte fest, dass die Beschwerdegegnerin Eigentümerin des Eschner Grundstücks Nr. *** sei, welches innerhalb des Umlegungsperimeters der im Jahre 1980 abgeschlossenen Baulandumlegung *** liege. Die bauliche Erstellung der Erschliessungsanlagen im Umlegungsperimeter der Baulandumlegung *** sei im Zeitraum zwischen 1980 bis 1985 erfolgt, wobei die letzten Erschliessungsarbeiten im ersten Quartal des Jahres 1985 vorgenommen worden seien. Hierfür seien Erschliessungskosten in Höhe von gesamt CHF 424'087.75 angefallen. | | Rechtlich wurde ausgeführt, Art. 38 Abs. 4 BauG bestimme, dass die Gemeinde die Grundeigentümer mit den Erschliessungskosten belasten könne, diese im Zeitpunkt der Erschliessung eines Grundstücks fällig würden, die Erschliessungskosten aufgrund des Kostenvoranschlags oder von Teil- und Schlussabrechnungen berechnet werden könnten und die Gemeinde den Kreis der Abgabepflichtigen und die Bemessungskriterien in einem Reglement regle. Im gegenständlichen Fall habe die Gemeinde den Abschluss der Erschliessung im gesamten Umlegungsperimeter abgewartet, sodass die Fälligkeit unabhängig von der Anwendung des alten oder neuen Rechts frühestens mit dem Abschluss sämtlicher Erschliessungsarbeiten im Umlegungsgebiet ***, also im ersten Quartal des Jahres 1985 eingetreten sei. Gemäss bisheriger ständiger Rechtsprechung der liechtensteinischen Gerichte würden öffentlich-rechtliche Ansprüche des Gemeinwesens nur dann verjähren, wenn im öffentlichen Recht eine Verjährung vorgesehen sei. Da das öffentliche Recht somit nach neuem Baugesetz (gleich wie im alten Baugesetz) keine Verjährungsbestimmung für Erschliessungskosten vorsehe, seien, abstellend auf die zutreffende Rechtsmeinung von Kley (Liechtensteinisches Verwaltungsrecht, LPS Band 23, S. 71), auch die Bestimmungen der §§ 1455 ff. ABGB nicht einmal analog anwendbar, denn nur falls das öffentliche Recht Verjährungsbestimmungen aufstellen würde, dürfte ergänzend auf das ABGB zurückgegriffen werden. Auf die gegenständliche öffentlich-rechtliche Forderung der Gemeinde sei somit weder die 40-jährige noch die 30-jährige Verjährungsfrist anwendbar. Es sei auch nicht entsprechend der schweizerischen Praxis bei Fehlen von Verjährungsfristen auf öffentlich-rechtliche Regelungen für verwandte Sachverhalte abzustellen oder vom Richter selbst eine Verjährungsbestimmung aufzustellen. | | Die Gemeinde komme schlussendlich nicht umhin anzumerken, dass es sie verwundere, wenn die Rückerstattung von Kosten für werterhöhende Massnahmen überhaupt beeinsprucht werde. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Gemeinde von den Grundeigentümern Kosten einfordere, die im Zeitraum der Erschliessung entstanden seien und vom Geldwert her unter Berücksichtigung der seither eingetretenen Teuerung damals wesentlich höher gewesen wären als heute. Insofern profitierten die Grundeigentümer in einem beträchtlichen Ausmass von der verzögerten Einforderung der Erschliessungskostenbeiträge. |
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| 4. | Gegen die Einspracheentscheidung erhob die Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 03. März 2022 Beschwerde an die Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten (VBK). Wie schon in ihrer Einsprache machte sie eine unzulässige Rückwirkung und die Verjährung geltend. |
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| 5. | Mit Schreiben vom 30. März 2022 erstattete die Gemeinde A eine Gegenäusserung zur Beschwerde an die VBK, zu der sich die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19. April 2022 äusserte. |
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| 6. | Mit Entscheidung vom 30. November 2022 gab die VBK der Beschwerde vom 03. März 2022 gegen die Einspracheentscheidung vom 14. Februar 2022 Folge und hob die Einspracheentscheidung ersatzlos auf. | | Zur Begründung verwies die VBK auf das Urteil VGH 2014/113, in welchem der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt habe, dass nach der bisherigen Rechtsprechung (vormals der Verwaltungsbeschwerdeinstanz) öffentlich-rechtliche Ansprüche nur dann verjähren würden, wenn dies im öffentlichen Recht vorgesehen sei. Diese von den österreichischen Höchstgerichten übernommene Rechtsauffassung solle nach Andreas Kley aufgegeben und, wie in der Schweiz, die Verjährung als allgemeiner Rechtsgrundsatz, der selbst dann gelte, wenn entsprechende öffentliche Vorschriften fehlten, anerkannt werden. Dieser Grundsatz diene der Rechtssicherheit, indem der Zeitablauf öffentlich-rechtliche Forderungen zum Erlöschen bringe bzw. deren Durchsetzbarkeit hemme. In Anlehnung an die Rechtsansicht in der Schweiz sei auch nach Ansicht der VBK die Verjährung als allgemeiner Rechtsgrundsatz zu verstehen, der selbst dann gelte, wenn entsprechende öffentliche Vorschriften fehlten. Bei Fehlen gesetzlicher Bestimmungen über Verjährungsfristen sei auf öffentlich-rechtliche Regelungen für verwandte Sachverhalte abzustellen. Diese analoge Anwendung von Verjährungsbestimmungen über verwandte Ansprüche sei unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Zum einen müsse angenommen werden können, dass der Gesetzgeber die Verjährung für den fraglichen Anspruch geregelt hätte und zum anderen müsste auch die Gläubigerseite die Lösung erwartet haben können, wenn sie sich Gedanken über die Verjährung ihres Anspruches gemacht hätte. Nach dem Bundesgericht (BGE 112 Ia 260) dürfe ohne in Willkür zu verfallen die Regelung von § 104 Zürcher SteG auf die Erhebung der streitigen Gebühren (Erschliessungskosten) angewendet und somit eine zehnjährige Verwirkungsfrist angenommen werden. Für die Gemeinde sei diese Ansicht auch nicht überraschend, da sie gemäss den protokollierten Gemeinderatssitzungen Bedenken betreffend die späte Einhebung der Erschliessungskosten gehabt hätte. Auch nach Ansicht der VBK dränge es sich auf, als öffentlich-rechtlicher Ordnung verwandter Tatbestände die steuergesetzliche Regelung der Veranlagungsverjährung heranzuziehen. Gegenständlich sei die Verjährung eingetreten und daher die Erschliessungskosten seitens der Gemeinde nicht mehr einforderbar. Dies aufgrund der Tatsache, dass die nach Art. 38 BauG erwähnte Frist spätestens nach dem ersten Quartal 1985 zu laufen begonnen habe und die Verjährung, welche nicht explizit im Baugesetz festgelegt sei, aber analog zum Steuerrecht als verwandter Tatbestand herangezogen werde, mit einer absoluten Verjährungsfrist von zehn Jahren, somit spätestens 1996, verjährt sei. |
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| 7. | Gegen die Entscheidung der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten erhob die Gemeinde A mit Schriftsatz vom 23. Januar 2023 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Sie beantragte, der Verwaltungsgerichtshof wolle die angefochtene Entscheidung dahingehend abändern, dass die Einspracheentscheidung der Gemeinde vom 14. Februar 2022 gutgeheissen und die Beschwerde der Beschwerdegegnerin vom 03. März 2022 kostenpflichtig abgewiesen werde. |
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| 8. | Zu der Beschwerde vom 23. Januar 2023 äusserte sich die Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 07. Februar 2023. |
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| 9. | Der Verwaltungsgerichtshof zog die Vorakten der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten und der Gemeinde A bei, erörterte in seiner nicht-öffentlichen Sitzung vom 11. Mai 2023 die Sach- und Rechtslage und entschied wie aus dem Spruch ersichtlich. |
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE | 1. | Bezüglich des Sachverhaltes, der unstrittig ist, kann auf die unterinstanzlichen Entscheidungen verwiesen werden (Art. 101 Abs. 4 LVG). |
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| 2. | Die Beschwerdeführerin richtet sich mit ihrer Beschwerde gegen eine Entscheidung der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten, mit der die Einspracheentscheidung der Gemeinde vom 14. Februar 2022 ersatzlos aufgehoben wurde. Sie rügt die Verletzung der in Art. 110 LV garantierten Gemeindeautonomie und des Willkürverbots. | | Nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes ist die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin ohne weiteres gegeben. Es genügt, wenn eine Gemeinde eine Autonomieverletzung geltend macht. Ob der Gemeinde im in Frage stehenden Bereich tatsächlich Autonomie zukommt, ist keine Frage der Legitimation, sondern der materiellen Begründetheit der Beschwerde. Im Rahmen einer Autonomiebeschwerde kann die Gemeinde immer auch eine Willkürrüge erheben, da der Staatsgerichtshof eine Verletzung des Autonomiebereichs durch die Aufsichtsbehörde nur dann bejaht, wenn diese ihre Aufsichtskompetenz überschreitet oder in willkürlicher Weise wahrnimmt. Die Gemeinde kann in diesem Zusammenhang auch weitere Grundrechte als verletzt rügen, welche der Durchsetzung der Gemeindeautonomie dienen (StGH 2020/059a, Erw. 1.2.3, m.w.H., www.gerichtsentscheidungen.li). |
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| 3. | Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Entscheidung der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten verletze die Gemeindeautonomie der Gemeinde A, weil sie durch eine rechtlich qualifiziert unrichtige und damit willkürliche Beurteilung die Einspracheentscheidung des Gemeinderates der Gemeinde vom 14. Februar 2022 ersatzlos aufgehoben habe. Die Beschwerdeführerin sei dadurch in ihrer autonomen Befugnis zur Einhebung der Erschliessungskostenbeiträge verletzt worden, wozu auch die erfolgte Beurteilung hinsichtlich der Verjährung der Ansprüche gehöre. Die Frage der Beurteilung der Verjährung der Erschliessungskostenbeiträge und die von der VBK vorgenommene analoge Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist für die absolute Veranlagungsverjährung des Art. 115 Abs. 4 SteG sei untrennbar mit der Gemeindeautonomie verbunden. Mit der ersatzlosen Aufhebung der Einspracheentscheidung durch die angefochtene Entscheidung infolge der analogen Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist des Steuergesetzes sei die Gemeindeautonomie der Beschwerdeführerin verletzt worden, weshalb sie berechtigt sei, die gegenständliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie zu führen und die damit zusammenhängenden Grundrechtsverletzungen zu rügen. | | Nach Art. 38 Abs. 2 und 4 BauG, LGBl. 2009 Nr. 44, erfolgt die Erschliessung von Grundstücken durch die Gemeinde. Die Gemeinde kann die Grundeigentümer mit den Erschliessungskosten belasten. Diese werden im Zeitpunkt der Erschliessung eines Grundstücks fällig. Die Erschliessungskosten können aufgrund des Kostenvoranschlags oder von Teil- und Schlussabrechnungen berechnet werden. Die Gemeinde regelt den Kreis der Abgabepflichtigen und die Bemessungskriterien in einem Reglement (Art. 38 Abs. 4 BauG). Dementsprechend hat die Beschwerdeführerin am 10. Februar 2021 ein Reglement über die Festlegung und Erhebung von Erschliessungskosten erlassen. In diesem sind u.a. der Erschliessungskostenanteil der Grundeigentümer, der Kreis der Abgabepflichtigen, die Bemessungskriterien, die Rechnungsstellung und die Stundung geregelt. Bestimmungen über die Verjährung der Erschliessungskosten enthält das Reglement nicht. | | Da die Erhebung von Erschliessungskosten in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden fällt (Art. 38 Abs. 2 und 4 BauG, Art. 12 Abs. 2 Bst. d, e GemG), hätte die Beschwerdeführerin in ihrem Reglement auch die Verjährung festlegen können. Da sie das nicht getan hat, konnte die VBK von einer Regelungslücke ausgehen und diese durch Heranziehung einer analogen Bestimmung aus dem Steuergesetz füllen. Gegen diese Entscheidung kann sich die Beschwerdeführerin unter Berufung auf ihre Autonomie mit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Wehr setzen. |
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| 4. | Als erstes ist zu prüfen, ob es sich bei den Erschliessungskosten in Zusammenhang mit der Baulandumlegung *** um öffentlich-rechtliche Grundlasten oder öffentlich-rechtliche Forderungen handelt. | | Zur Zeit der baulichen Erstellung der Erschliessungsanlagen im Umlegungsperimeter der Baulandumlegung *** lautete Art. 256 SR über die öffentlich-rechtlichen Grundlasten wie folgt: | | 1. | Öffentlichrechtliche Grundlasten bedürfen, wo es nicht anders geordnet ist, keiner Eintragung in das Grundbuch. |
| | 2. | Gibt das Gesetz dem Gläubiger nur einen Anspruch auf eine Grundlast, so entsteht diese erst mit der Eintragung in das Grundbuch. |
| | 3. | Als öffentlichrechtliche Grundlasten gelten insbesondere:
| | 1. (...). | | 2. die durch die zuständigen Organe festgesetzten Perimeterbeiträge für die Anlage, den Bau, die Korrektion und den Unterhalt von Strassen und Wegen, Gewässerverbauungen, Kanalisationen, Bodenverbesserungen und dergleichen. |
| | 4. | Die Perimeterpflichten sind im Grundbuch vorzumerken. |
| | Nach Art. 23 des Baugesetzes vom 10. September 1947, LGBl. 1947 Nr. 44, erfolgte die Ausführung der im Überbauungsplan vorgesehenen neuen und die Verbesserung bestehender Verkehrsanlagen und Kanalisationen durch Beschluss des Gemeinderates, sei es auf Verlangen der Mehrheit der Beteiligten, welchen zugleich der grössere Teil des Bodens gehört oder von sich aus, sofern ein Bedürfnis hierfür besteht. Art. 24 des Baugesetzes 1947 bestimmte sodann wie folgt: Die Kosten für den Bau der in Art. 23 genannten Verkehrsanlagen und Kanalisationen (Be- und Entwässerungen) und den hierfür benötigten Boden bezahlt die Gemeinde. Die Gemeinde ist jedoch berechtigt, von den Eigentümern des neu erschlossenen Baulandes und von anderen Interessenten Beiträge zu erheben. Die Höhe der einzelnen Beiträge richtet sich nach den Vorteilen, welche durch den Bau den Interessenten erwachsen. Der von ihnen zu tragende Anteil an den Gesamtkosten wird vom Gemeinderat festgelegt. | | Die Erschliessungsanlagen der Baulandumlegung *** wurden 1980 bis 1985 erstellt. Bis zum Erlass des Gesetzes vom 24. April 2008 über die Abänderung des Sachenrechts, LGBl. 2008 Nr. 139, mit welchem Art. 256 Abs. 3 und 4 SR aufgehoben wurden, hat die Gemeinde keine Erschliessungskostenbeiträge geltend gemacht und die einzelnen Beiträge auch nicht festgesetzt. Die Kostenverteilung der Erschliessungskosten auf die einzelnen Grundeigentümer erfolgte erst am 22. September 2021. Somit wurden die Erschliessungskostenbeiträge mangels Festsetzung nicht durch Art. 256 Abs. 3 Ziff. 2 SR zu Grundlasten. |
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| 5. | Durch die Festsetzung der Erschliessungskostenbeiträge durch den Kostenverteiler vom 22. September 2021 wurden diese ebenfalls nicht zu Grundlasten. | | Mit LGBl. 2008 Nr. 139 wurden, wie erwähnt, Art. 256 Abs. 3 und 4 SR aufgehoben. Das Sachenrecht normierte somit lediglich, dass öffentlich-rechtliche Grundlasten grundsätzlich ohne Eintragung in das Grundbuch entstehen (Art. 256 Abs. 1 SR). Gibt das Gesetz dem Gläubiger einer Forderung nur einen Anspruch auf Begründung einer Grundlast, entsteht diese mit der Eintragung in das Grundbuch (Art. 256 Abs. 2 SR). | | Mit LGBl. 2016 Nr. 349 wurde Art. 256 SR in Entsprechung zu Art. 784 ZGB dahingehend abgeändert, dass er wie folgt lautet: Für die Entstehung der öffentlich-rechtlichen Grundlasten und deren Wirkung gegenüber gutgläubigen Dritten sind die Bestimmungen über die gesetzlichen Pfandrechte des öffentlichen Rechts sinngemäss anwendbar. | | Art. 311 SR in der Fassung von LGBl. 2016 Nr. 349 lautet entsprechend Art. 836 ZGB wie folgt: | | 1. | Räumt das öffentliche Recht dem Gläubiger für Forderungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem belasteten Grundstück stehen, einen Anspruch auf ein Pfandrecht ein, so entsteht dieses mit der Eintragung in das Grundbuch. |
| | 2. | Entstehen gesetzliche Pfandrechte im Betrag von über 1 000 Franken aufgrund des öffentlichen Rechts ohne Eintragung im Grundbuch und werden sie nicht innert sechs Monaten nach der Fälligkeit der zugrunde liegenden Forderung, spätestens jedoch innert zwei Jahren seit der Entstehung der Forderung in das Grundbuch eingetragen, so können sie nach Ablauf der Eintragungsfrist Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht mehr entgegengehalten werden. |
| | Bei Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Forderung kann der Gesetzgeber folglich zum einen die Forderung zur Grundlast erklären oder zum anderen dem Gläubiger einen Anspruch auf Begründung einer Grundlast einräumen. Dies setzt jedoch eine entsprechende gesetzliche Bestimmung voraus (BSK-ZGB II - David Jenny, Art. 784 N 2; Jürg Flück, OFK-Orell Füssli Kommentar, Art. 784 ZGB Rz 1 und 4). Gegenwärtig besteht keine gesetzliche Bestimmung, die die Erschliessungskosten entweder zu Grundlasten erklärt oder dem Gläubiger einen Anspruch auf Begründung einer Grundlast einräumt. Diese gesetzliche Grundlage wurde mit LGBl. 2008 Nr. 139 aufgehoben und bisher nicht wieder eingeführt. | | Bei den Erschliessungskostenbeiträgen in Zusammenhang mit der Baulandumlegung *** handelt es sich somit um öffentlich-rechtliche Forderungen und nicht um Grundlasten. |
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| 6. | Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass im Gegensatz zu der von der VBK in ihrer Entscheidung herangezogenen schweizerischen Bundegerichtsrechtsprechung die Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in Österreich davon ausgehe, dass die Verjährung keine allgemeine, der österreichischen Rechtsordnung zugehörige Institution sei und im öffentlichen Recht daher nur dort bestehe, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsehe. Das Gleiche gelte für das liechtensteinische Recht, wobei es sich hierbei um einen tragenden Rechtsgrundsatz des liechtensteinischen öffentlichen Rechts handle. In diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung sei die vom Staatsgerichtshof in den beiden Erkenntnissen StGH 1969/1 und StGH 1972/5 entwickelte Rechtsprechung, wonach die langjährige Praxis contra legem eine gesetzliche Vorschrift im Abgabenrecht nicht ersetzen könne und es im Abgabenrecht keine Geseteslücke geben könne (StGH 1969/1) und wonach auch ein Analogieschluss im Abgaberecht nicht zulässig sei (StGH 1972/5). Damit habe der Staatsgerichtshof schon früh und klar zum Ausdruck gebracht, dass es auch im liechtensteinischen öffentlichen Recht dort keine Verjährung gebe, wo das Gesetz dies nicht ausdrücklich vorsehe. Ebenso habe der Staatsgerichtshof damit einer analogen Heranziehung von Verjährungsbestimmungen aus anderen öffentlich-rechtlichen Bereichen einen Riegel vorgeschoben. Die VBK habe diese Judikatur des Staatsgerichtshofes willkürlich nicht angewendet und übergangen, wonach es im Abgaberecht und damit auch bezüglich von Kausalabgaben keine Gesetzeslücke geben könne und somit auch bezüglich der nicht vorhandenen Verjährungsbestimmung von Erschliessungskostenbeiträgen gar keine Gesetzeslücke vorliege, weil es im öffentlichen Recht nur dort eine Verjährung gebe, wo sie angeordnet sei. Die Nichtanwendung dieser bedeutenden Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes verstosse gegen das Willkürverbot. Soweit die VBK auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes zu VGH 2014/130 (recte: VGH 2014/113) verwiesen habe, stehe dieses eindeutig in Widerspruch zur Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes. | | Mit diesen Ausführungen bezieht sich die Beschwerdeführerin auf eine vor 50 Jahren ergangene Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes, ohne sich mit der neueren Rechtsprechung auseinanderzusetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil zu VGH 2014/113 unter Verweis auf Andreas Kley ausgeführt, dass die Verjährung wie in der Schweiz als allgemeiner Rechtsgrundsatz selbst dann Geltung beanspruchen könne, wenn entsprechende öffentlich-rechtliche Vorschriften fehlten. Dieser Grundsatz diene der Rechtssicherheit, indem der Zeitablauf öffentlich-rechtliche Forderungen zum Erlöschen bringe bzw. deren Durchsetzbarkeit hemme. Nicht verjährbar seien einzig Pflichten, die sich aus polizeilichen Rechtsnormen ergäben (Andreas Kley, Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts, LPS Band 23, Vaduz 1998, S. 71 f.). Einer gegen dieses Urteil erhobenen Beschwerde gab der Staatsgerichtshof mit Entscheidung zu StGH 2015/23 keine Folge. Dem damaligen Beschwerdeführer hielt er entgegen, dass es entsprechend den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes aus Rechtssicherheitsüberlegungen nicht angehen könne, dass in Verwaltungsbereichen mit fehlender expliziter Verjährungsregelung überhaupt keine Verjährung eintreten solle. Was die allgemeine Verjährungsfrist gemäss ABGB angehe, so sei diese gerade auch im internationalen Vergleich extrem lang (so betrage diese in der Schweiz gemäss Art. 127 OR zehn Jahre und in Deutschland gemäss § 195 BGB sogar nur drei Jahre). Im Übrigen gelte auch gemäss ABGB für die in der Praxis häufigsten Forderungen gemäss den §§ 1486 und 1489 nur eine Verjährungsfrist von drei bzw. fünf Jahren. Insgesamt erscheine es im Lichte des hier anzuwendenden Willkürverbots jedenfalls ohne weiteres vertretbar, wenn der Verwaltungsgerichtshof bei fehlender expliziter Verjährungsregelung auf andere Verjährungsfristen im jeweils einschlägigen Regelungsbereich zurückgreife. |
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| 7. | Gemäss der Praxis des schweizerischen Bundesgerichts gilt folgende Regel: Bei Fehlen gesetzlicher Bestimmungen über Verjährungsfristen ist auf öffentlich-rechtliche Regelungen für verwandte Sachverhalte abzustellen. Gibt es keine solchen, so kann das Gericht privatrechtliche Bestimmungen analog anwenden oder selbst eine Regelung aufstellen (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Auflage, Zürich 2020, Rz 777; auch VGH 2005/52 und dazu BGer 2A.709/2005). | | Soweit die VBK ausführt, die analoge Anwendung von Verjährungsbestimmungen sei nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Ansicht auf ein einzelnes Bundesgerichtsurteil aus den 70-er Jahren (BGE 98 Ib 351, 356 ff.) zurückzuführen ist, welches von Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., in Rz 778, erster Spiegelstrich, zitiert wird. In dem von der VBK zitierten Bundesgerichtsentscheid BGE 112 Ia 260 findet sich diese Einschränkung nicht mehr. Auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Nicht-Erfüllung dieser Voraussetzungen muss damit nicht weiter eingegangen werden. | | Auf die Beschwerdeausführungen, der Gesetzgeber habe keine Verjährung für Forderungen der Gemeinden für Erschliessungskostenbeiträge gewollt, da nach einer Baulandumlegung die infrastrukturelle Erschliessung der umgelegten Gebiete oftmals etappenweise, teilweise erst Jahre oder Jahrzehnte später erfolge, und infolge der stetigen Teuerung für die Gemeinde nicht absehbar sei, wie sich die Preise für die zu erstellende Infrastruktur entwickeln würden, da für die Kostenverteilung die Gesamtkosten der Aufwendungen für die Erstellung der Erschliessungsanlagen heranzuziehen seien, ist ebenfalls nicht weiter einzugehen. Im gegenständlichen Verfahren hat die Beschwerdeführerin selbst ausgeführt, dass sämtliche Erschliessungsarbeiten des Baulandumlegungsgebietes *** im Jahre 1985 abgeschlossen wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren damit alle angefallenen Erschliessungskosten bekannt bzw. eruierbar. |
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| 8. | Der von der VBK analog angewendeten Verjährungsregelung aus dem Steuergesetz hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass Vorzugslasten wie Erschliessungskostenbeiträge keinesfalls mit Steuern gleichgesetzt werden könnten, weshalb eine Gleichbehandlung von Steuern und Erschliessungskostenbeiträgen in der Verjährungsfrage den Gleichheitsgrundsatz verletze. | | Die VBK hat in ihrer Entscheidung auf das Urteil des Bundesgerichts BGE 112 Ia 260 ff. verwiesen, in welchem es um die Verjährung von Kanalisations- und Wasseranschlussgebühren ging. Das Bundesgericht führte aus, dass es sich bei diesen unbestrittenermassen um Gebühren, genauer gesagt um Benutzungsgebühren handle. Um Beiträge (Vorzugslasten) handle es sich bei Abgaben, welche zur Deckung des Aufwandes für die Erstellung von Abwasserleitungs- und Reinigungsanlagen sowie des Wasserleitungsnetzes vorgesehen seien. Sowohl Gebühren als auch Beiträge seien Kausalabgaben. Beide hätten ihren Grund in einer Leistung des Staates gegenüber dem Bürger. Für den vorliegenden Zusammenhang sei nicht entscheidend, dass die Steuer voraussetzungslos und die Kausalabgabe (Gebühr) als Entgelt geschuldet sei. Vielmehr komme dem Umstand Bedeutung zu, dass in beiden Fällen eine Art von Veranlagung vorgenommen werden müsse, die für Steuern und für die streitigen Gebühren vergleichbar sei. Das Verwaltungsgericht habe demnach für die Frage der Verjährung ohne Willkür die Regelung des Steuerrechts heranziehen können. | | Der vom Bundesgericht aufgezeigten Gemeinsamkeit von Steuern und Kausalabgaben - beide sind öffentliche Abgaben - hält die Beschwerdeführerin nichts entgegen. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet die Ausführungen des Bundesgerichts zur analogen Anwendung der Verjährungsregelung aus dem Steuerrecht für überzeugend und kann daher der erfolgten Lückenfüllung durch die VBK zustimmen. | | Zu ergänzen ist allerdings, dass nach Art. 115 Abs. 1 SteG, LGBl. 2010 Nr. 340, die Veranlagungsverjährung in fünf Jahren verjährt. Art. 115 Abs. 2 SteG regelt die Voraussetzungen, wann die Verjährung nicht beginnen kann oder gehemmt ist. Gemäss Art. 115 Abs. 3 SteG wird die Verjährungsfrist unterbrochen und die Verjährung beginnt neu mit der Anerkennung der Steuerforderung durch den Steuerpflichtigen (lit. a), bei jeder mit Kenntnis des Steuerpflichtigen vorgenommenen, auf die Feststellung der Steuerpflicht oder die Geltendmachung der Steuerforderung gerichteten Handlung der Steuerbehörden (lit. b), oder bei Einreichung eines Gesuchs um Steuernachlass (lit. c). Das Recht, eine Steuer zu veranlagen, ist in jedem Fall nach zehn Jahren verjährt (Art. 115 Abs. 4 SteG). | | Umgelegt auf die Erschliessungskosten kann festgehalten werden, dass es die Gemeinden in der Hand haben, ihre diesbezüglichen Ansprüche nicht verjähren zu lassen, indem sie nach Vollendung der Erschliessung bzw. Teilerschliessungen die Abgabepflichtigen über ihre Kostenermittlungen und Kostenfestsetzungen laufend informieren. Dies allerdings nur innerhalb der absoluten Verjährungsfrist von zehn Jahren. | | Wie in Erw. 3. dargelegt, steht es den Gemeinden auch frei, selbst Verjährungsfristen in ihren Reglementen festzulegen. Diese müssen jedoch verhältnismässig sein. Eine Rückwirkung der Verjährungsfristen ist nur aus triftigen Gründen gerechtfertigt und muss zeitlich mässig sein. Für den vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass die Gemeinde A erstmals am 12. Februar 2014 ein Reglement über die Festlegung und Einhebung von Erschliessungskosten in Kraft setzte. Dieses Reglement wurde durch das Reglement über die Festlegung und Einhebung von Erschliessungskosten vom 17. Februar 2021 ersetzt. Beide Reglemente enthielten bzw. enthalten keine Verjährungsbestimmung. |
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| 9. | Die Beschwerdegegnerin moniert, sie habe bereits in der Beschwerde an die VBK darauf hingewiesen - wobei das entsprechende Vorbringen von dieser nicht gewürdigt worden sei -, dass vorliegend eine unzulässige Rückwirkung vorliege. Wenn neues Recht auf einen Sachverhalt angewendet werde, der sich abschliessend vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht habe, liege eine echte Rückwirkung vor, die grundsätzlich unzulässig sei. | | Die VBK hat entschieden, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Erstattung der Erschliessungskosten verjährt ist, und hat die Einspracheentscheidung der Beschwerdeführerin ersatzlos aufgehoben. Damit musste sie nicht weiter prüfen, ob es auch noch andere rechtliche Gründe gibt, weswegen die Einspracheentscheidung hätte aufgehoben werden müssen. Das Gleiche gilt auch für den Verwaltungsgerichtshof. Auch er muss sich zu der vorgebrachten unzulässigen Rückwirkung nicht äussern, da er ebenfalls von der Verjährung der Ansprüche der Beschwerdeführerin ausgeht. |
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| 10. | Die Kostenentscheidung stützt sich auf Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 Abs.1 und Art. 16 Abs. 1 Bst. b GGG. |
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Dieses Urteil ist endgültig. Vaduz, 11. Mai 2023 Verwaltungsgerichtshof Der Präsident lic.iur. Andreas Batliner |