StGH 2022/003 Der Staatsgerichtshof als Verfassungsgerichtshof hat in seiner nicht-öffentlichen Sitzung vom 10. Mai 2022, an welcher teilnahmen: Präsident Dr. Hilmar Hoch als Vorsitzender; stellvertretender Präsident lic. iur. Christian Ritter, lic. iur. Marco Ender und Prof. August Mächler als Richter; Prof. Benjamin Schindler als Ersatzrichter sowie Dr. Tobias Wille als Schriftführer über den Antrag der Antragsteller: | 4. | 441 weitere AntragstellerInnen gemäss beiliegenden Unterschriftenbögen |
alle vertreten durch:
*** |
Belangte Behörde: | Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz |
gegen: | Verordnung vom 15. Dezember 2021 über die Abänderung der Covid-19-Verordnung, LGBl. 2021 Nr. 405 |
wegen: | Verfassungs- und Gesetzwidrigkeit (Streitwert: CHF 50'000.00) |
zu Recht erkannt: 1. | Es wird festgestellt, dass die am 18. Februar 2022 ausser Kraft getretene Verordnung vom 15. Dezember 2021 über die Abänderung der Covid-19-Verordnung, LGBl. Nr. 2021 Nr. 405, mit Ausnahme der Art. 2a, Art. 3a Abs. 1 Bst. a und Art. 3b Abs. 3 Bst. a und c verfassungs- und gesetzwidrig ist. |
2. | Die Feststellung der teilweisen Verfassungswidrigkeit dieser Verordnung ist von der Regierung gemäss Art. 21 Abs. 3 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 StGHG unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen. |
3. | Das Land Liechtenstein ist schuldig, den Antragstellern die Kosten ihrer Vertretung von CHF 2‘059.95 binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. |
4. | Die Gerichtsgebühren trägt das Land Liechtenstein. |
SACHVERHALT | 1. | Mit LGBl. 2021 Nr. 285 wurde die Verordnung vom 9. September 2021 über die Abänderung der Covid-19-Verordnung (Verordnung vom 25. Juni 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus [Covid-19]) kundgemacht. Im Wesentlichen wurde mit dieser Verordnung die 3G-Regel bzw. Covid-Zertifikatspflicht in den unterschiedlichsten Lebensbereichen in Liechtenstein und die Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen wieder eingeführt. | | Schon diese Verordnung war Gegenstand eines Normenkontrollantrages gemäss Art. 20 Abs. 1 Bst. c StGHG zu StGH 2022/082 sowie einer Individualbeschwerde gemäss Art. 15 Abs. 3 StGHG zu StGH 2022/081, denen der Staatsgerichtshof mit Urteilen jeweils vom 7. Dezember 2021 keine Folge gab (beide www.gerichtsentscheide.li; Regesten zu StGH 2022/082 publiziert in Zbl 123/2022, 162 ff.). |
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| 2. | Am 15. Dezember 2021 erliess die Regierung des Fürstentums Liechtenstein die antragsgegenständliche Verordnung vom 15. Dezember 2021 über die Abänderung der Covid-19-Verordnung (LGBl. 2021 Nr. 405). Im Unterschied zur oben bezeichneten Verordnung vom 9. September 2021 wurde die Zertifikatspflicht mit der antragsgegenständlichen Verordnung dahingehend verschärft, dass überall dort, wo seit 9. September 2021 die 3G-Regel gegolten hatte, ab dem 18. Dezember 2021 die 2G-Regel (geimpft oder genesen) galt. Zusätzlich wurden Verschärfungen für Veranstaltungen im Freien und eine Maskenpflicht für Kinder ab sechs Jahren eingeführt. Diese Verordnung ist am 18. Februar 2022 ausser Kraft getreten. |
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| 3. | Die antragsgegenständliche Verordnung sah im Einzelnen vor, dass gemäss | | • Art. 4a und 4b Restaurants, Bars und Clubbetriebe, Diskotheken und Tanzlokale sowie andere Einrichtungen und Betriebe in den Bereichen Unterhaltung, Kultur, Freizeit und Sport bei Personen ab vollendetem 16. Altersjahr den Zugang zu Innenbereichen auf Personen mit einem Covid-19-Impfzertifikat oder Covid-19-Genesungszertifikat beschränken müssen, | | • Art. 5a der Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen in Innenräumen und der Zugang zu privaten Veranstaltungen in Innenräumen mit mehr als 10 Personen auf Personen mit einem Covid-19-Impfzertifikat oder Covid-19-Genesungszertifikat zu beschränken ist, | | • Art. 5 der Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen im Freien bei mehr als 300 Personen auf Personen mit einem Covid-19-Impfzertifikat oder Covid-19-Genesungszertifikat zu beschränken ist, | | • Art. 3a und 3b Kinder ab sechs Jahren in Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs und in der Schule eine Gesichtsmaske tragen müssen. |
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| 4. | Im Zusammenhang mit dem Erlass der hier angefochtenen Verordnung erging auch eine Medienmitteilung der Regierung vom 15. Dezember 2021 folgenden Inhalts: | | „Aufgrund der weiterhin sehr kritischen Lage in Liechtenstein hat die Regierung am Mittwoch, 15. Dezember entschieden, in Liechtenstein ab Samstag, 18. Dezember die 2G-Regel mit Maskenpflicht für Personen ab 16 Jahren einzuführen sowie die Maskenpflicht auf Personen ab 6 Jahren auszuweiten. | | Derzeit werden in Liechtenstein im Schnitt der letzten sieben Tage 50.9 Fälle pro Tag verzeichnet. Dies führt zu einer 7-Tages-Inzidenz von 912. Das sind sowohl im Vergleich zu vorangegangenen Wellen in Liechtenstein als auch im Vergleich zu anderen Staaten rekordhohe Werte. Aufgrund der bereits hohen Auslastung der Intensivstationen und Spitäler in den angrenzenden Kantonen sowie in Liechtenstein, die in den nächsten Wochen voraussichtlich noch zunehmen wird, sowie den Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Omikron-Variante ist es erforderlich, die Viruszirkulation nun stark zu senken. Sowohl bei den Ansteckungen und insbesondere bei den Hospitalisationen zeigt sich, dass Personen die nicht geimpft oder genesen sind, den überwiegenden Anteil ausmachen. Die Massnahmen der Regierung setzen daher an diesem Punkt an. | | Einführung von 2G mit Maskenpflicht In allen Bereichen, in denen derzeit die 3G- und Maskenpflicht gilt, ist künftig der Zugang auf Personen mit einem Impf- oder Genesungszertifikat eingeschränkt: In Restaurants, Bars, Kultur-, Sport-, Freizeit- und Unterhaltungsbetrieben sowie an Veranstaltungen. Testzertifikate berechtigen künftig nicht mehr zum Eintritt bzw. zur Teilnahme. Zusätzlich wird an der Maskenpflicht und der Sitzpflicht bei Konsumation unter Einhaltung der Abstände zwischen den Gästegruppen bis auf Weiteres festgehalten. Auch für private Veranstaltungen zu Hause ist ein 2G-Nachweis für jede Person über 16 Jahren erforderlich, sofern mehr als zehn Personen teilnehmen. Ausgenommen von der Zertifikatspflicht bleiben religiöse Veranstaltungen und Bestattungsfeiern sowie Veranstaltungen zur politischen Meinungsbildung mit bis zu 50 Personen. Auch bei Veranstaltungen im Freien mit bis zu 300 Personen wird weiterhin von der Zertifikatspflicht abgesehen, ebenso in Aussenbereichen von Gastronomiebetrieben. Unverändert bestehen bleibt die Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen sowie die Vorgabe, dass die Konsumation von Speisen und Getränken nur unter Einhaltung der Gastronomievorgaben und im Sitzen zulässig ist. Die Vorgaben für die Konsumation gelten auch für Aussenbereiche. | | Maskenpflicht neu ab 6 Jahren Unverändert gilt die Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen und in öffentlichen Verkehrsbetrieben. Aufgrund des sehr hohen Infektionsgeschehens unter Kindern und Jugendlichen erachtet es die Regierung als erforderlich, das Mindestalter für die Geltung der Maskenpflicht zu senken. Neu müssen künftig Kinder ab dem sechsten Geburtstag in öffentlich zugänglichen Innenräumen und in Bussen eine Maske tragen. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf den Schulbetrieb nach den Weihnachtsferien. Ausgenommen sind Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts im Kindergarten und der Basisstufe. | | […] | | Unterstützungsleistungen verlängert Um die wirtschaftlichen Folgen der behördlichen Massnahmen abzufedern, hat die Regierung beschlossen, die staatlichen Unterstützungsleistungen bis Ende März 2022 zu verlängern. Somit können die betroffenen Unternehmen weiterhin Corona-bedingte Kurzarbeitsentschädigung, Härtefallzuschüsse sowie COVID-19-Taggeld beantragen. In Ergänzung zu den Leistungen des Landes haben auch die Gemeinden entschieden, ihr Unterstützungsprogramm um weitere drei Monate bis Ende März 2022 zu verlängern. | | […] | | Die beschlossenen Massnahmen treten am Samstag, 18. Dezember in Kraft und gelten befristet bis und mit 24. Januar 2022. [Durch Art. 14 Abs. 3 der Änderungsverordnung LGBl. 2022 Nr. 12 wurde die Zertifikatspflicht der Verordnung (vor deren Aufhebung durch Verordnung LGBl. 2022 Nr. 18) gemäss der Art. 4a, 4b, 5, 5a bis zum 28. Februar 2022 verlängert.] Eine allfällige Anpassung wird voraussichtlich Mitte Januar möglich sein.“ |
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| 5. | Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2022 beantragten 444 AntragstellerInnen beim Staatsgerichtshof die Überprüfung der Verordnung vom 15. Dezember 2021 über die Abänderung der Covid-19-Verordnung, LGBl 2021 Nr. 405, auf ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit. Beantragt wurde, der Staatsgerichtshof des Fürstentums Liechtenstein wolle die Verordnung vom 15. Dezember 2021 über die Abänderung der Covid-19-Verordnung, LGBl. 2021 Nr. 405, gemäss Art. 20 Abs. 1 lit. c StGHG in ihrer Gesamtheit mit Ausnahme von Art. 2a als verfassungs- und staatsvertragswidrig aufheben; der Staatsgerichtshof wolle das Land Liechtenstein zum Ersatz der den Antragstellern entstandenen und nachstehend verzeichneten Kosten zuhanden deren ausgewiesenen Rechtsvertretern binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution verpflichten. Auf die Begründung ist, soweit relevant, in den Erwägungen einzugehen. |
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| 6. | Die Regierung erstattete mit Schreiben vom 8. März 2022 eine Äusserung und Beitrittserklärung an den Staatsgerichtshof. Sie stellte den Antrag, der Staatsgerichtshof wolle den Normenkontrollantrag vom 14. Januar 2022 zur Gänze oder in Teilen zurückweisen, in eventu ihm keine Folge geben. Auf die Begründung ist, soweit relevant, in den Erwägungen einzugehen. |
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| 7. | Der Staatsgerichtshof zog die Vorakten, soweit erforderlich, bei und beschloss in Folge Spruchreife, auf die Durchführung einer öffentlichen Schlussverhandlung zu verzichten. Nach Durchführung einer nicht-öffentlichen Schlussverhandlung wurde wie aus dem Spruch ersichtlich entschieden. |
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BEGRÜNDUNG | 1. | Nach Art. 39 StGHG nimmt der Staatsgerichtshof seine Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amtes wegen wahr. Der Staatsgerichtshof hat demnach von Amtes wegen zu prüfen, ob der ihm zur Entscheidung vorgelegte Normprüfungsantrag zulässig ist bzw. ob die Voraussetzungen für eine materielle Entscheidung vorliegen (statt vieler: StGH 2018/100, Erw. 1; StGH 2018/068, Erw. 1; StGH 2017/191, Erw. 1 [alle www.gerichtsentscheide.li]; siehe auch Tobias Michael Wille, Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht, LPS Bd. 43, Schaan 2007, 446 m. w. N.). | | 1.1 | Nach Art. 20 Abs. 1 Bst. c StGHG entscheidet der Staatsgerichtshof auf Antrag von mindestens 100 Stimmberechtigten über die Verfassungs- und Gesetzmässigkeit sowie über die Staatsvertragsmässigkeit von Verordnungen oder einzelnen Bestimmungen von Verordnungen, wenn dieser Antrag innert einem Monat seit der Kundmachung der Verordnung im Landesgesetzblatt gestellt wird. Gemäss Art. 20 Abs. 2 StGHG muss ein Antrag unter Darlegung der Gründe der behaupteten Verfassungs-, Gesetz- oder Staatsvertragswidrigkeit das Begehren enthalten, eine bestimmte Verordnung oder einzelne ihrer Bestimmungen aufzuheben. Sind die Verordnung oder einzelne ihrer Bestimmungen bereits ausser Kraft getreten, stellt der Staatsgerichtshof gemäss Art. 21 Abs. 2 StGHG ihre Verfassungs-, Gesetz- oder Staatsvertragswidrigkeit fest (vgl. StGH 2013/200, Erw. 1; StGH 2009/145, Erw. 1 [beide www.gerichtsentscheide.li]; StGH 2004/060, LES 2006, 105 [113, Erw. 4]; siehe auch Tobias Michael Wille, Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht, a. a. O., 784). |
| | 1.2 | Dem Antrag auf weitgehende Aufhebung der Verordnung vom 15. Dezember 2021 über die Abänderung der Covid-19-Verordnung, LGBl. 2021 Nr. 405 (nachfolgend: Verordnung vom 15. Dezember 2021), liegen Unterschriftenbögen mit insgesamt 462 Unterschriften bei. Alle bis auf 18 Unterschriften wurden von den zuständigen Gemeinden als die Unterschriften Stimmberechtigter bestätigt bzw. nicht als doppelte Unterschriften erachtet; der Antrag wurde also von 444 Stimmberechtigten gestellt. Die zu prüfende Verordnung wurde im LGBl. 2021 Nr. 405 vom 15. Dezember 2021 kundgemacht und trat gemäss Artikel II. am 18. Dezember 2021 in Kraft; der am 14. Januar 2022 eingegangene Antrag ist somit fristgerecht erfolgt. |
| | 1.3 | Beim Antragsrecht nach Art. 20 Abs. 1 Bst. c StGHG handelt es sich um ein spezifisches verfassungsrechtliches Rechtsschutzmittel, das den Verordnungsgeber im Interesse der Sicherung der Entscheidungsprärogative des Gesetz- und Verfassungsgebers einer umfassenden Kontrolle unterwirft. Eines besonderen Interesses der Antragsteller bedarf es daher nicht (StGH 2016/054, Erw. 1.3; StGH 2012/209, Erw. 1.2; StGH 2010/024, Erw. 1.3 [alle www.gerichtsentscheide.li]). | | Allerdings ist die hier angefochtene Verordnung und damit die 2G-Regel sowie die Maskenpflicht ab sechs Jahren inzwischen mit Verordnung vom 17. Februar 2022 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19), LGBl. 2022 Nr. 18, aufgehoben worden (vgl. dort Art. 13). Entsprechend hat der Staatsgerichtshof gemäss Art. 21 Abs. 2 StGHG gegebenenfalls die Verfassungs-, Gesetz- oder Staatsvertragswidrigkeit der angefochtenen Verordnung nur festzustellen. |
| | 1.4 | Die Regierung macht in ihrer Äusserung geltend, die Antragsteller seien hinsichtlich der Maskenpflicht in Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs (Art. 3a Abs. 1 Bst. a der Verordnung) ihrer Rüge- und Substantiierungspflicht nicht nachgekommen. Die antragstellende Partei müsse konkret darlegen, worin die behauptete Verletzung ihrer Rechte bestehe (Verweis auf StGH 2021/082, Erw. 1.5 [www.gerichtsentscheide.li]). Hinsichtlich der angeführten Bestimmung brächten die Antragsteller nichts vor. Ihre Ausführungen bezögen sich im Wesentlichen auf die Maskenpflicht im Unterricht. Der Normenkontrollantrag sei daher insoweit zurückzuweisen. |
| | 1.5 | Die Substantiierungspflicht besagt, dass die antragstellende Partei konkret darlegen muss, worin die behauptete Verletzung ihrer Rechte besteht. Der Staatsgerichtshof ist nicht verpflichtet, die angefochtene Entscheidung – bzw. hier die angefochtene Verordnung – auf sämtliche denkbaren Mängel hin zu untersuchen (Art. 20 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 1 StGHG; vgl. StGH 2017/147, Erw. 1.3; StGH 2017/093, Erw. 1.3; StGH 2016/105, Erw. 2.3 [alle www.gerichtsentscheide.li]). Es ist der Regierung zwar zuzustimmen, dass sich die Antragsteller neben der Zertifikatspflicht aufgrund der 2G-Regel (geimpft oder genesen) für bestimmte Orte primär mit der Maskenpflicht für Kinder im Unterricht befassen. Indessen wird auch allgemein zu den Auswirkungen der Maskenpflicht auf Kinder ab sechs Jahren ausgeführt. Dies genügt aber, um der Substantiierungspflicht nachzukommen. Es ist deshalb im Folgenden auch Art. 3a Abs. 1 Bst. a in die Normprüfung einzubeziehen. |
| | 1.6 | Demnach ist die angefochtene Verordnung vom 15. Dezember 2021 mit Ausnahme des von den Beschwerdeführern selbst von ihrem Antrag ausgenommenen Art. 2a im Folgenden auf ihre Verfassungsmässigkeit zu prüfen. Insoweit ist somit materiell auf den Normprüfungsantrag einzutreten. |
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| 2. | Wie schon zu StGH 2021/082 rügen die Antragsteller, dass die Verordnung gegen mehrere Grundrechte verstosse, nunmehr aber eingeschränkt auf den Gleichheitssatz, die Handels- und Gewerbefreiheit, die Eigentumsgarantie, die Versammlungsfreiheit, die persönliche Freiheit und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff in die meisten Grundrechte ist nur zulässig, wenn die Eingriffskriterien der gesetzlichen Grundlage, der Verhältnismässigkeit und des öffentlichen Interesses eingehalten werden (siehe StGH 2021/082, Erw. 2.1 [a. a. O.], mit Verweis auf Hilmar Hoch, Einheitliche Eingriffskriterien für alle Grundrechte?, in: Liechtenstein-Institut [Hrsg.], Beiträge zum liechtensteinischen Recht aus nationaler und internationaler Perspektive, Festschrift zum 70. Geburtstag von Herbert Wille, LPS Bd. 54, Schaan 2014, 199). Im Zusammenhang mit ihren Grundrechtsrügen machen die Antragsteller geltend, dass alle diese Grundrechtseingriffskriterien nicht erfüllt seien. |
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| 3. | Der vorliegende Normenkontrollantrag ist – gleich wie schon derjenige zu StGH 2021/082 – folgendermassen gegliedert: Zunächst wird zu den einzelnen geltend gemachten Grundrechten ausgeführt. Anschliessend erfolgt – in teilweiser Überschneidung mit dem Vorbringen zu den einzelnen Grundrechten – die Erörterung der drei erwähnten Grundrechtseingriffskriterien für alle geltend gemachten Grundrechte gemeinsam. |
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| 4. | Im Folgenden ist zunächst auf die auch von den Antragstellern in der Begründung ihres Normenkontrollantrages mehrfach aufgeworfene – und verneinte – Frage einzugehen, ob die vom Staatsgerichtshof in StGH 2021/082 für die 3G-Regelung als genügend qualifizierte gesetzliche Grundlage auch für die verschärfte 2G-Regelung ausreicht. | | 4.1 | Dabei stellt sich einerseits aus dem Blickwinkel der Grundrechtseingriffskriterien die Frage, ob – wie im Zusammenhang mit der 3G-Regelung – weiterhin von einem leichten Grundrechtseingriff gesprochen werden kann, oder ob mit dem 2G-Regime ein schwerer Grundrechtseingriff erfolgte. Denn im Falle eines schweren Grundrechtseingriffs sind erhöhte Anforderungen an die gesetzliche Grundlage für einen Grundrechtseingriff zu stellen (siehe StGH 2021/082, Erw. 4.2.3 und 5.1.1 [a. a. O.]). |
| | 4.2 | Allerdings verlangen die Normenhierarchie und die Gewaltenteilung (Art. 92 LV) auch unabhängig von allfälligen Grundrechtseingriffen, dass eine Verordnung über eine genügende gesetzliche Grundlage verfügt. Im Rahmen der Normenkontrolle genügt es, die Verfassungswidrigkeit einer Verordnung allein aufgrund ihrer fehlenden gesetzlichen Grundlage geltend zu machen (Art. 20 Abs. 1 StGHG). Es ist nicht erforderlich, dass die Verordnung darüber hinaus auch materiell gegen ein Grundrecht verstösst (StGH 2004/001, Erw. 2.1 [www.gerichtsentscheide.li]; StGH 2002/084, LES 2005, 252 [258, Erw. 2.1]; siehe auch Stefan Becker, Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht nach Massgabe der Praxis des Staatsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein, Schaan 2003, 473 f.). | | Nach der Judikatur des Staatsgerichtshofes müssen „die grundlegenden, wichtigen, primären und nicht unumstrittenen Bestimmungen" im Gesetz stehen und dürfen nicht nur auf Verordnungsstufe geregelt sein. Eines der hierbei relevanten Kriterien ist nun allerdings wiederum, ob bzw. inwieweit die betreffende Regelung Grundrechtspositionen von Betroffenen tangiert. Weitere Massstäbe für die gebotene Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage für Verordnungen sind die Komplexität und Dynamik eines Regelungsbereichs, die verfügbaren Handlungsalternativen, die rechtspolitische Brisanz einer Regelung, ihre finanzielle Bedeutsamkeit und die Relevanz für die Ausgestaltung des politischen Systems (StGH 2018/133, Erw. 3.1 [www.gerichtsentscheide.li] mit Verweis auf Peter Bussjäger, Online-Kommentar zur liechtensteinischen Verfassung [verfassung.li; Stand: 30. Januar 2019] Art. 92, Rz. 55 ff.; Janine Bürzle, Das Legalitätsprinzip im Spannungsfeld zwischen Politik und Recht, 2018, 78 ff. jeweils m. w. N.). |
| | 4.3 | Die Antragsteller bringen zur ihrer Auffassung nach insbesondere für das 2G-Regime fehlenden genügenden gesetzlichen Grundlage unter dem Blickwinkel der persönlichen Freiheit Folgendes vor: | | Bezüglich der Handlungsalternative hätten sich die Rahmenbedingungen seit der Einführung der 2G-Regel grundlegend geändert. Gehöre man nun als Nicht-Geimpfter (rund 30% der LiechtensteinerInnen) nicht zufällig zu den rund 6'000 genesenen Personen in Liechtenstein (weniger als 20% der Einwohner, wobei dies geimpfte und ungeimpfte Personen umfasse) und liege die Genesung nicht länger als sechs Monate zurück, müsse man sich einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit durch Vornahme einer körperinvasiven und mit teilweise starken Nebenwirkungen (anaphylaktische Reaktionen, Herzmuskelentzündungen, Tod) verbundenen, nur bedingt zugelassenen und vor Anwendung nicht in klinischen Studien erprobten Impfung „gefallen lassen“, wenn man uneingeschränkt am öffentlichen Leben teilnehmen und sein Recht auf persönliche Freiheit (wieder-)erlangen wolle. Die Regierung mache auch kein Geheimnis daraus, dass mit diesen 3G/2G-Regelungen die Bevölkerung einen Anreiz erhalten solle, sich impfen zu lassen. Spätestens seit der Einführung der 2G-Regel komme dies fast schon einem direkten Impfzwang gleich, zumal im Unterschied zum 3G-Regime ausser der Impfung gar keine Handlungsalternative mehr bestehe. Die Impfkampagne in Liechtenstein gleiche dabei einem grossen Versuchslabor, nur dass die Impfungen aufgrund der ganzen mit der antragsgegenständlichen Verordnung eingeführten Einschränkungen eben vielfach nicht freiwillig, sondern aufgrund des gesellschaftlichen oder Drucks seitens der Arbeitgeber, der Massnahmenmüdigkeit und einfach des Wunsches nach sozialem Beisammensein erfolgten. Solche medizinischen Versuche hätten nach dem Nürnberger Kodex immer freiwillig zu erfolgen, was aufgrund des indirekten Impfzwangs aber genau nicht der Fall sei. |
| | 4.4 | Diesem Vorbringen hält die Regierung in ihrer Gegenäusserung Folgendes entgegen: | | 4.4.1 | Die Regierung verkenne nicht, dass durch die zeitlich befristete Einführung der 2G-Regel die Handlungsalternativen für nicht Geimpfte und nicht Genesene im Verhältnis zur 3G-Regel weiter eingeschränkt worden seien, da die Möglichkeit eines Schnell- oder PCR-Tests für den genannten Personenkreis entfallen sei. Dies ändere aber nichts an der Tatsache, dass die 2G-Regel nur den in Art. 32 Abs. 1 LV inkorporierten Teilgehalt des Schutzes vor Ausgrenzung erfasst habe. Diesbezüglich habe der Staatsgerichtshof festgehalten, dass eine Grundrechtsrelevanz nur dann bestehe, wenn keine Handlungsalternativen eröffnet würden (Verweis auf StGH 2021/082, Erw. 4.4.4 [a. a. O.]). Grundrechtsrelevant sei der Eingriff daher nur hinsichtlich des Zugangs zu Stätten der Kultur und des Sports. Die Grundrechtsrelevanz betreffe daher offenkundig die Frage des Schutzbereiches, nicht aber schon die Frage der Schwere des Eingriffs. |
| | 4.4.2 | Zur Schwere des Eingriffs sei festzuhalten, dass für Ungeimpfte oder nicht Genesene nur hinsichtlich des Zugangs zu Stätten der Kultur und des Sports keine Handlungsalternative zur Impfung bestanden habe. Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, dass es sich um einen schweren Eingriff handle, zumal die Einschränkung temporär gewesen sei. Es habe sich jedenfalls nicht um ein Ausgangsverbot gehandelt, das zweifellos einen schweren Eingriff darstellen würde. Ferner habe es sich auch nicht – wie die Antragsteller vermeinten – um eine Massnahme gehandelt, die einem – ebenfalls als schwerwiegend einzustufenden – „direkten Impfzwang“ gleichkomme. |
| | 4.4.3 | Die Regierung verwahre sich in diesem Zusammenhang auch gegen die unsubstantiierte Feststellung der Antragsteller, Liechtenstein gleiche einem „grossen Versuchslabor“, in dem entgegen dem Nürnberger Kodex unfreiwillige „medizinische Versuche“ erfolgten. Die Impfungen seien vielmehr wissenschaftlich durch Studien (mit freiwilligen Teilnehmern) erprobt und ordnungsgemäss zugelassen. |
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| | 4.5 | In ihren allgemeinen Ausführungen zur Frage der gesetzlichen Grundlage der angefochtenen Verordnung führen die Antragsteller zudem Folgendes aus: | | 4.5.1 | Die diversen geltend gemachten Grundrechtseingriffe wögen (teils) schwer, allen voran der Eingriff in den Gleichheitssatz und in die persönliche Freiheit im Sinne der körperlichen Unversehrtheit. So seien vom schweizerischen Bundesgericht bspw. die Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige zukünftige Straftaten und die Entnahme eines Wangenschleimhautabstrichs und Blutentnahme, wenn keine aussergewöhnlichen gesundheitlichen Risiken bestünden, als leichte Eingriffe taxiert worden, der Entzug des Führerausweises dagegen als schwerer Eingriff. |
| | 4.5.2 | Die Situation von ungeimpften Personen gleiche derjenigen beim Führerausweisentzug: Nur dass dem Ungeimpften nicht nur der Zugang zu einem einzelnen Fortbewegungsmittel verwehrt bleibe, sondern die Teilnahme am öffentlichen Leben schlechthin. Zu den verwendeten Impfstoffen gebe es auch keinerlei Studien zu Langzeitfolgen und an der Impfung seien auch schon Personen verstorben. |
| | 4.5.3 | Während der Staatsgerichtshof in seinem Urteil zu StGH 2021/082 noch der Ansicht gewesen sei, dass für die 3G-Pflicht eine ausreichende gesetzliche Regelung in Form des schweizerischen Epidemiengesetzes vorhanden sei, könne dies nicht auch so für die 2G-Pflicht gelten. Insbesondere könnten sich nicht Geimpfte und nicht Genesene nicht einmal mehr „freitesten“. Es sei deshalb eine klarere gesetzliche Grundlage als das schweizerische Epidemiengesetz vonnöten. Entsprechendes hätten mehrere namhafte Schweizer Rechtsexperten wie die Professoren Andreas Kley, Marcel Alexander Niggli und Markus Schefer, ehemalige Bundesrichter wie Prof. Karl Spühler sowie weitere Juristen bereits bei Einführung der 3G-Regel festgehalten. A fortiori gelte dies nun für die noch übergriffigere 2G-Regel. |
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| | 4.6 | Zu diesem Vorbringen beruft sich die Regierung in ihrer Gegenäusserung zum vorliegenden Normenkontrollantrag auf die in StGH 2021/082 (insbesondere Erw. 5.1.5; nachfolgend zitiert) zur gesetzlichen Grundlage gemachten Erwägungen. Die angewandten Bestimmungen des schweizerischen Epidemiengesetzes seien entsprechend unbedenklich angesichts des differenzierten Legalitätsprinzips, das je nach Materie unterschiedliche Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen stelle. Die Grenzen der legalitätsrechtlichen Zulässigkeit, die an das Krisenrecht zu stellen seien, würden im Falle des Epidemiengesetzes nicht überschritten. Diesen Vorgaben habe die Regierung durch die Befristung der Massnahmen und schliesslich durch die Aufhebung beinahe aller Einschränkungen, sobald es die Situation zugelassen habe, entsprochen. |
| | 4.7 | Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Erwägungen sind hier zunächst die einschlägigen Erwägungen 5.1.3, 5.1.5 und 5.1.10 in StGH 2021/082 zu zitieren, mit welchen der Staatsgerichtshof unter Berufung auf das Epidemiengesetz sowie das Covid-19-Gesetz (beide aufgrund des Zollvertrags in Liechtenstein anwendbar) eine genügende gesetzliche Grundlage für das 3G-Regime bejahte. In den Erwägungen 5.1.3 und 5.1.5 bezog sich der Staatsgerichtshof auf den (in allen Revisionen beibehaltenen) Ingress der liechtensteinischen Covid-Verordnung, wonach sich diese primär auf Art. 40 i. V. m. Art. 6 des Epidemiengesetzes (EpG) und auf Art. 65 i. V. m. Art. 49 des liechtensteinischen Gesundheitsgesetzes (GesG) stützt. | | 4.7.1 | Zu diesen im Ingress zitierten Bestimmungen erwog der Staatsgerichtshof Folgendes (StGH 2021/082, Erw. 5.1.3 und 5.1.5 [a. a. O.]): | | „Auf die im Ingress der Verordnung erwähnten Bestimmungen des Gesundheitsgesetzes ist hier nicht weiter einzugehen, da diese weit weniger spezifisch sind als die Bestimmungen des Epidemiengesetzes. Gemäss Art. 6 Abs. 2 EpG kann der Bundesrat bei einer sogenannten „besonderen Lage“ gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung verschiedene Massnahmen anordnen, welche sonst den Kantonen vorbehalten sind, darunter gemäss Abs. 2 Bst. b auch „Massnahmen gegenüber der Bevölkerung“, wie sie in Art. 40 geregelt sind. Gemäss Art. 40 Abs. 1 EpG können die Kantone Massnahmen anordnen, „um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten in der Bevölkerung oder in bestimmten Personengruppen zu verhindern“. So können gemäss Abs. 2 insbesondere a) Veranstaltungen verboten oder eingeschränkt, b) Schulen, andere öffentliche Institutionen und private Unternehmen geschlossen oder Vorschriften zum Betrieb verfügt und c) das Betreten und Verlassen bestimmter Gebäude und Gebiete sowie bestimmte Aktivitäten an definierten Orten verboten oder eingeschränkt werden. In Liechtenstein kommen die betreffenden Kompetenzen sowohl des Bundesrats als auch der Kantone jeweils der Regierung zu (vgl. Schiess Rütimann, Zollvertrag, a. a. O., 19). | | […] | | Nach Art. 40 Abs. 2 EpG können verschiedene Aktivitäten der Bevölkerung eingeschränkt oder ganz verboten werden. Dass das Gesetz neben Verboten auch blosse Einschränkungen dieser Aktivitäten vorsieht, ergibt sich auch ohne Weiteres aus dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz. Denn es wäre unverhältnismässig, diese Aktivitäten ganz zu verbieten, wenn es weniger weitgehende Massnahmen gibt, mit denen eine Epidemie mit gleicher oder ähnlicher Aussicht auf Erfolg eingedämmt werden kann. Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller kann vom Gesetzgeber auch nicht verlangt werden, dass er die möglichen Einschränkungen dieser Aktivitäten von vornherein normiert, da dies offensichtlich von der Art der Epidemie und dem im Zeitpunkt ihres Ausbruchs verfügbaren medizinischen, technischen und logistischen Instrumentarium abhängt. Der Verordnungsgeber kann dagegen schneller auf den Ausbruch einer Epidemie reagieren und konkrete Massnahmen vorsehen. Wie auch die Regierung in ihrer Stellungnahme zu Recht betont, sind deshalb die Anforderungen an das Legalitätsprinzip gerade in dynamischen Rechtsbereichen wie dem Wirtschaftsrecht (siehe StGH 2008/006, Erw. 3.7 [www.gerichtsentscheide.li]) oder eben im Bereich von Bevölkerungsschutz und der Bekämpfung von Epidemien im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen zwangsläufig gelockert. Andererseits ist es auch bei längerer Dauer einer Epidemie nicht zwingend erforderlich, dass Massnahmen, welche auf Verordnungsebene festgelegt wurden, sobald wie möglich in ein Gesetz überführt werden müssen. Allerdings verlangt Art. 40 Abs. 3 EpG als Ausfluss des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes ausdrücklich, dass die angeordneten Massnahmen nur so lange dauern dürfen, „wie es notwendig ist, um die Verbreitung einer übertragbaren Krankheit zu verhindern. Sie sind regelmässig zu überprüfen.“ Tatsächlich sind Massnahmen gerade im Bereich der Epidemienbekämpfung nicht auf Dauer angelegt, selbst wenn sie nicht explizit befristet sind. Entsprechend wichtig ist es auch, dass die Regierung dem Landtag regelmässig Rechenschaft über ihre Verordnungstätigkeit gemäss Epidemiengesetz ablegt bzw. der Landtag dies auch einfordert, was auch weitgehend geschehen ist (vgl. Christian Frommelt/Patricia M. Schiess Rütimann, Die Rolle des Landtages in der Coronapandemie. Kurzbericht. Liechtenstein-Institut, Gamprin-Bendern, November 2021, 7 f. u. 11 f.; siehe aber auch die punktuelle Kritik bei Schiess Rütimann, Zollvertrag, a. a. O., 39).“ |
| | 4.7.2 | Zum schweizerischen Covid-19-Gesetz führte der Staatsgerichtshof Folgendes aus (StGH 2021/082, Erw. 5.1.10 [a. a. O.]): | | „In diesem Zusammenhang ist auch kurz auf das schweizerische Covid-19-Gesetz (SR 818.102) einzugehen. Nachdem schon die ursprüngliche Fassung dieses Gesetzes im Juni dieses Jahres in einer Volksabstimmung angenommen worden war, wurde Ende November auch eine Änderung dieses Gesetzes vom Volk gutgeheissen. Ähnlich wie die entsprechenden Massnahmen des liechtensteinischen Gesetzgebers (siehe Erw. 5.2.5 f.) beinhaltet das schweizerische Covid-19-Gesetz primär Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. „[N]icht Gegenstand der beantragten Regelung bilden demgegenüber diejenigen epidemiologischen Massnahmen, die der Bundesrat gestützt auf Artikel 6 EpG … anordnen kann“, da hier nach wie vor kein „Bedarf nach einer besonderen gesetzlichen Grundlage“ bestehe (Botschaft Covid-19-Gesetz, BBl 2020, 6563 [6575]). Die erwähnte Revision des Covid-19-Gesetzes enthält nun entgegen der ursprünglichen Fassung doch auch eine Bestimmung, welche sich mit dem Covid-Zertifikat befasst. Der betreffende Art. 6a (i. d. F. v. BG vom 19. März 2021) regelt „die Anforderungen an den Nachweis“ von 3G. Diese schweizerische Regelung hat keine Entsprechung in einem liechtensteinischen Gesetz. Da es sich hierbei aber um eine direkt der Covid-Eindämmung dienende Vorschrift handelt, ist sie wie das Epidemiengesetz als Zollvertragsmaterie zu qualifizieren und gilt deshalb ebenfalls in Liechtenstein (siehe Christian Frommelt/Patricia M. Schiess Rütimann, a. a. O., 5). Zudem werden gemäss Art. 11a der hier zu prüfenden Verordnung vom 9. September 2021 die liechtensteinischen Zertifikate zum Nachweis von 3G vom Amt für Gesundheit „in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) 2021/953 und der dazu erlassenen Durchführungsrechtsakte“ ausgestellt. Im Gegensatz zur Schweiz ist die in Art. 11a der Verordnung erwähnte EU-Verordnung auch im EWR und somit auch in Liechtenstein anwendbar (siehe hierzu die Kundmachung des betreffenden Beschlusses Nr. 187/2021 des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, LGBl. 2021 Nr. 210). Damit verfügt Liechtenstein abgesehen vom schweizerischen Epidemiengesetz und Art. 6a des schweizerischen Covid-19-Gesetzes über eine weitere gesetzliche Grundlage für das Covid-Zertifikat – zwar nicht als vom Landtag verabschiedetes Gesetz, sondern in Form einer völkerrechtlichen Norm, welche aber, wie erwähnt, eine gleichwertige Grundrechtseingriffsvoraussetzung darstellt. Hiervon abgesehen liesse sich das Covid-Zertifikat aber sowohl in der Schweiz als auchin Liechtenstein weiterhin allein auf das Epidemiengesetz abstützen (vgl. Larissa Rhyn, Covid-19-Gesetz: Darum geht es in der zweiten Volksabstimmung, SJZ 117/2021, 1034). Insgesamt ist damit die Rechtslage in Liechtenstein hinsichtlich der gesetzlichen Grundlage für epidemiologischen Massnahmen im Allgemeinen und für das Covid-Zertifikat im Besonderen der schweizerischen Rechtslage zumindest gleichwertig.“ |
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| | 4.8 | Zur Frage der genügenden gesetzliche Grundlage für die 2G-Regelung in der Verordnung vom 15. Dezember 2021 ist vor dem Hintergrund der entsprechenden Erwägungen in StGH 2021/082 Folgendes zu erwägen: | | 4.8.1 | Der Staatsgerichtshof erachtete in StGH 2021/082 die 3G-Regelung durchwegs nur als leichten Eingriff in die von diesem Regime betroffenen Grundrechte, insbesondere der persönlichen Freiheit und der Handels- und Gewerbefreiheit. |
| | 4.8.2 | Hinsichtlich des Grundrechts auf persönliche Freiheit stützte der Staatsgerichtshof diese Einschätzung auf die mit dem 3G-Regime neben der Impfung bestehenden Handlungsalternativen von Schnell- und PCR-Tests (StGH 2021/082, Erw. 4.4.6 [a. a. O.]). Mit dem 2G-Regime fallen diese Handlungsalternativen weg. Zwar kommt dies entgegen dem Vorbringen der Antragsteller immer noch nicht „fast schon einem direkten Impfzwang gleich“. Aber es ist nicht zu leugnen, dass damit der Druck auf Nichtgeimpfte, sich nun doch noch impfen zu lassen, beträchtlich erhöht wurde. Immerhin spricht auch der deutsche Ethikrat von einer „staatlich induzierten, aber nur mittelbar sanktionierten Impfpflicht“ (siehe Deutscher Ethikrat, Ethische Orientierung zur Frage einer allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht, Ad-hoc-Empfehlung, Berlin, 22. Dezember 2021, 6; zitiert in Liechtenstein-Institut, Impfpflicht in Liechtenstein. Rechtliche und ethische Überlegungen, Gamprin-Bendern, Januar 2022, 10). Entgegen dem teilweise wiederum abwegigen Vorbringen der Antragsteller („medizinische Versuche“; „Verletzung des Nürnberger Kodex“) war dies nach Auffassung des Staatsgerichtshofes gerade auch wegen der anfänglichen Unsicherheit über die Auswirkungen der Omikron-Variante auch eine durchaus verhältnismässige Massnahme. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich nunmehr um einen doch wesentlich stärkeren Eingriff in die Bewegungsfreiheit von nicht geimpften Personen handelte. Wie die Antragsteller ausführen, betraf diese Einschränkungen rund ein Drittel und damit einen wesentlichen Anteil der Gesamtbevölkerung Liechtensteins. |
| | 4.8.3 | Die Regierung führt in ihrer Gegenäusserung aus, dass die 2G-Regel nur den in Art. 32 Abs. 1 LV inkorporierten Teilgehalt des Schutzes vor Ausgrenzung erfasst habe. Diesbezüglich habe der Staatsgerichtshof festgehalten, dass eine Grundrechtsrelevanz nur dann bestehe, wenn keine Handlungsalternativen eröffnet würden (vgl. StGH 2021/082, Erw. 4.4.4 [a. a. O.]). Grundrechtsrelevant sei der Eingriff daher nur hinsichtlich des Zugangs zu Stätten der Kultur und des Sports. Die Grundrechtsrelevanz betreffe daher offenkundig die Frage des Schutzbereiches, nicht aber schon die Frage der Schwere des Eingriffs. |
| | 4.8.4 | Die Argumentation der Regierung ist etwas spitzfindig. Der Staatsgerichtshof hat in StGH 2021/082 zunächst festgehalten, auch die Regierung gehe davon aus, dass die Zertifikatspflicht einen Eingriff in die Freiheit der Person darstelle, soweit diese eine Beschränkung des Zugangs zu Stätten der Kultur und des Sports zur Folge habe. Der Staatsgerichtshof konnte die Frage dann aber offen lassen, inwieweit der sachliche Geltungsbereich der persönlichen Freiheit betroffen sei, denn jedenfalls erfolge „mit der vorliegenden Verordnung und insbesondere mit dem 3G-Regime in Anbetracht der bestehenden Handlungsalternative von Schnell- und PCR-Tests jedenfalls nur ein leichter Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit“ (StGH 2021/082, Erw. 4.4.6 [a. a. O.]). Damit kann festgehalten werden, dass der Staatsgerichtshof die Qualifikation des 3G-Regimes als leichten Grundrechtseingriff wesentlich auf die vorhandene Handlungsalternative abstellte. Schon der Wegfall dieser Handlungsalternative bei der 2G-Regelung lässt es fraglich erscheinen, ob die gegenüber dem 3G-Regime unveränderte gesetzliche Grundlage weiterhin genügen konnte. |
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| | 4.9 | Wie in Erwägung 4.2 erwähnt, ist aber neben der Grundrechtsrelevanz sowie den vorhandenen Handlungsalternativen die rechtspolitische Brisanz der betroffenen Regelung ein weiteres Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob eine genügende gesetzliche Grundlage für eine Verordnungsregelung vorliegt. Gerade bei der Beurteilung des 2G-Regimes kommt diesem Kriterium eine besondere Bedeutung zu, da die die rechtspolitische Brisanz durch den Wegfall der Handlungsalternative von Schnell- und PCR-Tests noch einmal massiv zugenommen hatte. Auch wenn die 2G-Regelung, wie erwähnt, nach wie vor keinen Impfzwang beinhaltete, wurde doch der „Impfdruck“ wesentlich erhöht und verstärkte beim betroffenen Teil der Bevölkerung das Gefühl der Ausgrenzung vom Rest der Gesellschaft (vgl. auch schon zur 3G-Regelung StGH 2021/082, Erw. 6.1 [a. a. O.]: „Der Staatsgerichtshof ist sich bewusst, dass viele unter den Antragstellern [den] Befund, […] dass ihnen die Erfüllung einer der Voraussetzungen für den Erhalt eines 3G-Zertifikats zumutbar sei, ihrerseits als „Zumutung“ empfinden werden.“). | | Für den Standpunkt der Regierung scheint dagegen das weitere, in ihrer Gegenäusserung auch betonte Kriterium der Komplexität und Dynamik eines Regelungsbereichs zu sprechen, auf welches sich der Staatsgerichtshof in StGH 2021/082 für die Bejahung einer genügenden gesetzlichen Grundlage für die 3G-Regelung ebenfalls wesentlich stützte. Diesem Kriterium kann aber für die vorliegende Verordnung nurmehr eine eingeschränkte Bedeutung zukommen. Denn während in der ersten und mittleren Phase der Pandemie die Unsicherheit und die Dynamik im Regelungsbereich der Covid-Massnahmen und der Zeitdruck ausserordentlich gross waren, wurde in der Folge der Spielraum für die Involvierung des Gesetzgebers sukzessive grösser. Dies zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber bei nicht auf das schweizerische Epidemiengesetz abgestützten Massnahmen insbesondere zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Massnahmen sogar schon ab Frühjahr 2020 sehr aktiv war (siehe StGH 2021/082, Erw. 5.2.5 [a. a. O.]). Tatsächlich wäre es für den Gesetzgeber im Vorfeld der Einführung der 2G-Regelung auch ohne Weiteres möglich gewesen, rechtzeitig ergänzend zum Epidemiengesetz und zum vom schweizerischen Gesetzgeber mit der Revision des Covid-19-Gesetzes im März 2021 nachgeschobenen Art. 6a eine genügende gesetzliche Grundlage für diese schon länger absehbaren verschärfenden Massnahmen zu schaffen. |
| | 4.10 | Die Antragsteller verweisen in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass u. a. verschiedene schweizerische Verfassungsrechtler das Epidemiengesetz (und im Übrigen auch das Covid-19-Gesetz) schon für das 3G-Regime als ungenügende gesetzliche Grundlage erachteten. Mit dem Übergang zum 2G-Regime sind nun weitere Verfassungsrechtler dazugekommen, welche die Eignung von Art. 40 Abs. 2 EpG und Art. 6a Covid-19-Gesetz als gesetzliche Grundlage in Zweifel ziehen (siehe insbesondere Giovanni Biaggini, Das Verfassungsgefüge im Stresstest der Pandemie – Über Defizite im rechtsstaatlich-demokratischen Schutzdispositiv, Zbl 123/2022, 59 [66 ff.]; siehe zudem das Interview mit Felix Uhlmann, NZZ vom 6. November 2021: „Muss die 2-G-Regel eingeführt werden, dann sollte darüber das Parlament – und nicht der Bundesrat im Alleingang – entscheiden.“ Biaggini erwähnt auch, dass diese gesetzliche Grundlage in StGH 2021/082 – allerdings nur für die 3G-Regelung – als genügend erachtet worden sei; siehe Biaggini, a. a. O., 73, FN 60). Gemäss Giovanni Biaggini wird mit der 2G-Regelung „eine weitreichende Unterscheidung in einem grundrechtssensiblen Bereich“ getroffen. Aufgrund des erhöhten Impfdrucks bestehe innerhalb des Epidemiengesetzes ein „Wertungsgegensatz“ zur Regelung im dortigen Art. 22, wonach die Kantone (bzw. in der besonderen Lage gemäss Art. 6 Abs. 2 Bst. d EpG der Bundesrat) kein allgemeines, sondern eben nur ein beschränktes Impfobligatorium „bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen, bei besonders exponierten Personen und bei Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben“, vorsehen können. Daneben befasst sich zwar Art. 6a des schweizerischen Covid-19-Gesetzes immerhin explizit mit dem Covid-Zertifikat, doch erachtet Biaggini auch diese Bestimmung nicht als genügende gesetzliche Grundlage für die 2G-Regelung, da auch dort von der Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen Personen mit und ohne gültiges Impf- oder Genesungszertifikat nicht die Rede ist (siehe Biaggini, a. a. O., 73). In Liechtenstein gilt zwar auch noch eine entsprechende EWR-rechtliche Regelung, welche aber nur die technische Beschaffenheit des Zertifikats betrifft (Verordnung [EU] 2021/953 zum digitalen Covid-Zertifikat der EU). |
| | 4.11 | Auch wenn man geneigt sein mag, den Übergang vom 3G- zum 2G-Regime nur als einen (bisher letzten) Teilschritt bei der Schaffung von jeweils griffigeren Covid-Massnahmen zu sehen, stellt dies auch nach Auffassung des Staatsgerichtshofes durchaus eine Zäsur dar, die nun nach einer spezifischeren gesetzlichen Grundlage als Art. 40 Abs. 2 EpG und Art. 6a Covid-19-Gesetz verlangt. Generell birgt die Entwicklung der Covid-Pandemie mit der schrittweisen Verschärfung der Massnahmen gerade im Zusammenhang mit der Zertifikatspflicht eine nicht unwesentliche Gefahr für den Rechtsstaat. Wenn man sich vorstellt, dass die 2G-Massnahmen auf einen Schlag ohne „desensibilisierende“ Zwischenschritte erfolgt wären, wäre eine solche Entscheidung jedenfalls kaum dem Verordnungsgeber überlassen worden (siehe zum entsprechenden „Gedankenexperiment“ Giovanni Biaggini, a. a. O., 71 f.). | | Selbst wenn die COVID-Pandemie in verschiedener Hinsicht eine Ausnahmesituation darstellt bzw. – wie zu hoffen wäre – darstellte, dürfen deswegen rechtsstaatliche Grundsätze wie das Legalitätsprinzip und generell der Grundrechtsschutz nicht sukzessive aufgeweicht und damit nachhaltig geschwächt werden. Wie erwähnt wäre es für den Gesetzgeber im Vorfeld der Einführung der 2G-Regelung – anders als zu Beginn der Pandemie – auch durchaus möglich gewesen, rechtzeitig eine spezifische gesetzliche Grundlage für das 2G-Regime zu schaffen. Dies bewies im Übrigen der österreichische Gesetzgeber, der in § 1 des österreichischen COVID-19-Massnahmengesetzes (BGBl. I 12/2020, i. d. F. BGBl. I 6/2022) eine – sogar sehr ausführliche – gesetzliche Grundlage u. a. für die Einführung einer 2G-Regelung schuf (siehe hierzu auch das VfGH-Erkenntnis V 294/2021-19 vom 17. März 2022 [www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH-Erkenntnis_V_294_2021_vom_17._Maerz_2022.pdf]). |
| | 4.12 | Auch für die Zukunft erscheint dem Staatsgerichtshof der Hinweis wichtig, dass sich Regierung und Landtag auch bei Zollvertragsmaterie nicht immer und uneingeschränkt auf die über den Zollvertrag nach Liechtenstein hineinwirkende schweizerische Rechtslage berufen können. Zwar ist den durch den Zollvertrag bedingten Vorgaben des schweizerischen Rechts Rechnung zu tragen, so im gegebenen Kontext, dass die liechtensteinischen den schweizerischen COVID-Massnahmen in der Wirkung einigermassen entsprechen müssen (siehe StGH 2021/082, Erw. 3.5 [a. a. O.]). Indessen hindert der Zollvertrag den liechtensteinischen Gesetzgeber nicht daran, für solche Massnahmen im Zweifel eine fundiertere gesetzliche Grundlage zu schaffen als in der Schweiz, sofern dies insbesondere in zeitlicher Hinsicht praktikabel ist. | | Dabei ist auch zu beachten, dass die Schweiz die abstrakte Normenkontrolle von Bundesratsverordnungen nicht kennt. Somit war eine zeitnahe Überprüfung der jeweiligen Versionen der Covid-Verordnungen durch das Bundesgericht nicht ohne Weiteres zu erwarten und es kam jedenfalls in Bezug auf die Zertifikatspflicht auch tatsächlich nicht dazu (siehe Biaggini, a. a. O., 81 f.). Dem Staatsgerichtshof ist eine solche kurzfristige Überprüfung jedoch möglich, und zwar – wie mit der doppelten Befassung des Staatsgerichtshofes mit der Vorgängerverordnung LGBl. 2021 Nr. 285 in StGH 2021/081 und StGH 2021/082 geschehen – neben der abstrakten Verordnungsprüfung gemäss Art. 20 Abs. 1 Bst. c StGHG auch aufgrund der Individualbeschwerdevariante gemäss Art. 15 Abs. 3 StGHG (vgl. Christian Frommelt/Patricia M. Schiess Rütimann, a. a. O., 10; Benjamin Schindler, Ausbau der Verfassungsgerichtsbarkeit auf Bundesebene. Liechtenstein als Vorbild?, in: Parlament, Parlement, Parlamento 1/22 – April 2022, 31 ff.). Wenn der Staatsgerichtshof eine die Zollvertragsmaterie betreffende liechtensteinische Verordnung als verfassungswidrig aufhebt, könnte sich zwar das Problem stellen, dass Liechtenstein seinen Verpflichtungen aus dem Zollvertrag bis zur Schaffung einer genügenden gesetzlichen Grundlage nicht mehr nachkommen könnte. Dieser Gefahr kann aber angemessen durch die Aufschiebung der Wirksamkeit der Aufhebung einer auf Zollvertragsmaterie gestützten Verordnung um maximal ein Jahr gemäss Art. 23 Abs. 2 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 StGHG Rechnung getragen werden. Im vorliegenden Fall besteht dagegen keine solche Notwendigkeit, da die zu prüfende Verordnung schon wieder ausser Kraft getreten und somit deren Verfassungswidrigkeit nur noch festzustellen ist. |
| | 4.13 | Anzumerken ist hier noch, dass die von den Antragstellern ebenfalls bekämpfte Einführung der Maskenpflicht für Kinder ab dem sechsten Altersjahr nicht direkt mit der 2G-Regelung zusammenhängt. Die Antragsteller machen aber keine Ausführungen zu einer fehlenden gesetzlichen Grundlage dieser Regelung, sondern sie rügen das fehlende öffentliche Interesse und die Unverhältnismässigkeit dieser Regelung (siehe hierzu unten Erw. 6 ff.), sodass an dieser Stelle nicht weiter darauf einzugehen ist. |
| | 4.14 | Als Zwischenfazit kann aber jedenfalls festgehalten werden, dass der 2G-Regelung in der Verordnung vom 15. Dezember 2021 eine genügende gesetzliche Grundlage fehlt, ohne dass insoweit noch weiter auf die einzelnen Grundrechtsrügen einzugehen ist. |
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| 5. | Bei diesem Befund braucht an sich nicht weiter auf die Ausführungen der Antragsteller eingegangen zu werden, mit denen sie das fehlende öffentliche Interesse und die Unverhältnismässigkeit des 2G-Regimes geltend machen. Immerhin ist hierzu kursorisch Folgendes auszuführen: | | 5.1 | Zunächst ist festzuhalten, dass dieses Vorbringen über weite Strecken dasjenige zu StGH 2021/082 wiederholt, häufig ohne auf die entsprechenden dortigen Erwägungen des Staatsgerichtshofes einzugehen. Insbesondere ziehen die Antragsteller wie schon in StGH 2021/082 verschiedene Entscheidungsgrundlagen für die in der Covid-Verordnung enthaltenen Massnahmen in Zweifel, wobei sie aber durchwegs auf (teilweise zurückgezogene) wissenschaftliche Minderheitsmeinungen oder blosse Zeitungsartikel abstellen – und teilweise wiederum geradezu abwegig argumentieren (siehe etwa oben Erw. 4.8.2). Demgegenüber hat der Staatsgerichtshof in StGH 2021/082 betont, dass die Behörden in der Covid-Pandemie im Spannungsfeld divergierender, wesentlich auch grundrechtlicher Interessen schwierige Entscheidungen treffen müssten (siehe hierzu nunmehr auch Peter Bussjäger, Die Rangordnung der Grundrechte in der Krise, Journal für Rechtspolitik [JRP] 29, 251–262 [2021], insb. 254 ff.); dass es den Gerichten nicht möglich ist, mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Instrumentarium eine engmaschige Überprüfung der behördlichen Covid-Massnahmen vorzunehmen; und dass entsprechend nicht nur dem Gesetzgeber, sondern auch dem Verordnungsgeber ein grosser Einschätzungs- und Prognosespielraum einzuräumen ist (dortige Erw. 3.1). Entsprechend ist für die Antragsteller nichts zu gewinnen, wenn sie Prognosen der Regierung einfach ihre – von der überwiegenden Meinung in der Wissenschaft und den Behörden anderer Staaten nicht geteilte – Gegenprognosen entgegenhalten. |
| | 5.2 | Der Staatsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang die besondere Situation eines Kleinstaates gerade auch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie betont. Demnach hat Liechtenstein schon gar nicht die Ressourcen, um die sich dauernd ändernde Corona-Lage wirklich eigenständig beurteilen zu können. Deshalb muss man sich primär auf die Erkenntnisse ausländischer Behörden stützen. Zudem ist Liechtenstein mit seinen beiden Nachbarstaaten wirtschaftlich besonders eng verflochten, wobei aus dem Blickwinkel der Corona-Pandemie die tausenden in Liechtenstein arbeitenden österreichischen und schweizerischen Pendler eine besondere Herausforderung darstellen. Abgesehen davon ist auch in der gegenständlichen Entscheidung schon erwähnt worden, dass Liechtenstein trotz eines gewissen Spielraumes bei der Auswahl der Massnahmen zur Umsetzung des schweizerischen Epidemiengesetzes aufgrund des Zollvertrages auch rechtlich verpflichtet ist, im Ergebnis gleich effektive Massnahmen zur Eindämmung von Corona zu ergreifen wie die Schweiz. Aufgrund dieser engen Verflechtung wäre insbesondere eine von der Schweiz wesentlich abweichende Corona-Politik gar nicht praktikabel (Erw. 4.12; siehe auch StGH 2021/082, Erw. 3.5 [a. a. O.]). |
| | 5.3 | Im Lichte der weitgehenden Übereinstimmung der liechtensteinischen mit den ausländischen Massnahmen darf schliesslich auch berücksichtigt werden, dass die Schweiz und die anderen Nachbarstaaten ebenfalls EMRK-Mitgliedstaaten sind und entsprechend bemüht sein werden, ihre Covid-Massnahmen EMRK-konform auszugestalten (StGH 2021/082, Erw. 3.6 [a. a. O.]). Diese Erwägung gilt auch für die hier zu prüfende COVID-Verordnung, da das darin verfügte 2G-Regime demjenigen der Schweiz entsprach und weniger weit ging als in Österreich. |
| | 5.4 | Insgesamt erkennt der Staatsgerichtshof gerade auch im Lichte der angezeigten Zurückhaltung bei der Überprüfung der Covid-Massnahmen keine überzeugenden Argumente dafür, dass die 2G-Regelung die Grundrechtseingriffskriterien des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit nicht erfüllen würde. |
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| 6. | Abschliessend ist, wie in Erwägung 4.13 erwähnt, noch auf das Vorbringen der Antragsteller einzugehen, wonach die (nicht direkt mit der 2G-Regelung zusammenhängende) Einführung der Maskenpflicht für Kinder ab dem sechsten Altersjahr gemäss Art. 3a und 3b der Verordnung weder im öffentliche Interesse noch verhältnismässig und insoweit ein unzulässiger Eingriff in deren persönliche Freiheit sei. | | 6.1 | Die Antragsteller bringen hierzu Folgendes vor: | | Die Pflicht, eine Gesichtsmaske zu tragen, stelle gemäss Bundesgericht eine Einschränkung der persönlichen Freiheit dar (Urteil 2C_793/2020 vom 08.07.2021). In seinem Urteil zu 2C_228/2021 habe das Bundesgericht festgestellt, dass die Pflicht zum Tragen einer Maske während des gesamten Schulalltags wesentlich stärker sei in seiner Intensität als z. B. die Pflicht, während eines Einkaufs eine Maske zu tragen. Zudem sei in der Unterrichtssituation viel mehr als beim Einkaufen die zwischenmenschliche Kommunikation von Bedeutung, welche durch das Maskentragen nicht unerheblich beeinträchtigt werde. Gerade im Unterricht könne sich das Maskentragen sogar negativ auf die Konzentrationsfähigkeit der Kinder auswirken und sogar schädlich für Kinder sein, da der Totraum der Maske für Kinder im Verhältnis zu ihrem Gesicht besonders gross sei und so der Grenzwert für die eingeatmeten Kohlendioxidwerte um ein Vielfaches überschritten werden könne. Da es seit dem 08.06.2020 bis zum 01.02.2022 in der Altersklasse von 0-9 und in der Altersklasse von 10-19 schweizweit nur jeweils einen Todesfall gegeben habe, erkenne man auch die Nicht-Erforderlichkeit einer solchen Massnahme. Insgesamt könne die Maskenpflicht für Kinder im Unterricht daher als schwerer Eingriff in deren persönliche Freiheit qualifiziert werden, welcher im Ergebnis unverhältnismässig, weil ungeeignet sei. Die Antragsteller verweisen auch auf die Einschätzung des in Liechtenstein tätigen Kinderarztes Dr. René Kindli. Dieser finde eine solche Maskenpflicht für Kinder nicht sinnvoll, da eine Maske nur dann schützen könne, wenn man sie richtig trage und nicht mit den Händen berühre. |
| | 6.2 | Dem hält die Regierung in ihrer Gegenäusserung Folgendes entgegen: | | 6.2.1 | Die von den Antragstellern angeführte Einschätzung eines Kinderarztes widerspiegle nicht den wissenschaftlichen Stand. Sodann sei eine von den Antragstellern (indirekt) zitierte Studie über die Gefährlichkeit von Masken für Kinder zurückgezogen worden. Der wissenschaftliche Stand gehe vielmehr davon aus, dass das Tragen von Masken zu keiner Gesundheitsbeeinträchtigung führe. Dies gelte auch für Kinder ab sechs Jahren. Die Fachgesellschaft „pädiatrie schweiz“ und der Berufsverband „Kinderärzte Schweiz“ unterstützten in einer aktuellen Medienmitteilung eine Maskenpflicht bereits in der Unterstufe der Primarschule. Begründet werde dies u. a. mit der höheren Transmissibilität des (mutierten) Virus in allen Altersgruppen, der Gefahr einer geringeren Schutzwirkung der Covid-19-Impfstoffe und dem Auftreten von „Outbreaks“ in Schulen, die zu Schulschliessungen führen könnten. Die Ansicht der Antragsteller, die Maskenpflicht bereits für Sechsjährige habe keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen, sei daher abzulehnen. |
| | 6.2.2 | Zwar erschwere die Maskenpflicht für Kinder unbestrittenermassen die Erfüllung schulischer Ziele, sie sei aber im Hinblick auf die gesundheitspolitischen Ziele der Verordnung keineswegs ungeeignet. Aus dem von den Antragstellern zitierten Urteil des Bundesgerichts (2C_228/2021 vom 23.11.2021) ergebe sich zwar, dass die Maskentragpflicht in der Schule von wesentlich stärkerer Intensität sei als eine zuvor vom selben Gericht beurteilte Maskentragpflicht in Geschäften. Ferner habe das Gericht festgestellt, es sei nicht hinreichend wissenschaftlich belegt, dass das Maskentragen bei Kindern effektiv krankheitswertige gesundheitliche Schäden verursachen würde. Im Ergebnis sei die Beschwerde vom Bundesgericht als unbegründet abgewiesen worden. Der Befund des Bundesgerichts sei auch nach aktuellen Studien aufrechtzuerhalten. Demgegenüber hätten sich in sozialen Medien verbreitete „Studien“, die Gegenteiliges behaupteten, als falsch herausgestellt bzw. seien zurückgezogen worden. Eine Gesundheitsgefahr für Kinder sei daher nach aktuellem wissenschaftlichem Stand nicht belegt. |
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| | 6.3 | Diese Ausführungen der Regierung erscheinen plausibel und sie entsprechen, soweit für den Staatsgerichtshof ersichtlich, der überwiegenden Wissenschaftsmeinung. Im Lichte der oben gemachten Erwägungen 5.1 ff. besteht folglich für den Staatsgerichtshof kein Anlass, die Einschätzung der Regierung, dass die Maskenpflicht für Kinder zur Zweckerreichung der Eindämmung von Corona geeignet und auch verhältnismässig war, in Zweifel zu ziehen. Damit ist auch kein unzulässiger Eingriff in die persönliche Freiheit ersichtlich. |
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| 7. | Aufgrund all dieser Erwägungen ist dem vorliegenden Normenkontrollantrag spruchgemäss insoweit Folge zu geben, als mit Ausnahme von Art. 2a, Art. 3a Abs. 1 Bst. a und Art. 3b Abs. 3 Bst. a und c die Gesetz- und somit auch Verfassungswidrigkeit der hier angefochtenen Covid-Verordnung vom 15. Dezember 2021 festgestellt wird. |
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| 8. | Den Antragstellern sind die in ihrem Normprüfungsantrag vom 14. Januar 2022 verzeichneten Rechtsvertretungskosten zuzusprechen, wobei die Mehrwertsteuer zu hoch verzeichnet wurde. | | Bei den Gerichtsgebühren nahm der Staatsgerichtshof in StGH 2021/082 (Erw. 8) eine auch für den vorliegenden Fall relevante Praxisänderung vor. Nach der früheren Praxis wurden Normprüfungsanträge nach Art. 20 Abs. 1 Bst. c StGHG im Hinblick auf die Gerichtsgebühren wie Individualbeschwerden behandelt, das heisst im Falle der Stattgebung wurden geltend gemachte Gerichtsgebühren ersetzt, bei Nichtstattgebung wurden die Gerichtsgebühren den Antragstellern auferlegt (StGH 2016/054, Erw. 8; StGH 2015/052, Erw. 8; StGH 2012/209, Erw. 5 [alle www.gerichtsentscheide.li]). In anderen Normprüfungsverfahren, bei welchen üblicherweise Gerichte einen Normprüfungsantrag stellen, wurden hingegen die Gerichtsgebühren unabhängig vom Verfahrensausgang dem Land überbunden mit der Begründung, dass solche Verfahren im Grundsatz allein der Durchsetzung öffentlicher Interessen dienen (StGH 2020/045, Erw. 3; StGH 2020/008, Erw. 6; StGH 2019/097, Erw. 4 [alle www.gerichtsentscheide.li]). Der Staatsgerichtshof hat diese Begründung in StGH 2021/082 als auch für Verordnungsprüfungsanträge wie im vorliegenden Fall relevant erachtet. Denn im Gegensatz zur Individualbeschwerde gemäss Art. 15 StGHG braucht es für die Antragstellung nach Art. 20 Abs. 1 Bst. c StGHG keine Beschwer. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Staatsgerichtshof sachgerecht, den Antragstellern bei einem Normprüfungsantrag gemäss Art. 20 Abs. 1 Bst. c StGHG wie bei anderen Normprüfungsanträgen ebenfalls unabhängig vom Verfahrensausgang keine Kosten aufzuerlegen (StGH 2021/082, Erw. 8 [a. a. O.]). |
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Dieses Urteil ist endgültig. Vaduz, den 10. Mai 2022 Der Präsident: Dr. Hilmar Hoch |