StGH 2021/099 Der Staatsgerichtshof als Verfassungsgerichtshof hat in seiner nicht-öffentlichen Sitzung vom 28. März 2022, an welcher teilnahmen: Präsident Dr. Hilmar Hoch als Vorsitzender; stellvertretender Präsident lic. iur. Christian Ritter, Prof. Peter Bussjäger und Prof. August Mächler als Richter; M.A. Remo Mairhofer als Ersatzrichter sowie Dr. Tobias Wille als Schriftführer in der Beschwerdesache Beschwerdeführerin: | A Bank
vertreten durch:
*** |
Beschwerdegegnerin: | B AG
vertreten durch:
*** |
Belangte Behörde: | Fürstlicher Oberster Gerichtshof, Vaduz |
gegen: | Teilurteil des Obersten Gerichtshofesvom 15. Dezember 2021, 09 CG.2018.166-62 |
wegen: | Verletzung verfassungsmässig gewährleisteter Rechte (Streitwert: CHF 20'000.00) |
zu Recht erkannt: 1. | Der Individualbeschwerde wird keine Folge gegeben. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Teilurteil des Fürstlichen Obersten Gerichtshofes vom 15. Dezember 2021, 09 CG.2018.166-62, in ihren verfassungsmässig gewährleisteten Rechten nicht verletzt. |
2. | Die Beschwerdeführerin ist schuldig, der Beschwerdegegnerin die Kosten ihrer Vertretung von CHF 1‘613.35 binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. |
3. | Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtsgebühren von CHF 2‘100.00. |
SACHVERHALT | 1. | Die Klägerin (nunmehr Beschwerdegegnerin) ist eine seit 13.04.2017 im Handelsregister des Kantons St. Gallen unter der Firmennummer *** eingetragene Aktiengesellschaft. Ihr Zweck besteht in der Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten sowie dem Erwerb und Inkasso von Forderungen. | | Die beklagte Partei (nunmehr Beschwerdeführerin) ist eine im liechtensteinischen Handelsregister zu *** eingetragene Aktiengesellschaft. | | Am 19.05.2018 trat C sämtliche Ansprüche aus seiner Geschäftsbeziehung mit der Beklagten, insbesondere, aber nicht ausschliesslich, betreffend Konto/Portfolio-Nr. 3 an die Klägerin zum Inkasso ab. |
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| 2. | Mit ihrer am 25.05.2018 eingebrachten Stufenklage stellte die Beschwerdegegnerin folgendes Begehren: | | „a) Die Beklagte ist binnen 4 Wochen bei sonstiger Exekution schuldig, der Klägerin über sämtliche geldwerten Vorteile (Provisionen, Retrozessionen, Bestandpflegeprovisionen, kick-backs, finder‘s-fees, Vertriebsentschädigungen, Rabatte, Disagios, Naturalleistungen etc), welche sie im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zu C, geboren am , gleichgültig ob als Anlageberaterin, als bloss im Rahmen der Konto-/Depotbeziehung die Aufträge des Kunden ausführende Depotbank (Kommissionsgeschäft, execution-only) oder in einer sonstigen Eigenschaft, insbesondere betreffend das Portfolio Nr. 3 erhalten hat, Auskunft zu geben, entsprechende Belege sowie Rechts- und Vertragsgrundlagen für den Erhalt dieser geldwerten Vorteile vorzulegen; dies mit Ausnahme der Informationen zu den geldwerten Vorteilen, welche die Beklagte mit E-Mail von D an C vom 07.12.2017 offen gelegt hat. | | b) Die Beklagte ist ferner binnen 4 Wochen bei sonstiger Exekution schuldig, den sich aus der Auskunft nach Punkt a) und der bereits geleisteten Auskunft ergebenden Betrag an die Klägerin zu bezahlen, wobei die ziffernmässige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur gemäss Punkt a) erfolgten Auskunft vorbehalten bleibt. | | c) [Kostenersatz].“ |
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| 3. | Das Landgericht wies die Stufenklage zur Gänze ab und verpflichtete die Beschwerdegegnerin zum Kostenersatz an die Beschwerdeführerin. | | 3.1 | Das Erstgericht traf noch folgende Feststellungen: | | „C steht seit 1999 in einer Geschäftsbeziehung zur Beklagten. Es bestand allerdings zu keiner Zeit ein Vermögensverwaltungsmandat, allerdings in der Zeit vom 01.10. bis 31.12.2014 ein Vermögensberatungsmandat. Die restliche Zeit handelte es sich um eine reine Execution-Only Beziehung, ohne Beratungsmandat oder sonstige Beratungsverpflichtung der Beklagten. Ab ca. 2013/2014 war seitens der Beklagten D als Kundenbetreuer für C zuständig. Anlageentscheide in diesem Zeitraum kamen entweder nach einem persönlichen Gespräch oder telefonisch zustande. D hatte C und dessen Sohn als sehr Bankgeschäft-affin kennengelernt, welche zu derartigen Gesprächen stets gut informiert angereist kamen. … Die Herren waren sehr kostensensitiv und wurde auch über Beratungskosten gesprochen, welche in den Depotgebühren der A Bank mitenthalten sind. Über Retrozessionen wurde nie gesprochen, dies bis Oktober 2017. Im Oktober 2017 verlangte C von D erstmals mündlich Informationen über derartige Zuwendungen. | | Nachdem C sein mündliches Ansinnen am 03.11.2017 schriftlich wiederholte, antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 23.11.2017, dass dies bankintern besprochen worden sei und keine Basis für allfällige Ansprüche auf Rückerstattung von Retrozessionen gesehen würden. C suchte weiterhin ein Einvernehmen mit der Beklagten und forderte mit E-Mail vom 01.12.2017 neuerlich Information betreffend diese Zuwendungen an. Als Antwort übermittelte die Beklagte mit Schreiben vom 07.12.2017 die detaillierte Auflistung sämtlicher Drittfonds-Rückvergütungen pro gehaltenem Fonds, dies für die Monate Oktober 2016 bis September 2017. In Einem wurde mitgeteilt, dass für das 4. Quartal 2017 die gültigen Ansätze wahrscheinlich Ende Februar/ Anfang März 2018 übermittelt werden. | | Nachdem sich die Beklagte hingegen weigerte, darüber hinausgehende Informationen herauszugeben und eine Lösung nicht gefunden werden konnte, beauftragte C die Klagsvertreter mit der weiteren Verfolgung der seinerseits behaupteten Ansprüche. Nachdem auch deren Forderungsschreiben nicht fruchtete, brachte die Klägerin am 25.05.2018 die streitgegenständliche Klage ein. | | Die Geschäftsbeziehung zwischen C und der Beklagten begann im Jahr 1999. Am 12.08.1999 beantragte C bei der Beklagten die Eröffnung eines Kontos/Depots, dies unter der Kundennummer 1. Gleichentags beantragte er weiters die Eröffnung eines Diskretionskontos und die Abwicklung über banklagernde Korrespondenz, wobei gleichzeitig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zur Vertragsgrundlage gemacht und an C herausgegeben wurden. Unter Punkt 4. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ausgabe 1990 wurde festgehalten, dass sich die Bank die jederzeitige Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehält, welche dem Kunden auf dem Zirkularwege oder auf andere geeignete Weise bekanntgegeben werden. Diese würden ohne Widerspruch innert Monatsfrist als genehmigt gelten. | | … | | Anlässlich der Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im September 2004 wurde neu der Punkt 15. ‘Spezielle Vergütungen’ eingeführt. Dieser lautet wörtlich wie folgt: | | ‘Die Bank behält sich grundsätzlich vor, Dritten eine Retrozession auf den dem Kunden belasteten Kommissionen und Gebühren zu gewähren sowie Vergütungen an Dritte basierend auf der Höhe der verwalteten Vermögenswerte zu leisten. Die Offenlegung solcher Zahlungen gegenüber dem Kunden obliegt nicht der Bank, sondern ausschliesslich den jeweiligen Empfängern. | | Der Kunde akzeptiert, dass allfällige Vergütungen und Entschädigungen wie z.B. Kommissionen, Bestandeszahlungen, welche der Bank durch Dritte ausgerichtet werden, von dieser einbehalten und als zusätzliches Entgelt betrachtet werden dürfen.’ | | Die Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurden C ordnungsgemäss kundgemacht, welcher dagegen keinen Widerspruch erhob. | | Am 05.08.2009 beantragte C die Eröffnung eines Kontokorrentkontos sowie eines Depots unter der Kundennummer 2. In diesem Antrag ist auf der Seite 3 unter der Rubrik Gerichtsstand und anwendbares Recht festgehalten, dass der Bankkunde die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und das Depotreglement der Bank, die er erhalten hat, anerkennt. An diesem Tag unterfertigte C auch die Erklärung über die Vereinbarung eines Codewortes betreffend diesem Konto/Depot sowie das Formular „Auftragserteilung per Telefax“, wobei er nochmals auf beiden Schriftstücken zur Kenntnis nahm, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und das Depotreglement der Bank gelten. Zu diesem Zeitpunkt waren noch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen 09/2004 gültig. | | … | | Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wurden mit 01.05.2010 wiederum geändert, wobei neu statt des Punktes 15. ‘Spezielle Vergütungen’ der Punkt 17. ‘Zuwendungen’ eingefügt wurde. Dieser lautet wörtlich wie folgt: | | ‘Die Bank behält sich vor, Dritten für die Akquisition von Bankkunden und/oder die Erbringung von Dienstleistungen Zuwendungen zu gewähren. Bemessungsgrundlage für solche Zuwendungen bilden in der Regel die den Bankkunden belasteten Kommissionen, Gebühren usw. und/oder bei der Bank platzierte Vermögenswerte/Vermögensbestandteile. Ihre Höhe entspricht einem prozentualen Anteil der jeweiligen Bemessungsgrundlage. Auf Verlangen legt die Bank jederzeit weitere Einzelheiten über die mit Dritten getroffenen Vereinbarungen offen. Auf einen weitergehenden Informationsanspruch gegenüber der Bank verzichtet der Bankkunde hiermit ausdrücklich, insbesondere trifft die Bank keine detaillierte Abrechnungspflicht hinsichtlich effektiv bezahlter Zuwendungen. | | Der Bankkunde nimmt zur Kenntnis und akzeptiert, dass der Bank von Dritten (inklusive A Bank-Gruppengesellschaften) im Zusammenhang mit der Zuführung von Kunden, dem Erwerb/Vertrieb von kollektiven Kapitalanlagen, Zertifikaten, Notes usw. (nachfolgend – Produkte – genannt; darunter fallen auch solche, die von einer A Bank-Gruppengesellschaft verwaltet und/oder herausgegeben werden) Zuwendungen in der Regel in der Form von Bestandeszahlungen gewährt werden können. Die Höhe solcher Zuwendungen ist je nach Produkt und Produktanbieter unterschiedlich. Bestandeszahlungen bemessen sich in der Regel nach der Höhe des von der Bank gehaltenen Volumens eines Produktes oder einer Produktgruppe. Ihre Höhe entspricht üblicherweise einem prozentualen Anteil der dem jeweiligen Produkt belasteten Verwaltungsgebühren, welche periodisch während der Haltedauer vergütet werden. Zusätzlich können Vertriebsprovisionen von Wertpapieremittenten auch in Form von Abschlägen auf dem Emissionspreis (prozentmässiger Rabatt) geleistet werden oder in Form von Einmalzahlungen, deren Höhe einem prozentualen Teil des Emissionspreises entspricht. Vorbehaltlich einer anderen Regelung kann der Bankkunde jederzeit vor oder nach Erbringung der Dienstleistung (Kauf des Produkts) weitere Einzelheiten über die mit Dritten betreffend solche Zuwendungen getroffenen Vereinbarungen von der Bank verlangen. Der Informationsanspruch auf weitere Einzelheiten hinsichtlich bereits getätigter Transaktionen ist jedoch begrenzt auf die der Anfrage vorausgegangenen 12 Monate. Auf einen weitergehenden Informationsanspruch verzichtet der Bankkunde ausdrücklich. Verlangt der Bankkunde keine weiteren Einzelheiten vor Erbringung der Dienstleistung oder bezieht er die Dienstleistung nach Einholung weiterer Einzelheiten, verzichtet er auf einen allfälligen Herausgabeanspruch im Sinne von § 1009 ABGB.’ | | Die Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurde C ordnungsgemäss kundgemacht, welcher dagegen keinen Widerspruch erhob. | | Am 14.02.2013 schloss C mit der Beklagten eine Rahmenvereinbarung betreffend den Erwerb sowie die Konzipierung von strukturierten Produkten zur Kundenummer 2 ab. Unter Punkt F2 dieser Vereinbarung ist wörtlich ausgeführt: | | ‘Der Bankkunde nimmt zur Kenntnis und akzeptiert, dass der Anbieter der Bank eine Vergütung für die Konzipierung, den Kauf und den Weiterverkauf der Produkte bezahlt. Die Höhe dieser Vergütung pro Produkt steht in Abhängigkeit von den bestimmbaren Produktparametern und ist daher variabel. Der Bankkunde kann jederzeit vor oder nach Erbringung der Dienstleistung (Kauf des Produktes) weitere Einzelheiten über die mit dem Anbieter betreffend solcher Zuwendungen getroffenen Vereinbarungen von der Bank verlangen. Der Informationsanspruch bezüglich weiterer Einzelheiten hinsichtlich bereits getätigter Transaktionen ist jedoch begrenzt auf die der Anfrage vorausgegangenen 12 Monate. Auf einen weitergehenden Informationsanspruch verzichtet der Bankkunde ausdrücklich. Verlangt der Bankkunde keine weiteren Einzelheiten vor Erbringung der Dienstleistung oder bezieht er die Dienstleistung nach Einholung weiterer Einzelheiten, verzichtet er auf einen allfälligen Herausgabeanspruch im Sinne von § 1009 ABGB.’ | | Unter Punkt H dieser Vereinbarung wurde festgehalten, dass im Übrigen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und das Depotreglement der Bank gelten, dies soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird. | | … | | Mit Schreiben vom 25.09.2018 übermittelten die Beklagtenvertreter an die Klagsvertreter die Zusammenstellung der Zuwendungen, welche die Beklagte im Zeitraum Oktober 2017 bis Dezember 2017 im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung von C erhalten hat.“ |
| | 3.2 | In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, nach dem klaren Willen des Gesetzgebers würden weder MiFID I noch das BankG und die BankV einem Bankkunden individuelle Rechte verleihen. Allfällige zivilrechtliche Ansprüche von Bankkunden könnten ausschliesslich auf § 1009a ABGB gestützt werden. Mit dieser Bestimmung sei Liechtenstein einen eigenständigen Weg gegangen. Die in den Nachbarländern vorgenommene Auslegung von MiFID I und II und die dort ergangenen Entscheidungen seien nicht massgeblich. Die Neufassung des § 1009a ABGB mit 04.01.2018 ändere an der Rechtsposition des C nichts. Er sei in ausreichender Form über den Erhalt von Zuwendungen Dritter von der Beklagten informiert worden und habe während des gesamten Vertragszeitraums nie weitergehende Informationen verlangt. Damit habe er auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Ersatzansprüche in Bezug auf diese Zuwendungen verzichtet. Seit seiner Forderung auf Übermittlung konkretisierter Informationen würde ihm die Beklagte diese in den nach den AGB vorgesehenen Zeitabständen, die nicht zu bemängeln seien, übermittelt. | | Was das Leistungsbegehren betreffe, sei dieses hinsichtlich des Zeitraums vor Oktober 2016 verwirkt, nach diesem Zeitpunkt wäre es der Klägerin möglich gewesen, ein konkretisiertes Leistungsbegehren zu stellen. Insoweit verstosse die Stufenklage gegen das Bestimmtheitsgebot. |
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| 4. | Das Obergericht gab der gegen diese erstgerichtliche Entscheidung erhobenen Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte die Abweisung des Auskunftsbegehrens im Sinne einer teilweisen Stattgebung ab und hob im Übrigen das Zahlungsbegehren auf. | | Der Rechtsstreit unterliege liechtensteinischem Recht. Im Rahmen der erhobenen Stufenklage habe das Gericht zunächst über das Auskunftsbegehren zu entscheiden. Dabei seien aber auch die Grundlagen des Herausgabegehrens insoweit zu prüfen, als sie sich mit jenen des Auskunftsanspruchs deckten. Auf die gesamte Geschäftsbeziehung zwischen C und der Beklagten sei Auftragsrecht anzuwenden. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Auskunft über sämtliche geldwerten Vorteile, die die Beklagte im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zu C erhalten habe. Allerdings umfasse die Rechnungslegungspflicht nicht die Vorlage der Rechts- und Vertragsgrundlagen für den Erhalt der Zuwendungen. | | Der Rechnungslegungsanspruch setze ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens oder des Schuldenstandes voraus. Dieses würde fehlen, sollte C auf die Herausgabe der Zuwendungen rechtswirksam verzichtet haben. Es müsse daher die Frage des Verzichts geprüft werden. | | Bezüglich des Kontos/Depots BP 1 sei die Verzichtserklärung in den AGB Ausgabe 09/2004 (Ziffer 15) unwirksam. Ohne ausdrücklichen und unmissverständlichen Hinweis müsse ein Vertragspartner bei einer bereits bestehenden Geschäftsbeziehung nicht mit wesentlichen Änderungen in neuen AGB rechnen. Es sei auch gar nicht vorgetragen und festgestellt worden, wann sich C den AGB Ausgabe 09/2004 unterworfen habe. Das Landgericht habe lediglich festgestellt, dass die AGB ordnungsgemäss kundgemacht worden seien. Letztlich würde die Verzichtserklärung für den Zeitraum ab 01.11.2007 auch § 1009a ABGB widersprechen, wonach der Gewalthaber verpflichtet sei, auf die Rechtsfolgen nach § 1009a ABGB hinzuweisen. | | Mit Bezug auf das Konto/Depot BP 2 hätten C und die Beklagte bereits bei Eröffnung des Kontos die AGB Ausgabe 09/2004 vereinbart. Allerdings fehle der Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 1009a Abs. 1 ABGB, sodass auch hier nicht von einem Verzicht ausgegangen werden könne. | | Anders stelle sich die Situation betreffend die Rahmenvereinbarung vom 14.02.2013 über den Erwerb und die Konzipierung von strukturierten Produkten zu Konto Nr 2 und zum Portfolio Advisory Mandat zu Konto Nr 3 vom 08.10.2014 dar. Hier seien nämlich nicht nur im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung die AGB geändert, sondern vielmehr neue Vereinbarungen über andere Finanzprodukte abgeschlossen worden. C habe diese Vertragsdokumente unterzeichnet, sodass die darin enthaltenen Verzichtserklärungen Vertragsbestandteil geworden seien, selbst wenn er den Text nicht gekannt haben sollte. Die Verzichtserklärungen seien auch rechtswirksam, weil die Beklagte ihren Offenlegungspflichten nach § 1009a ABGB ordnungsgemäss nachgekommen sei. Es liege auch kein Verstoss gegen § 864a ABGB oder § 879 Abs. 3 ABGB vor. Die in den Klauseln enthaltene Beschränkung des Informationsanspruchs auf weitere Einzelheiten hinsichtlich bereits getätigter Transaktionen begrenzt auf die vorangegangenen zwölf Monate begegne keinen Bedenken. Insoweit bleibe es bei der Klagsabweisung. | | Bei einer Stufenklage sei zuerst das Verfahren über das Rechnungslegungsbegehren durchzuführen und darüber mit Teilurteil zu entscheiden. Über das Leistungsbegehren habe nachfolgend ein Endurteil zu ergehen. Der Berufung sei daher teilweise Folge zu geben und über den angefochtenen Rechnungslegungsanspruch mit Teilurteil zu entscheiden. Die abweisende Entscheidung über das Zahlungsbegehren sei hingegen aufzuheben. |
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| 5. | Diese Entscheidung bekämpften sowohl die Beschwerdegegnerin als auch die Beschwerdeführerin mit Revision an den Obersten Gerichtshof. Die Beschwerdegegnerin focht den klagsabweisenden Teil und die Beschwerdeführerin den klagsstattgebenden Teil des Auskunftsbegehrens an. Die Beschwerdegegnerin stützte ihre Revision auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und strebte eine Abänderung der obergerichtlichen Entscheidung dahingehend an, dass dem Auskunftsbegehren vollinhaltlich stattgegeben werde, hilfsweise stellte sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Die Beschwerdeführerin machte eine Verfahrensrüge und eine Rechtsrüge geltend und wollte eine Abänderung der obergerichtlichen Entscheidung im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Klagsabweisung. |
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| 6. | Über diese beiden Revisionen entschied der Oberste Gerichtshof mit Teilurteil vom 15. Dezember 2021 (ON 62) wie folgt: | | „Der Revision der beklagten Partei wird keine Folge gegeben. | | Hingegen wird der Revision der klagenden Partei teilweise Folge gegeben und das angefochtene Teilurteil dahin abgeändert, dass es unter Einbeziehung des bestätigten Teils zu lauten hat: | | „Die beklagte Partei ist schuldig, binnen vier Wochen der klagenden Partei über sämtliche geldwerten Vorteile (Provisionen, Retrozessionen, Bestandspflegeprovisionen, kick-backs, finders-fees, Vertriebsentschädigungen, Rabatte, Disagios, Naturalleistungen etc), welche sie im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zu C, geboren am ***, gleichgültig ob als Anlageberaterin, als bloss im Rahmen der Konto-/Depotbeziehung die Aufträge des Kunden ausführende Depotbank (Kommissionsgeschäft, execution-only) oder in einer sonstigen Eigenschaft, insbesondere betreffend das Portfolio Nr 3 erhalten hat, Auskunft zu geben und entsprechende Belege für den Erhalt dieser geldwerten Vorteile vorzulegen; dies mit Ausnahme der Informationen zu den geldwerten Vorteilen, welche die beklagte Partei mit E-Mail von D an C vom 07.12.2017 offengelegt hat. | | Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, binnen vier Wochen der klagenden Partei die Rechts- und Vertragsgrundlagen für den Erhalt geldwerten Vorteile vorzulegen, welche sie im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zu C, geboren am ***, gleichgültig ob als Anlageberaterin, als bloss im Rahmen der Konto-/Depotbeziehung die Aufträge des Kunden ausführende Depotbank (Kommissionsgeschäft, execution-only) oder in einer sonstigen Eigenschaft, insbesondere betreffend das Portfolio Nr 3, erhalten habe; dies mit Ausnahme der Informationen zu den geldwerten Vorteilen, welche die beklagte Partei mit E-Mail von D an C vom 07.12.2017 offengelegt habe, wird abgewiesen. | | [Kostenspruch]“ | | 6.1 | Zur Revision der Beschwerdegegnerin begründet der Oberste Gerichtshof zunächst, weshalb deren Ansicht, die Beschwerdeführerin müsse auch alle Vertrags- und Rechtsgrundlagen mit Dritten offenlegen, in denen geregelt werde, wann die Beschwerdeführerin in welcher Höhe eine Zuwendung von ihrem Vertragspartner erhalte, nicht gerechtfertigt sei, und fährt wie folgt fort: | | Zuzustimmen sei hingegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin, dass die Verzichtserklärungen hinsichtlich der Herausgabe von Zuwendungen in Punkt F 2 der Rahmenvereinbarung vom 14.02.2013 über den Erwerb sowie die Konzipierung von strukturierten Produkten zu Konto Nr 2 und Punkt 8 des Portfolio Advisory Mandats Nr 3 vom 08.10.2014 unwirksam seien. In diesem Punkt erweise sich die obergerichtliche Entscheidung als korrekturbedürftig. | | 6.1.1 | Der mit Vorlagebeschluss des Obersten Gerichtshofs vom 04.09.2020 zur Erstattung eines Gutachtens ersuchte EFTA-Gerichtshof habe mit Urteil vom 15.07.2021, E-14/20, die zu den hier relevanten Themen gestellten Fragen wie folgt beantwortet: | | „1. Art 26 letzter Absatz der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie ist dahingehend auszulegen, dass eine Wertpapierfirma die wesentlichen Bestimmungen der Vereinbarungen über Gebühren, Provisionen und nicht in Geldform angebotenen Zuwendungen in zusammengefasster Form offenlegen kann, sofern die Wertpapierfirma dem Kunden vor Erbringung der Wertpapier- oder Nebendienstleistung unmissverständlich offengelegt hat, dass solche Anreize von einem Dritten gezahlt bzw diesem gewährt werden, sowie sich verpflichtet hat, auf Wunsch des Kunden weitere Einzelheiten offenzulegen und dieser Verpflichtung auch nachkommt. | | Die Offenlegung gemäss Art 26 kann in zusammengefasster Form in Allgemeinen oder vorformulierten Geschäftsbedingungen erfolgen, vorausgesetzt, dass jeder einzelne Kunde die Informationen betreffend die spezifische Wertpapierdienstleistung erhält und diese Informationen dem Kunden eine ausreichende Grundlage für informierte Anlageentscheidungen bieten. | | 2. Eine Offenlegung gemäss dem letzten Absatz von Art 26 der Richtlinie 2006/73/EG erlegt der Wertpapierfirma die Verpflichtung auf, in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise vor Erbringung der betreffenden Wertpapier- oder Nebendienstleistung unmissverständlich mitzuteilen, ob und wann eine Gebühr, eine Provision oder eine nicht in Geldform angebotene Zuwendung gewährt wird. Eine allgemeine Offenlegung, die lediglich auf die Möglichkeit verweist, dass eine Wertpapierfirma eine Gebühr, eine Provision oder eine nicht in Geldform angebotene Zuwendung eines Dritten erhalten kann, reicht für die Zwecke von Art 26 dieser Richtlinie nicht aus. | | 3. Eine korrekte Offenlegung im Sinne von Art 26 erster Absatz Buchstabe b Ziffer i der Richtlinie 2006/73/EG, wenn der Betrag der Gebühr oder Provision nicht feststellbar ist, muss den Kunden in die Lage versetzen, den Betrag der der Wertpapierfirma von einem Dritten gewährten Gebühr oder Provision zu ermitteln, damit der Kunde eine fundierte Anlageentscheidung treffen kann. | | 4. Die im letzten Absatz von Art 26 der Richtlinie 2006/73/EG normierten Voraussetzungen für eine Offenlegung von Gebühren, Provisionen und nicht in Geldform angebotenen Zuwendungen sind nicht erfüllt, wenn sich die Wertpapierfirma verpflichtet, dem Kunden weitere Einzelheiten lediglich für die der Anfrage vorausgegangenen zwölf Monate zu gewähren.“ |
| | 6.1.2 | Die Richtlinie sei grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar, sondern müsse von den Mitgliedstaaten in das innerstaatliche Recht umgesetzt werden. Der Einzelne könne durch die Richtlinie nicht unmittelbar verpflichtet werden; ebenso wenig bestehe eine unmittelbare Wirkung von Bestimmungen nicht umgesetzter Richtlinien im Verhältnis zwischen Privatpersonen; es gelte also keine direkte horizontale Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen. Die innerstaatlichen Behörden hätten aber die inhaltlich von der Richtlinie berührten Normen soweit wie möglich im Einklang mit der Richtlinie („richtlinienkonform“) auszulegen (RIS-Justiz RS0111214; RS0075866; vgl. Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 15.07.2021, E-14/20, Fragebeantwortung 5.). | | Hinsichtlich der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Interpretation verweise der EuGH auf den Methodenkatalog des nationalen Rechts. Die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation reiche somit grundsätzlich bis zur Grenze der äussersten Wortschranke, erstrecke sich aber zudem auf die nach dem innerstaatlichen interpretativen Methodenkatalog zulässige Rechtsfortbildung durch Analogie oder teleologische Reduktion im Fall einer planwidrigen Umsetzungslücke (RIS-Justiz RS0114158 [T 8]). Richtlinienkonforme Interpretation komme nur zur Anwendung, wenn das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum lasse (RIS-Justiz RS0114158 [T 5]). Eine richtlinienkonforme Auslegung dürfe einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben (RIS-Justiz RS0114158 [T 7]). Sie sei also dann unzulässig, wenn sie zu einer Auslegung contra legem führen würde (RIS-Justiz RS0114158 [T 9]). Im Sinn der Homogenität gelte das Gesagte auch für den EWR (Verweis auf Art. 105 Abs. 1 EWR-Abkommen). |
| | 6.1.3 | Wenn es in Art. 8h Abs. 3 Satz 2 BankG heisse, dass die Offenlegung von Zuwendungen in zusammengefasster und inhaltlich allgemeiner Form zum Beispiel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder anderen vorformulierten Geschäftsbedingungen erfolgen könne, bestehe eine richtlinienkonforme Umsetzung in das innerstaatliche Recht. Die hier massgebliche Bestimmung im Anhang 7.1 Kapital III („Zuwendungen“) Absätze 1 und 5 BankV laute: | | "1) Das Gewähren oder Annehmen von Gebühren oder Provisionen oder nicht in Geldform angebotenen Zuwendungen („Zuwendungen“) im Sinne von Art. 8h des BankG ist zulässig, wenn: … | | c) es sich um eine Zuwendung von Dritten oder an Dritte bzw von oder an einer in deren Auftrag handelnden Person, die nicht von Bst. b erfasst sind, handelt, sofern: | | aa) die Existenz, die Art und der Betrag der Zuwendungen oder – wenn der Betrag nicht feststellbar ist – die Art und Weise der Berechnung dieses Betrages dem Kunden vor Erbringung der Wertpapier- oder Nebendienstleistung in umfassender, verständlicher und zutreffenderweise unmissverständlich offengelegt wird; und … | | 5) Die Offenlegung gemäss Abs. 1 Bst c unter Bst. aa kann nach Massgabe von Art. 8h des BankG auch in zusammengefasster und inhaltlich allgemeiner Form erfolgen." | | Auch diese Normen stünden einer Auslegung der Richtlinie 2006/73/EG, wie sie der EFTA-Gerichtshof in seinen Fragebeantwortungen 1. bis 4. vorgenommen habe, nicht entgegen. Oder anders gewendet: Diese Bestimmungen seien richtlinienkonform so auszulegen, dass die Offenlegung durch die Beschwerdeführerin die Verpflichtung umfasse, in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise vor Erbringung der betreffenden Wertpapier- oder Nebendienstleistung unmissverständlich mitzuteilen, ob und wann eine Gebühr, eine Provision oder eine nicht in Geldform angebotene Zuwendung gewährt werde, wobei der Hinweis auf eine blosse Möglichkeit der Zuwendung nicht ausreiche; weiters dass die Offenlegung, wenn der Betrag der Gebühr oder Provision nicht feststellbar sei, es dem Kunden ermöglichen müsse, den Betrag der der Wertpapierfirma von einem Dritten gewährten Gebühr oder Provision zu ermitteln, um eine fundierte Anlageentscheidung treffen zu können; schliesslich dass die Offenlegung nicht auf einen der Anfrage vorausgegangenen beliebigen Zeitraum beschränkt sei. | | Bei näherer Betrachtung der vorformulierten Geschäftsbedingungen der Beschwerdeführerin in Punkt F 2 der Rahmenvereinbarung vom 14.02.2013 und Punkt 8. des Portfolio Advisory Mandats vom 08.10.2014 stünden diese im Widerspruch zu dem hier aufgezeigten richtlinienkonformen Auslegungsergebnis. In beiden Geschäftsbedingungen sei der Informationsanspruch bezüglich weiterer Einzelheiten hinsichtlich bereits getätigter Transaktionen jeweils auf die der Anfrage vorausgegangenen zwölf Monate begrenzt. In Punkt 8. des Portfolio Advisory Mandats heisse es, dass der Bank von Dritten Zuwendungen in der Form von Bestandeszahlungen gewährt werden könnten, die Höhe solcher Zuwendungen je nach Produkt und Produktanbieter unterschiedlich sei, Bestandeszahlungen sich in der Regel nach der Höhe des von der Bank gehaltenen Volumen seines Produkts oder einer Produktgruppe bemessen, ihre Höhe üblicherweise einen prozentualen Anteil der dem jeweiligen Produkt belasteten Verwaltungsgebühren entspreche, und zusätzlich Vertriebsprovisionen von Wertpapieremittenten auch in Form von Abschlägen auf dem Emissionspreis (prozentmässiger Rabatt) geleistet werden könnten oder auch in Form von Einmalzahlungen, deren Höhe einem prozentualen Anteil des Emissionspreises entspreche. | | All diese Bestimmungen widersprächen einer korrekten Offenlegung im Sinn des § 1009a Abs. 1 Bst. a ABGB und seien daher gesetzwidrig und nichtig. Das führe dazu, dass die entscheidende Rechtsgrundlage für den von der Beklagten relevierten Verzicht entfalle. Infolgedessen bestehe der Auskunftsanspruch der Beschwerdegegnerin auch in Bezug auf die Rahmenvereinbarung vom 14.02.2013 über den Erwerb sowie die Konzipierung von strukturierten Produkten zu Konto Nr. 2 und das Portfolio Advisory Mandat Nr. 3 vom 08.10.2014 zu Recht. Dem Auskunftsbegehren sei insoweit in seiner ursprünglich erhobenen Fassung stattzugeben gewesen. |
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| | 6.2 | Zur Revision der Beschwerdeführerin wird hinsichtlich der Rechtsrüge Folgendes erwogen: | | 6.2.1 | Wenn sich die Beschwerdeführerin darauf berufe, dass die gegenseitigen Ansprüche aufgrund der gleichen Vertragsgrundlagen, nämlich der AGB 05/2010, zu beurteilen seien, sei Folgendes zu entgegnen: Ziffer 17 der AGB 05/2010 ( Ziffer 17 der AGB 11/2007) sei in ihrem hier interessierenden Kern wortgleich mit den Geschäftsbedingungen in Punkt 8. des Portfolio Advisory Mandats vom 08.10.2014. Es gelte daher das schon [siehe oben Ziff. 6.1.3 des Sachverhaltes] Ausgeführte, dass nämlich diese Bestimmungen einer gesetzmässigen Offenlegung widersprächen und damit ein Verzicht gemäss § 1009a ABGB i. d. F. LGBl. 2007 Nr. 272 nicht in Frage komme. Damit entfalle aber für die Revision der Beschwerdeführerin die wesentliche Argumentationsgrundlage, sodass sich grundsätzlich eine weitergehende Auseinandersetzung erübrige. |
| | 6.2.2 | Dazu komme, dass die gleichlautende Ziffer 17 in den AGB 11/2007 und 05/2010 gegen § 864a ABGB verstosse. Der Oberste Gerichtshof habe sich in seiner Entscheidung vom 06.05.2021 im Parallelverfahren 15 CG.2018.219 unter Erw. 8.4.10. mit der Ziffer 17 der AGB 11/2007 und 05/2010 auseinandergesetzt und sei zum Schluss gekommen, dass diese Klauseln einen nicht vorhersehbaren und nachteiligen Inhalt darstellen würden. Damit könnten sie nicht rechtswirksam in das Vertragsband zwischen C und der Beschwerdeführerin einbezogen werden. |
| | 6.2.3 | Schliesslich treffe auch die Argumentation der Beschwerdeführerin, C habe, selbst wenn man nicht auf die AGB 11/2007 oder die AGB 05/2010 abstellen wollte, bereits aufgrund der AGB 09/2004 auf seinen Herausgabeanspruch verzichtet, nicht zu. Der Ziffer 15. der AGB 09/2004 fehle es an der notwendigen Bestimmtheit, um einen Vorausverzicht nach § 869 ABGB bzw. § 1444 ABGB annehmen zu können. Sie sei als objektiv ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB zu bewerten und komme daher nicht zur Anwendung (OGH vom 06.05.2021, 15 CG.2018.219 Erw 8.4.9., und 04.09.2020, 02 CG.2019.58 Erw. 12.4.) |
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| 7. | Die Beschwerdeführerin stellte mit Eingabe vom 30.12.2021 beim Staatsgerichtshof zunächst einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. | | Diesem Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer noch einzubringenden Individualbeschwerde gegen das Teilurteil des Obersten Gerichtshofes vom 15. Dezember 2021 (ON 62) die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gab der Präsident des Staatsgerichtshofes mit Beschluss vom 13.01.2022 Folge. |
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| 8. | Die Beschwerdeführerin reichte sodann mit Schriftsatz vom 20.01.2022 eine Individualbeschwerde gegen das vorliegende Teilurteil des Obersten Gerichtshofes beim Staatsgerichtshof ein, wobei eine Verletzung des Willkürverbotes, der Begründungspflicht gemäss Art. 43 Satz 3 LV sowie der persönlichen Freiheit gemäss Art. 32 Abs. 1 LV geltend gemacht wird. Beantragt wird, der Staatsgerichtshof wolle der Individualbeschwerde Folge geben und feststellen, dass die Beschwerdeführerin durch das angefochtene Teilurteil des Obersten Gerichtshofes in ihren verfassungsmässig gewährleisteten Rechten verletzt worden sei; er wolle das Urteil aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung unter Bindung an die Rechtsansicht des Staatsgerichtshofes an den Obersten Gerichtshof zurückverweisen; weiters wolle der Staatsgerichtshof die Beschwerdegegnerin bei sonstiger Exekution schuldig sprechen, der Beschwerdeführerin die verzeichneten Kosten dieses Beschwerdeverfahrens sowie die dort verzeichneten Kosten des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu Handen ihrer Rechtsvertreterin binnen vier Wochen zu ersetzen sowie die Kosten des Verfahrens dem Land Liechtenstein auferlegen. | | Auf die Ausführungen in dieser Individualbeschwerde wird, soweit relevant, im Rahmen der Urteilsbegründung eingegangen. |
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| 9. | Während der Oberste Gerichtshof mit Schreiben vom 27.01.2022 auf eine Stellungnahme verzichtete, erstattete die Beschwerdegegnerin mit Eingabe vom 31.01.2022 eine Gegenäusserung zur vorliegenden Individualbeschwerde, worin die kostenpflichtige Beschwerdezurück- bzw. -abweisung beantragt wird. | | Auf die Ausführungen in dieser Gegenäusserung wird, soweit relevant, im Rahmen der Urteilsbegründung eingegangen. |
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| 10. | Der Staatsgerichtshof zog die Vorakten, soweit erforderlich, bei und beschloss in Folge Spruchreife, auf die Durchführung einer öffentlichen Schlussverhandlung zu verzichten. Nach Durchführung der nicht-öffentlichen Schlussverhandlung, anlässlich welcher der Staatsgerichtshof beschloss, die Individualbeschwerdeverfahren zu StGH 2020/089, StGH 2021/045 und StGH 2021/099 gemäss Art. 46 Abs. 4 StGHG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden, jedoch die Entscheidungen getrennt auszufertigen, wurde wie aus dem Spruch ersichtlich entschieden. |
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BEGRÜNDUNG | 1. | Nach Art. 39 StGHG nimmt der Staatsgerichtshof seine Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amtes wegen wahr. Der Staatsgerichtshof hat demnach von Amtes wegen zu prüfen, ob eine ihm zur Entscheidung vorgelegte Individualbeschwerde zulässig ist bzw. ob die Voraussetzungen für eine materielle Entscheidung über die Beschwerde vorliegen (statt vieler: StGH 2021/064, Erw. 1; StGH 2018/100, Erw. 1; StGH 2017/191, Erw. 1 [alle www.gerichtsentscheide.li]; siehe auch Tobias Michael Wille, Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht, LPS Bd. 43, Schaan 2007, 446 m. w. N.). | | 1.1 | Das im Beschwerdefall angefochtene Teilurteil des Obersten Gerichtshofes vom 15. Dezember 2021, 09 CG.2018.166-62, ist die Entscheidung der höchsten ordentlichen Zivilinstanz und ist somit letztinstanzlich gemäss Art. 15 Abs. 1 StGHG. Die Beschwerde ist auch frist- und formgerecht eingebracht worden. Es fragt sich indessen, ob die hier angefochtene Entscheidung im Sinne der weiteren Eintretensvoraussetzung gemäss Art. 15 Abs. 1 StGHG auch als enderledigend qualifiziert werden kann. |
| | 1.2 | Die Beschwerdeführerin begründet die Erfüllung dieses Eintretenskriteriums wie folgt: | | Eine Entscheidung sei nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes dann nicht enderledigend, wenn eine allfällige Grundrechtsverletzung im weiteren Verlauf nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden könne (mit Verweis auf Peter Bussjäger, Was ist eine enderledigende Entscheidung? in: Schumacher/Zimmermann, Festschrift für Gert Delle Karth – 90 Jahre Fürstlicher Oberster Gerichtshof, S. 91). Dies sei im Beschwerdefall gerade nicht möglich, weil die Beschwerdeführerin ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in Entsprechung des vom Obersten Gerichtshof bestätigten Urteils des Obergerichts Rechnung legen müsste. Sie würde dadurch eigene Geschäftsgeheimnisse (Information über von Dritten erhaltene Zuwendungen) offenbaren. Die durch Erfüllung des entsprechenden Urteils verbundene Verletzung von Art. 32 LV könnte nach Durchlaufen des zweiten Verfahrensganges nicht mehr gerügt werden, weil sie schon geschehen wäre. In diesem Sinne habe der Staatsgerichtshof bspw. auch eine Entscheidung über eine Beschwerde gegen einen Hausdurchsuchungsbeschluss (StGH 2012/157; StGH 2012/053) sowie einen Beschluss des Obergerichts über die Zulassung einer Strafanklage (StGH 2004/062) als enderledigend betrachtet. Nichts anderes dürfe somit für das gegenständliche Urteil über das Rechnungslegungsbegehren als Teil einer Stufenklage gelten, welches in einem eigenen Instanzenzug erfolgt sei und diesen Instanzenzug definitiv abgeschlossen habe (StGH 2004/062, Erw. 1). |
| | 1.3 | Dem hält die Beschwerdegegnerin entgegen, die Beschwerdeführerin könne jegliche Grundrechtsverletzungen auch noch im Verfahren über die zweite Stufe der Stufenklage geltend machen. Vorliegend sei die Situation vergleichbar mit einer letztinstanzlichen Aufhebungs- und Zurückverweisungsentscheidung, bei der gewisse Streitpunkte (etwa die Haftung dem Grunde nach) bereits abschliessend erledigt worden seien und damit im fortgesetzten Verfahren nicht mehr aufgerollt werden könnten. In solchen Situationen werde eine Individualbeschwerde regelmässig nicht zugelassen (StGH 2018/026, in: LES 2019, 69 Erw. 1.3, demgegenüber Erw. 1.4 zur Ausnahme der materiellen Erledigung). Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin werde die Rüge einer Grundrechtsverletzung selbstverständlich nicht unmöglich, nur weil die Grundrechtsverletzung bereits geschehen sei. Ganz im Gegenteil – es sei der Normalfall, dass eine Grundrechtsverletzung bereits geschehen sei, wenn sie vor dem Staatsgerichtshof gerügt werde. | | Aufschlussreich erscheine in diesem Zusammenhang ein Vergleich mit der Entscheidung zu StGH 2019/075. Gegenstand dieser Entscheidung sei ein Zwischenfeststellungsurteil über die Frage gewesen, ob die Gütergemeinschaft zwischen zwei Parteien schon voll oder zumindest teilweise auseinandergesetzt worden sei. Der Staatsgerichtshof habe eingangs seine bisherige Rechtsprechung zum Kriterium der Enderledigung zusammengefasst und sei dann zum Schluss gekommen, dass im vorliegenden Fall das Kriterium der Enderledigung erfüllt gewesen sei. Begründet worden sei dies damit, dass es zwischen dem abgeschlossenen Zwischenverfahren und dem fortzuführenden Hauptverfahren keine Berührungspunkte mehr gäbe („vertikaler Schnitt“) und das Zwischenfeststellungsurteil über den konkreten Rechtsstreit hinaus von Bedeutung sei. | | Diese beiden Voraussetzungen lägen im gegenständlichen Fall nicht vor. Es gebe gegenständlich klare Berührungspunkte zwischen dem ersten Teil der Stufenklage und dem fortzuführenden zweiten Teil der Stufenklage. Ausserdem fehle es der gegenständlich angefochtenen Entscheidung an einer über den konkreten Rechtsstreit hinausgehenden Bedeutung. All dies folge aus der Natur der Stufenklage, die vom Obersten Gerichtshof kürzlich in einem Parallelverfahren wie folgt beschrieben worden sei: | | „Insbesondere teilt der Fürstliche Oberste Gerichtshof die Ansicht des Fürstlichen Obergerichtes, dass im Zuge einer Stufenklage schon der Rechnungslegungsanspruch auch das Bestehen eines allfälligen Herausgabeanspruch zumindest dem Grunde nach voraussetzt. Es handelt sich … um einen auf das Hauptbegehren bezogenen typischen Hilfsanspruch, der dem Berechtigten eine ausreichende Grundlage für die Kontrolle des Rechnungspflichtigen sowie für die Beurteilung der Ansprüche bzw. Verpflichtungen diesem gegenüber verschaffen soll…“ (OGH vom 04.09.2020 zu 02 CG.2019.58, S. 40 f. mit Verweis auf Apathy, in: Schwimann/Kodek, ABGB4 IV § 1012 Rz. 14; öOGH 1 Ob 239/05). | | Es sei damit klar, dass gegenständlich ein einheitliches Verfahren mit zwei verknüpften Verfahrensteilen vorliege, bei dem der erste Verfahrensteil notwendigerweise auf dem zweiten aufbaue. Anders als in der Entscheidung zu StGH 2019/075 könne daher von einem vertikalen „Schnitt“ zwischen den zwei Verfahrensabschnitten nicht gesprochen werden. Darüber hinaus habe die gegenständlich angefochtene Entscheidung über das Auskunftsbegehren, wiederum anders als die Entscheidung zu StGH 2019/075, keine über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung. |
| | 1.4 | Der Beschwerdegegnerin ist zwar im Sinne der von ihr zitierten Erwägung des Obersten Gerichtshofes zuzustimmen, dass es sich beim Rechnungslegungsanspruch um einen Hilfsanspruch für den allfälligen Herausgabeanspruches handelt. Wesentlich ist aber, dass der Rechnungslegungsanspruch eigenständig vorweg geprüft wird und dieser erste Verfahrensteil mit einem (nach allfälligem Durchlaufen des Instanzenzuges) rechtskräftigen und vollstreckbaren Teilurteil endet (vgl. Gasser, Die Verfahrenseinleitung, in Schumacher [Hrsg.], HB LieZPR, Rz. 16.21). Dieses Teilurteil muss zuerst – wenn erforderlich, im Zwangsvollstreckungsverfahren – durchgesetzt werden und es kann vom Staatsgerichtshof im Anschluss an das darauf einzuleitende Herausgabeverfahren auch nicht mehr aufgehoben werden. Ein vollstreckbares (Teil-)Urteil ist immer und ohne Weiteres als enderledigend zu qualifizieren (ausführlich zu den Voraussetzungen für die Erfüllung des Enderledigungskriteriums bei Zwischen-, Teil- und Feststellungsurteilen StGH 2021/097, Erw. 1.3.1 ff.). | | Demnach ist das angefochtene Teilurteil des Obersten Gerichtshofes (ON 62) als enderledigend zu qualifizieren, ohne dass noch auf das weitere Vorbringen der Verfahrensparteien zu diesem Eintretenskriterium eingegangen zu werden braucht. |
| | 1.5 | Die Beschwerdegegnerin rügt weiter, das Beschwerdevorbringen zur Entstehung von § 1009a ABGB verletze das Rügeprinzip und die Substantiierungspflicht, denn diese Ausführungen seien losgelöst von und ohne Bezug zu den von ihr erhobenen Grundrechtsrügen. | | Während das Rügeprinzip beinhaltet, dass der Beschwerdeführer die durch die angefochtene Entscheidung hervorgerufene Grundrechtsverletzung anzusprechen hat, geht es bei der Substantiierungspflicht um die argumentative Untermauerung des Vorbringens (StGH 2020/061, Erw. 1.5; StGH 2015/008, Erw. 1.3 [beide www.gerichtsentscheide.li]). Diese beiden Verfahrensgrundsätze werden entgegen dem Vorhalt der Beschwerdegegnerin nicht verletzt, wenn in einer Individualbeschwerde gesondert allgemeine Ausführungen gemacht werden, etwa weil diese übergreifend für alle oder jedenfalls mehrere Grundrechtsrügen relevant sind. Es darf dann auch ohne Weiteres bei den einzelnen Grundrechtsrügen auf solche allgemeine Ausführungen verwiesen werden. Dies ist auch hier der Fall, so dass auch dieses zusätzliche Beschwerdevorbringen im Folgenden zu berücksichtigen ist, soweit es für die Entscheidungsfindung relevant ist. |
| | 1.6 | Somit ist materiell auf die Individualbeschwerde einzutreten. |
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| 2. | Bevor aber auf die einzelnen Grundrechtsrügen eingegangen wird, ist Folgendes zu erwägen: | | 2.1 | Die zentrale Frage im dem vorliegenden Individualbeschwerdeverfahren zugrunde liegenden Zivilrechtsstreit ist, ob die Beschwerdegegnerin rechtsgültig darauf verzichtet hat, die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Auftragsverhältnis von Dritten erhaltenen Zuwendungen, Provisionen etc. herauszuverlangen. Die Beantwortung dieser Frage hängt wiederum wesentlich davon ab, ob im Beschwerdefall die in § 1009a ABGB festgelegten Voraussetzungen für einen entsprechenden rechtsgültigen Verzicht vorliegen. Zu beachten ist dabei, dass die erwähnte ABGB-Bestimmung sowie die flankierenden bankenrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit der Umsetzung der sogenannten zweiten Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (2004/39/EG; MiFID) und somit von EWR-Recht zu sehen sind. |
| | 2.2 | Aufgrund eines Vorlagebeschlusses des Obersten Gerichtshofs im beschwerdegegenständlichen Verfahren vom 4. September 2020 erging das Urteil des EFTA-Gerichtshofes vom 15. Juli 2021, E-14/20. Die Antworten des EFTA-Gerichtshofes auf die Fragen des Obersten Gerichtshofes sind vorne in Ziff. 6.1.1 des Sachverhaltes wiedergegeben. |
| | 2.3 | Zu diesem Urteil des EFTA-Gerichtshofes ist vorweg festzuhalten, dass der Staatsgerichtshof die Verfassungsmässigkeit des EWR-Rechts einschliesslich der Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofes in aller Regel nicht hinterfragt (StGH 2021/030, Erw. 2.4.2 mit Verweis auf StGH 2011/200, Erw. 3.2; StGH 2007/127, Erw. 4.2; StGH 2006/094, Erw. 2.1; siehe auch StGH 2021/082, Erw. 4.5.4 [alle www.gerichtsentscheide.li]; siehe auch Hilmar Hoch, „Grundprinzipien und Kerngehalte der Grundrechte der Landesverfassung“. Der EWR-Vorbehalt des Staatsgerichtshofes als materielle Verfassungsänderungsschranke, in: Hilmar Hoch/Christina Neier/Patricia M. Schiess Rütimann [Hrsg.], 100 Jahre liechtensteinische Verfassung, LPS Bd. 62, Schaan 2021, 51 [53 ff.]). Es wird nicht geltend gemacht, dass hier ein Ausnahmefall vorliege, welcher eine Überprüfung dieses Urteils des EFTA-Gerichtshofes auf dessen Übereinstimmung mit „Grundprinzipien und Kerngehalten der Grundrechte der Landesverfassung“ im Sinne dieser Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes rechtfertigen würde. Somit sind die von den Verfahrensparteien aufgeworfenen EWR-rechtlichen Fragen im Folgenden nicht mehr weiter zu erörtern, soweit diese von den autoritativen Antworten in der Vorabentscheidung des EFTA-Gerichtshofes abgedeckt werden, sondern es kann insoweit allein auf die Rechtsauffassung des EFTA-Gerichtshofes verwiesen werden. | | Entsprechend erübrigt es sich zunächst im Lichte der Beantwortung der Frage 5 durch den EFTA-Gerichtshof, detailliert auf das Beschwerdevorbringen einzugehen, wonach es der Beschwerdegegnerin nicht helfen würde, wenn in § 1009a ABGB EWR-Recht nicht korrekt umgesetzt worden wäre. Die Beschwerdeführerin argumentiert, die MiFID-Richtlinienbestimmungen seien nicht direkt horizontal, d. h. zwischen Bürgern untereinander, anwendbar. Eine horizontale unmittelbare Wirkung von Richtlinien gebe es nach ständiger Rechtsprechung des EuGH nicht. Demgegenüber betont der EFTA-Gerichtshof in seiner Antwort auf die Frage 5 die Verpflichtung des nationalen Gerichts, das im EWR-Recht (also einschliesslich Richtlinien) festgelegte Ergebnis „so weit wie möglich durch Auslegung des nationalen Rechts im Einklang mit dem EWR-Recht zu gewährleisten.“ Somit sind die Antworten des EFTA-Gerichtshofes auf die Fragen 1 bis 4 entgegen dem Beschwerdevorbringen auch für die Auslegung von § 1009a ABGB relevant. |
| | 2.4 | In seiner angefochtenen Entscheidung bejaht der Oberste Gerichtshof die Möglichkeit einer solchen auf den Vorabentscheid des EFTA-Gerichtshofes gestützten EWR-rechtskonformen Auslegung von § 1009a ABGB in Verbindung mit den einschlägigen bankenrechtlichen Bestimmungen. | | Der Oberste Gerichtshof erachtet Art. 8h Abs. 3 Satz 2 BankG, wonach die Offenlegung von Zuwendungen in zusammengefasster und inhaltlich allgemeiner Form zum Beispiel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder anderen vorformulierten Geschäftsbedingungen erfolgen kann, als richtlinienkonforme Umsetzung in das innerstaatliche Recht. Dies unter Berücksichtigung der hierzu massgeblichen Bestimmung im Anhang 7.1 Kapital III („Zuwendungen“) Absätze 1 und 5 BankV (i. d. F. LGBl. 2007 Nr. 272) mit folgendem Wortlaut: | | „1) Das Gewähren oder Annehmen von Gebühren oder Provisionen oder nicht in Geldform angebotenen Zuwendungen (‚Zuwendungen‘) im Sinne von Art. 8h des BankG ist zulässig, wenn: | | ... | | c) es sich um eine Zuwendung von Dritten oder an Dritte bzw. von oder an einer in deren Auftrag handelnden Person, die nicht von Bst. b erfasst sind, handelt, sofern: | | aa) die Existenz, die Art und der Betrag der Zuwendungen oder – wenn der Betrag nicht feststellbar ist – die Art und Weise der Berechnung dieses Betrages dem Kunden vor Erbringung der Wertpapier- oder Nebendienstleistung in umfassender, verständlicher und zutreffender Weise unmissverständlich offengelegt wird; | | ... | | 5) Die Offenlegung gemäss Abs. 1 Bst. c Unterbuchstabe aa kann nach Massgabe von Art. 8h des BankG auch in zusammengefasster und inhaltlich allgemeiner Form erfolgen.“ | | Auch diese Normen stehen gemäss dem Obersten Gerichtshof „einer Auslegung der Richtlinie 2006/73/EG, wie sie der EFTA-Gerichtshof in seinen Fragebeantwortungen 1. bis 4. vorgenommen hat, nicht entgegen. Oder anders gewendet: Diese Bestimmungen sind richtlinienkonform so auszulegen, dass die Offenlegung durch die Beklagte die Verpflichtung umfasst, in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise vor Erbringung der betreffenden Wertpapier- oder Nebendienstleistung unmissverständlich mitzuteilen, ob und wann eine Gebühr, eine Provision oder eine nicht in Geldform angebotene Zuwendung gewährt wird, wobei der Hinweis auf eine blosse Möglichkeit der Zuwendung nicht ausreicht; weiters dass die Offenlegung, wenn der Betrag der Gebühr oder Provision nicht feststellbar ist, es dem Kunden ermöglichen muss, den Betrag der der Wertpapierfirma von einem Dritten gewährten Gebühr oder Provision zu ermitteln, um eine fundierte Anlageentscheidung treffen zu können; schliesslich dass die Offenlegung nicht auf einen der Anfrage vorausgegangenen beliebigen Zeitraum beschränkt ist.“ (ON 62, Erw. 9.6.2.c) |
| | 2.5 | Die Beschwerdeführerin argumentiert allerdings, dass § 1009a Abs. 1 ABGB primär zum Schutz der Banken und Wertpapierfirmen geschaffen worden sei. Die Frage der möglichen Herausgabepflicht von Zuwendungen sei im Rahmen der Umsetzung von MiFID I (d. h. der MiFID-Durchführungsrichtlinie [RL 2006/73/EG] zur Durchführung der MiFID-Rahmenrichtlinie [RL 2004/39/EG]) sehr aktuell geworden und habe nach Antworten verlangt. Die Umsetzung von MiFID I im liechtensteinische Aufsichtsrecht habe Banken und Wertpapierfirmen nämlich verpflichtet, Regelungen zum Umgang mit Interessenkollisionen aufzustellen und Zuwendungen offenzulegen. In diesem Zuge sei Art. 8h BankG, insbesondere dessen Abs. 3 und 4, Art. 27c (LGBl. 2007 Nr. 261) sowie Anhang 7.1 BankV (LGBl. 2007 Nr. 278) geschaffen worden. | | Vor diesem Hintergrund habe der Bankenverband vorgeschlagen, entsprechende Bestimmungen in die Rechtsordnung aufzunehmen, wonach der Bankkunde bzw. der Machtgeber auf seinen Herausgabeanspruch gemäss § 1009 ABGB verzichte, wenn ihm die Zuwendungen offengelegt würden und er dennoch das Geschäft weiter ausführen lasse. Der Gesetzgeber habe aber nicht nur den Vorschlag des Bankenverbandes (zum Schutz der Banken und Wertpapierfirmen) ins Gesetz aufgenommen und ihm klar eine zivilrechtliche Verbindlichkeit verliehen, sondern zusätzlich darauf hingewiesen, dass die mit § 1009a Abs. 1 ABGB angeordnete Rechtsfolge des Verzichts eine „Konkretisierung des Prinzips von Treu und Glauben“ darstelle. Dabei solle der Machthaber (nicht der Machtgeber) in seinem Vertrauen darauf geschützt werden, dass im Falle von korrekter Offenlegung und Hinweis auf die Rechtsfolge durch weiteres Ausführenlassen des Geschäfts auf den Herausgabeanspruch gemäss § 1009a ABGB verzichtet werde (BuA Nr. 65/2007, 116). | | Dieses Beschwerdevorbringen überzeugt nicht. Zwar trifft es zu, dass dem Bankeninteresse an mehr Rechtssicherheit Rechnung getragen wurde, indem gemäss § 1009a ABGB die Zustimmung des Bankkunden zur Ausführung des Geschäfts im Sinne von Treu und Glauben explizit als Verzicht auf dessen Herausgabeanspruch gemäss § 1009 ABGB gilt; dies aber eben unter der Voraussetzung, dass dem Bankkunden „die damit verbundenen Zuwendungen korrekt offen gelegt wurden. Bezogen auf die Besorgung von Wertpapiergeschäften ist eine Offenlegung der Zuwendungen dann als korrekt zu betrachten, wenn sie den im BankG transponierten MiFID-Vorschriften entspricht.“ (siehe BuA Nr. 65/2007, 117, worauf auch die Beschwerdegegnerin verweist). Aufgrund dieses klar geäusserten Willens des Gesetzgebers kann entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht davon die Rede sein, dass es sich bei den MiFID-Vorschriften um für die Auslegung des Zivilrechts nicht relevantes Aufsichtsrecht handle. | | Tatsächlich ist es im Sinne der Gegenäusserung der Beschwerdegegnerin verfehlt, dem Gesetzgeber zu unterstellen, dass er seiner europarechtlichen Verpflichtung zur effizienten Umsetzung der MiFID (effet utile) zum Ziel des Anleger- bzw. Kundenschutzes nicht nachkommen wollte. Davon abgesehen wäre für die Beschwerdeführerin selbst dann nichts zu gewinnen, wenn ein solcher Wille des Gesetzgebers zu eruieren wäre und einer EWR-rechtskonformen Auslegung im Wege stünde. Denn in diesem Fall käme der Staatsgerichtshof nicht umhin, § 1009a ABGB als EWR-rechtswidrig und somit im Ergebnis auch als verfassungswidrig aufzuheben (siehe zum verfassungsändernden bzw. -ergänzenden Charakter des EWR-Rechts anstatt vieler StGH 2015/018 [ LES 2015, 130]). | | Dem Gesetzgeber ging es aber offensichtlich um einen fairen Ausgleich zwischen dem Bankeninteresse an mehr Rechtssicherheit einerseits und dem Interesse der Bankkunden andererseits, eine informierte Entscheidung über einen allfälligen Verzicht auf ihre Rückforderungsansprüche im Sinne der MiFID-Kriterien treffen zu können. Ein solcher fairer Ausgleich bedingt durchaus, dass auch Praktikabilitätsüberlegungen beachtet werden. So ist es kaum realistisch, dass eine Offenlegung für jede einzelne Transaktion erfolgt. Art. 8h Abs. 3 Satz 2 BankG sieht denn auch vor, dass die Offenlegung von Zuwendungen „in zusammengefasster und inhaltlich allgemeiner Form zum Beispiel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder anderen vorformulierten Geschäftsbedingungen erfolgen“ kann. Doch auch wenn der Betrag nicht von vornherein feststellbar ist, muss gemäss Anhang 7.1 Kapital III („Zuwendungen“) Absatz 1 c/aa BankV (i. d. F. LGBl. 2007 Nr. 272) „die Art und Weise der Berechnung dieses Betrages dem Kunden vor Erbringung der Wertpapier- oder Nebendienstleistung in umfassender, verständlicher und zutreffender Weise unmissverständlich offengelegt“ werden. | | Insgesamt ist der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, dass eine Bank ihren Kunden zumindest Bandbreiten angeben muss, damit diese beurteilen können, mit welchen Zuwendungen seitens Dritter jeweils zu rechnen sein wird. Dieses Ergebnis ist auch im Einklang mit der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts, wonach zumindest „ein Hinweis auf die technischen Eckwerte der bestehenden Retrozessionsvereinbarungen mit Dritten sowie auf das zu erwartende Transaktionsvolumen bzw. die Angabe der erwarteten Rückvergütungen als Prozentbandbreite des verwalteten Vermögens“ erforderlich ist (BGE 137 III 393 [400 Erw. 2.5]). Die schweizerische Rechtsprechung ist im gegebenen Zusammenhang auch deshalb von Relevanz, weil „der Einklang des Schweizer Finanzmarktrechts mit den internationalen Regulierungsstandards zentral“ ist (siehe Botschaft zum Finanzdienstleistungsgesetz [FIDLEG] und zum Finanzinstitutsgesetz [FINIG] vom 4. November 2015 8901 [8930]). Dies betrifft insbesondere auch die MiFiD-Kompatibilität (siehe dort 8931 f.). |
| | 2.6 | Auch der Oberste Gerichtshof kommt in seiner angefochtenen Entscheidung (siehe Ziff. 6.1.3 des Sachverhalts sowie die obige Erw. 2.5) zum Schluss, dass eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung der einschlägigen bankenrechtlichen Bestimmungen möglich und auch erforderlich sei; und dass die vorformulierten Geschäftsbedingungen der Beschwerdeführerin in Punkt F 2 der Rahmenvereinbarung vom 14. Februar 2013 und Punkt 8. des Portfolio Advisory Mandats vom 8. Oktober 2014 (siehe zum jeweiligen Wortlaut dieser Bestimmungen Ziff. 3.1 des Sachverhalts) im Widerspruch zu diesem richtlinienkonformen Auslegungsergebnis stünden. In beiden Geschäftsbedingungen sei der Informationsanspruch bezüglich weiterer Einzelheiten hinsichtlich bereits getätigter Transaktionen jeweils auf die der Anfrage vorausgegangenen zwölf Monate begrenzt. In Punkt 8. des Portfolio Advisory Mandats heisse es, dass der Bank von Dritten Zuwendungen in der Form von Bestandeszahlungen gewährt werden könnten, die Höhe solcher Zuwendungen je nach Produkt und Produktanbieter unterschiedlich sei, Bestandeszahlungen sich in der Regel nach der Höhe des von der Bank gehaltenen Volumens seines Produkts oder einer Produktgruppe bemässen, ihre Höhe üblicherweise einen prozentualen Anteil der dem jeweiligen Produkt belasteten Verwaltungsgebühren entspreche und zusätzlich Vertriebsprovisionen von Wertpapieremittenten auch in Form von Abschlägen auf dem Emissionspreis (prozentmässiger Rabatt) geleistet werden könnten oder auch in Form von Einmalzahlungen, deren Höhe einem prozentualen Anteil des Emissionspreises entspreche. All diese Bestimmungen widersprächen einer korrekten Offenlegung im Sinn des § 1009a Abs. 1 Bst. a ABGB und sie seien daher gesetzwidrig und nichtig. | | Diese oberstgerichtlichen Erwägungen erweisen sich als verfassungskonform, zumal ihnen auch in der vorliegenden Individualbeschwerde nicht erfolgreich entgegengetreten werden kann, wie in den anschliessenden Erwägungen zu den einzelnen Grundrechtsrügen der Beschwerdeführerin aufzuzeigen sein wird. |
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| 3. | Die Beschwerdeführerin macht als materielle Grundrechtsrügen eine Verletzung des Willkürverbots und der Geheim- und Privatsphäre geltend. | | 3.1 | Der Rüge der Verletzung der Geheim- und Privatsphäre ist von vornherein entgegenzuhalten, dass Grundrechte primär gegen unzulässige Eingriffe durch den Staat schützen. Im Beschwerdefall geht es sich aber um einen Zivilprozess, in dem sich grundsätzlich gleichwertige grundrechtliche Interessen der Streitparteien gegenüberstehen. Eine auch das Verhältnis zwischen Privaten umfassende sogenannte Drittwirkung der Grundrechte besteht nur ausnahmsweise. Dies gilt auch für Art. 32 LV (siehe StGH 2021/064, Erw. 5.2; StGH 2018/128, Erw. 2.1 [beide www.gerichtsentscheide.li] jeweils mit weiteren Nachweisen; sowie StGH 2010/049, Erw. 3 [www.gerichtsentscheide.li]). Es ist nicht ersichtlich und es wird hierzu auch nichts vorgebracht, dass im Beschwerdefall eine Ausnahme gelten sollte. Es ist deshalb im Folgenden nur auf die Willkürrüge einzugehen. |
| | 3.2 | Ein Verstoss gegen das Willkürverbot liegt nur dann vor, wenn eine Entscheidung sachlich nicht zu begründen, nicht vertretbar bzw. stossend ist (siehe statt vieler: StGH 2018/095, LES 2019, 76 [80, Erw. 7.1]; StGH 2018/091, Erw. 4.1; StGH 2018/015, Erw. 6.1 [alle www.gerichtsentscheide.li] sowie Hugo Vogt, Willkürverbot, in: Kley/Vallender [Hrsg.], Grundrechtspraxis in Liechtenstein, LPS Bd. 52, Schaan 2012, 317 f., Rz. 26 m. w. N.). Dementsprechend wird ein Verstoss gegen das Willkürverbot nicht schon dann angenommen, wenn eine Entscheidung als unrichtig zu qualifizieren ist. In seiner Funktion als Auffanggrundrecht soll das Willkürverbot gewissermassen die letzte Verteidigungslinie des Rechts gegenüber derart offensichtlichem Unrecht sein, dass es in einem modernen Rechtsstaat nicht zu tolerieren ist (StGH 2021/044, Erw. 2.1; StGH 2020/029, Erw. 6.1; StGH 2017/097, Erw. 2.1 [alle www.gerichtsentscheide.li]). |
| | 3.3 | Zur Frage der Zulässigkeit der Beschränkung des Informationsanspruchs bringt die Beschwerdeführerin vor, C habe sich nach § 1012 ABGB den AGB (AGB vom 1. Mai 2010, Punkt 15; Rahmenvereinbarung vom 14. Februar 2013, Punkt F2) einschliesslich der Beschränkung des Informationsanspruchs auf die der Anfrage vorausgegangenen zwölf Monate rechtswirksam unterworfen. Die Ansicht des Obersten Gerichtshofes, dass die Beschränkung des Informationsanspruchs gesetzwidrig und nichtig sei, verstosse gegen das Willkürverbot, weil dies nichts mit den aufsichtsrechtlichen Offenlegungsverpflichtungen zu tun habe. Zudem erkläre der Oberste Gerichtshof auch nicht, warum ein Verstoss gegen § 1009a ABGB zur Gesetzwidrigkeit und Nichtigkeit der Klauseln führe. Die Ansicht des EFTA-Gerichtshofs, dass eine Beschränkung des Auskunftsanspruchs auf zwölf Monate der Richtlinie widerspreche, sei auch nicht direkt auf nationales Recht übertragbar. Die Beschwerdeführerin habe sich nur an nationales Recht zu halten, dieses erlaube die Beschränkung des Informationsanspruchs. Der Oberste Gerichtshof könne eine Richtlinienbestimmung nicht auf Gesetzesstufe heben. MiFID stelle auch ausschliesslich Aufsichtsrecht dar. | | Zu diesem Beschwerdevorbringen ist zum einen auf die Erwägung 2.5 (oben) zu verweisen, wonach § 1009a ABGB auch nach dem Willen des Gesetzgebers EWR-konform und somit im Einklang mit den MiFID-Vorschriften auszulegen ist. Zur Rechtsfolge der Nichtigkeit der AGB-Klausel betreffend die Beschränkung des Informationsanspruchs verweist der Oberste Gerichtshof zum anderen auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, ON 68 (dortige Erw. 8.4.10) im Parallelfall zu 15 CG.2018.219-68 (nunmehr auch Gegenstand des parallelen Individualbeschwerdeverfahrens zu StGH 2021/045), wo die Beschwerdeführerin ebenfalls beklagte Partei ist. Wie zudem in der Gegenäusserung der Beschwerdegegnerin vorgebracht wird, sind zivilrechtliche Abreden über die Gewährung und Annahme von Zuwendungen, die den Vorgaben in MiFID widersprechen, sehr wohl nach § 879 Abs. 1 ABGB nichtig (mit Verweis auf Brandl/Klausberger, in: Brandl/Saria, WAG § 39 Rz. 74). |
| | 3.4 | Bei diesem Befund braucht auch nicht weiter auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden, wonach die Beschwerdeführerin ihren Offenlegungspflichten in Punkt F 2 der Rahmenvereinbarung vom 14. Februar 2013, Punkt 8 des Portfolio Advisory Mandats vom 8. Oktober 2014 sowie Ziff. 17 der AGB 11/2007 und 05/2010 nachgekommen sei. Wenn die betreffenden Offenlegungsbestimmungen, wie erwähnt, nichtig sind, ist es irrelevant, ob die Beschwerdeführerin diese Bestimmungen im Beschwerdefall eingehalten hat. |
| | 3.5 | Zur Frage des rechtsgültigen Verzichts auf den Herausgabeanspruch wirft die Beschwerdeführerin dem Obersten Gerichtshof vor, die Anforderungen des EFTA-Gerichtshofes an eine korrekte Offenlegung von Zuwendungen willkürlich auf die nationalen Bestimmungen übertragen zu haben, obwohl sich die nationalen Bestimmungen erheblich von den Richtlinienvorgaben unterscheiden würden. Gemäss Art. 26 der Durchführungs-RL könne die Wertpapierfirma Zuwendungen in „zusammengefasster Form" offenlegen. Art. 8h Abs. 3 BankG erlaube demgegenüber (enger) eine Offenlegung „in zusammengefasster und inhaltlich allgemeiner Form, z. B. in den Allgemeinen oder anderen vorformulierten Geschäftsbedingungen.“ Der Gesetzgeber habe es Banken und Wertpapierfirmen somit möglichst einfach machen wollen, ihre Offenlegungspflichten zu erfüllen. Die Beschwerdeführerin macht detaillierte Ausführungen, weshalb alle vier klassischen Auslegungsmethoden (grammatikalische, teleologische, systematische und historische Auslegung) eine richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts nicht zuliessen. | | Zu diesem Vorbringen ist wiederum auf Erwägung 2.5 (oben) zu verweisen, wonach auch der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme innerstaatliche Regelung wollte. Dies spricht von vornherein sowohl gegen die von der Beschwerdeführerin vorgenommene historische als auch gegen die teleologische Auslegung. Wie zudem in der Gegenäusserung zu Recht vorgebracht wird, sind auch die textlichen Unterschiede bei Weitem nicht so gross, dass die grammatikalische Auslegung einer EWR-konformen Handhabung entgegenstünde. | | Was schliesslich die systematische Auslegung angeht, so führt die Beschwerdeführerin hierzu Folgendes aus: § 1009a ABGB befinde sich bewusst unmittelbar im Anschluss an § 1009 ABGB. § 1009 ABGB regle den grundsätzlichen Herausgabeanspruch im Zusammenhang mit dem "aus dem Geschäfte entspringenden Nutzen" des Machtgebers. § 1009a ABGB regle konkret und zum Schutz von Banken und Wertpapierfirmen, wie es zum Verzicht auf diesen Herausgabeanspruch komme. Es sei darin kein Informationsanspruch des Bankkunden normiert. Letzterer ergebe sich aus § 1012 ABGB. Ob und inwieweit dieser Informationsanspruch beschränkbar sei, könne sich daher bereits aus der systematischen Stellung von § 1009a ABGB nicht ergeben. Gleiches treffe umso mehr auf Art. 8h Abs. 3 BankG und natürlich auch auf Anhang 7.1/III BankV zu. BankG und BankV seien Aufsichtsrecht und dienten öffentlichen Interessen. | | Auch dieses Vorbringen überzeugt nicht. Eine fehlende Regelung der Informationspflicht in § 1009a ABGB als Sonderregelung zu § 1009 ABGB bedeutet noch nicht, dass diese Informationspflicht auf den Umfang der allgemeinen Regelung gemäss § 1012 ABGB beschränkt sein müsste. Ein entsprechendes gesetzgeberisches Schweigen ist – gerade aufgrund des Ergebnisses der historischen und teleologischen Auslegung – nicht anzunehmen, da der Gesetzgeber mit der Schaffung von § 1009a ABGB eben nicht allein den Schutz von Banken und Wertpapierfirmen bezweckte. |
| | 3.6 | Die Beschwerdeführerin bemängelt ferner, dass sich der Oberste Gerichtshof mit keinem Wort damit befasse, weshalb es gegenständlich um Zuwendungen gemäss Anhang 7.1/III Abs. 1 Bst. c BankV gehe und nicht um Zuwendungen gemäss Anhang 7.1/III Abs. 1 Bst. a oder b BankV. | | Hierzu wird in der Gegenäusserung der Beschwerdegegnerin zu Recht betont, dass der Oberste Gerichtshof mangels eines entsprechenden Vorbringens auf diese Frage nicht einzugehen hatte. Entsprechend handelt es sich hierbei auch um ein im Individualbeschwerdeverfahren von vorneherein unzulässiges neues Vorbringen (StGH 2020/074, Erw. 2.1; StGH 2018/041, Erw. 2.1; StGH 2014/046, Erw. 4.2 [alle www.gerichtsentscheide.li]). | | Wie die Beschwerdegegnerin ebenfalls zu Recht erwähnt, waren auch die folgenden, in der Individualbeschwerde angesprochenen Themen bisher gar nicht Gegenstand des OGH-Verfahrens: ob die Beschwerdeführerin den Kunden korrekt über die Rechtsfolgen nach § 1009a Abs. 1 ABGB aufgeklärt hat; ob C das Geschäft nach Offenlegung der Zuwendungen ausführen liess; ob sich der Verzicht nach § 1009a ABGB nicht nur auf alle Zuwendungen bezieht, welche die Bank in Zukunft erhält, sondern auch auf alle Zuwendungen, welche sie vor Einführung des § 1009a ABGB (1. November 2007) erhielt. Hiervon abgesehen sind diese Fragen angesichts der Nichtigkeit der betreffenden Offenlegungsbestimmungen für das vorliegende Verfahren auch irrelevant. Somit ist auch auf alle diese Beschwerdeausführungen nicht näher einzugehen. |
| | 3.7 | Als willkürlich rügt die Beschwerdeführerin schliesslich die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes, dass Ziff. 17 in den AGB 11/2007 und AGB 05/2010 wegen Verstosses gegen § 864a ABGB unzulässig sei. Der Oberste Gerichtshof übersehe, dass die Beschwerdeführerin nichts anderes getan habe, als § 1009a ABGB bzw. dessen Bedingungen umzusetzen. Der Inhalt der AGB könne daher niemals ungewöhnlich sein. Erstaunlich sei auch, dass der Oberste Gerichtshof offensichtlich nicht vom Wortlaut des § 864a des liechtensteinischen ABGB, sondern von § 864a des österreichischen ABGB ausgehe. Der Oberste Gerichtshof glaube nämlich, es reiche ein nachteiliger Inhalt, während § 864a des liechtensteinischen ABGB „ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten“ verlange. | | Dieses Beschwerdevorbringen geht von vorneherein ins Leere, weil es sich bei der bekämpften Erwägung des Obersten Gerichtshofes (neben dem Hauptargument, dass keine korrekte Offenlegung gemäss § 1009a ABGB erfolgte) nur um eine grundrechtlich irrelevante Zusatzbegründung handelt, auf welche deshalb an sich nicht näher eingegangen zu werden braucht (sogenanntes obiter dictum; siehe StGH 2018/099, Erw. 3.1; StGH 2016/087, Erw. 4.5 [beide www.gerichtsentscheide.li]; StGH 2005/045, LES 2007, 338 [340, Erw. 2.6]; siehe auch Tobias Michael Wille, Begründungspflicht, in: Kley/Vallender [Hrsg.], Grundrechtspraxis in Liechtenstein, LPS Bd. 52, Schaan 2012, 564, Rz. 24). | | Im Übrigen verweist der Oberste Gerichtshof auch in diesem Zusammenhang auf seine Entscheidung ON 68 im Parallelverfahren zu 15 CG.2018.219 bzw. nunmehr StGH 2021/045 (siehe dort insbesondere Erw. 8.4.7.b ff.). Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es sehr wohl ungewöhnlich, wenn C seinen seit Beginn des Vertragsverhältnisses im Jahre 1999 nach § 1009 ABGB bestehenden Herausgabeanspruch ohne besonderen Hinweis und ohne Gegenleistung verlor (siehe dort auch Erw. 8.4.10). Was die von der Beschwerdeführerin angemahnten Unterschiede zum österreichischen § 864a ABGB angeht, so sind diese nicht wesentlich. Wie die Beschwerdegegnerin ausführt, wird der liechtensteinische § 864a ABGB gleich wie die österreichische Bestimmung ausgelegt, was auch den Gesetzesmaterialien entspricht (siehe BuA Nr. 98/1996, S. 22). An dieser Stelle ist allerdings wieder einmal darauf hinzuweisen, dass es eine keineswegs seltene, der Rechtssicherheit aber abträgliche gesetzesredaktionelle Unsitte ist, vom Wortlaut von Rezeptionsmaterie ohne Not abzuweichen, auch wenn dies materiell nicht angezeigt ist. |
| | 3.8 | Demnach erweisen sich die Willkürrügen als nicht berechtigt. |
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| 4. | Die Beschwerdeführerin rügt weiter eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes. | | 4.1 | Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sie und sämtliche anderen Banken in Liechtenstein über 14 Jahre lang darauf vertraut hätten, dass ihre Offenlegungen gegenüber den Kunden korrekt seien. Die Beschwerdeführerin sei jahrelang von einer Revisionsstelle auf die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln geprüft worden und die FMA habe die jährlichen Revisionsberichte begutachtet. Beanstandungen habe es diesbezüglich nie gegeben. Die Beschwerdeführerin legt ihrer Individualbeschwerde Auszüge eines Revisionsberichts vom 24. Juni 2009 bei. Sie habe bislang keine Veranlassung zu einem entsprechenden Vorbringen gehabt, weil die Verletzung des Vertrauensgrundsatzes im ordentlichen Gerichtsverfahren natürlich nie Thema gewesen sei und auch nicht habe sein können. |
| | 4.2 | Wie die Beschwerdeführerin selbst einräumt, erhebt sie diese Rüge zum ersten Mal vor dem Staatsgerichtshof. Wie schon ausgeführt, ist solches neues Vorbringen im Individualbeschwerdeverfahren unzulässig, wenn es ohne Weiteres auch schon im ordentlichen Verfahren hätte erstattet werden können. Es ist auch keineswegs so, dass nur der Staatsgerichtshof zur Behebung von Grundrechtsverletzungen zuständig wäre und die Beschwerdeführerin deshalb „bislang keine Veranlassung“ zu einem entsprechenden Vorbringen hatte, „weil die Verletzung des Vertrauensgrundsatzes im ordentlichen Gerichtsverfahren natürlich nie Thema war und auch nicht sein konnte“. Wie dem die Beschwerdegegnerin zu Recht entgegenhält, sind auch und gerade Grundrechtsverletzungen soweit möglich schon vor den ordentlichen Instanzen geltend zu machen. Vor dem Staatsgerichtshof sollen keine Grundrechtsrügen zulässig sein, hinsichtlich welcher die letzte ordentliche Instanz mangels Kenntnis oder jedenfalls mangels entsprechender Rüge keinen Anlass zum Einschreiten und zur Behebung der Grundrechtsverletzung hatte (StGH 2020/072, Erw. 1.2; StGH 2013/204, Erw. 2.2; StGH 2013/173, Erw. 2.2 [alle www.gerichtsentscheide.li]). Diese Rechtsprechung gilt auch für einzelne Begründungsteile einer Grundrechtsrüge (StGH 2021/064, Erw. 1.3 [www.gerichtsentscheide.li]). Entsprechend ist auf diese Nova nicht weiter einzugehen. |
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| 5. | Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich eine Verletzung der grundrechtlichen Begründungspflicht. | | 5.1 | Wesentlicher Zweck der Begründungspflicht gemäss Art. 43 LV ist, dass die von einer Verfügung oder Entscheidung betroffene Partei deren Stichhaltigkeit überprüfen und sich gegen eine fehlerhafte Begründung wehren kann. Allerdings wird der Umfang des grundrechtlichen Begründungsanspruchs durch die Aspekte der Angemessenheit und Verfahrensökonomie begrenzt. Ein genereller Anspruch auf ausführliche Begründung existiert nicht. Nur wenn in einem entscheidungsrelevanten Punkt eine nachvollziehbare Begründung gänzlich fehlt oder eine blosse Scheinbegründung vorliegt, ist dieses Grundrecht verletzt (StGH 2020/013, LES 2020, 190 [192, Erw. 2.1]; StGH 2018/039, Erw. 5.1; StGH 2017/197, Erw. 2.1 [alle www.gerichtsentscheide.li]; siehe auch Tobias Michael Wille, Begründungspflicht, a. a. O., 554 ff., Rz. 16). |
| | 5.2 | Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, dass der Oberste Gerichtshof keinen Grund dafür angeführt habe, warum ein Verstoss gegen die Offenlegungspflichten zur Gesetzwidrigkeit und Nichtigkeit der von ihr verwendeten Klauseln führe. Dieser Rüge liegt die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin zugrunde, dass Verstösse gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften keine direkten Auswirkungen auf die Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen hätten. Da dem aber nicht so ist (siehe Erw. 2.3), genügt es durchaus, dass der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeit der betreffenden AGB-Klauseln im Ergebnis mit deren Verstoss gegen Aufsichtsrecht begründet. |
| | 5.3 | Die Beschwerdeführerin rügt weiter eine fehlende Begründung dafür, dass eine Auslegung der innerstaatlichen Bestimmungen im Sinne der Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs E-14/20 möglich sei. Dem entgegen hat sich der Oberste Gerichtshof mit dieser Frage durchaus auseinandergesetzt. So umreisst er den Spielraum für eine richtlinienkonforme Auslegung und zeigt vor diesem Hintergrund eine richtlinienkonforme Auslegung der einschlägigen bankenrechtlichen Umsetzungsbestimmungen auf (siehe Ziff. 6.1.1 ff. des Sachverhalts sowie Erw. 2.4). |
| | 5.4 | Zur Begründungsrüge, der Oberste Gerichtshof habe sich nicht mit der Unterscheidung zwischen den Zuwendungen gemäss Anhang 7.1/Ill Abs. 1 Bst. a, b und c befasst, kann auf Erwägung 3.6 verwiesen werden, wonach diese Unterscheidung im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielt. |
| | 5.5 | Als ungenügend begründet erachtet die Beschwerdeführerin schliesslich die Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs, dass Ziff. 17 der AGB 11/2007 und 05/2010 einen nicht vorhersehbaren und nachteiligen Inhalt aufwiesen, wobei er auch noch fälschlich die österreichische, anstatt die liechtensteinische Bestimmung angewendet habe. Wie schon in Erwägung 3.7 ausgeführt, handelt es sich hierbei zunächst um eine grundrechtlich sowieso irrelevante Zusatzbegründung. Hiervon abgesehen begründet der Oberste Gerichtshof unter Verweis auf die Parallelentscheidung zu 15 CG.2018.219-68 durchaus genügend, dass der entgeltlose Verlust des Herausgabeanspruchs des Bankkunden ein wesentlicher Nachteil war, mit dem nicht gerechnet werden musste. Auf den unterschiedlichen Wortlaut zwischen dem österreichischen und dem liechtensteinischen § 864a ABGB brauchte der Oberste Gerichtshof schliesslich mangels Relevanz nicht einzugehen. |
| | 5.6 | Somit ist im Beschwerdefall auch die grundrechtliche Begründungspflicht nicht verletzt. |
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| 6. | Aufgrund all dieser Erwägungen war die Beschwerdeführerin mit keiner ihrer Grundrechtsrügen erfolgreich, sodass der vorliegenden Individualbeschwerde spruchgemäss keine Folge zu geben ist. |
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| 7. | Der Beschwerdegegnerin sind die in ihrer Gegenäusserung vom 31. Januar 2022 verzeichneten Kosten antragsgemäss zuzusprechen. | | Die der Beschwerdeführerin auferlegten Gerichtsgebühren in Höhe von CHF 2‘100.00 setzen sich gemäss dem Streitwert von CHF 20‘000.00 aus der Pauschalgebühr für das gegenständliche Individualbeschwerdeverfahren von CHF 1‘700.00 (Art. 56 Abs. 1 StGHG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Bst. b, Art. 35 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 GGG) sowie aus der Pauschalgebühr für das Provisorialverfahren von CHF 400.00 (Art. 56 Abs. 1 StGHG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Bst. b, Art. 35 Abs. 2 und Art. 30 Abs. 1 GGG) zusammen. Im Präsidialbeschluss vom 13. Januar 2022 zu StGH 2021/099 betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde die Auferlegung der Gerichtskosten des Provisorialverfahrens gemäss ständiger Praxis des Staatsgerichtshofes vom Ausgang des Hauptverfahrens abhängig gemacht. Nachdem der Individualbeschwerde keine Folge gegeben wird, sind der Beschwerdeführerin nunmehr auch diese Kosten aufzuerlegen. Diese Gerichtsgebühren im Gesamtbetrag von CHF 2‘100.00 wurden von der Beschwerdeführerin mit Valuta vom 5. bzw. 21. Januar 2022 bereits beglichen. |
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Dieses Urteil ist endgültig. Vaduz, den 28. März 2022 Der Präsident: Dr. Hilmar Hoch |