StGH 1998/37
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22.02.1999
StGH
Entscheidung
Sprüche:
Status: rechtskräftig
StGH 1998/37
Leitsatz 1
Art 2 Abs 1 lit e TrHG
Art 92 Abs 2 LV
Grundlegende, wichtige, primäre und nicht unumstrittene Bestimmungen müssen im Gesetz enthalten sein. Zur Beurteilung der Wichtigkeit eines Rechtssatzes sind dabei folgende Kriterien heranzuziehen: die Zahl der geregelten Verhaltensalternativen, die Grösse des Adressatenkreises, die Betroffenheit von Grundrechtspositionen, die Bedeutung für die Ausgestaltung des politischen Systems, die finanziellen Auswirkungen, die Akzeptanz des geltenden Rechts als Massstab und die Gewähr für die Richtigkeit der Regelung. In diesem Sinne ist die rechtliche Regelung der Zulassungsvoraussetzung für die Treuhänderprüfung von Wichtigkeit, da sie die Berufswahlfreiheit als Teil der Handels- und Gewerbefreiheit einschränkt, indem Bewerber, welche die verlangten Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Ausübung des Treuhänderberufes von vornherein ausgeschlossen sind, da sie gar nicht zur Prüfung zugelassen werden.
Der Wortlaut ist zwangsläufig der Ausgangspunkt der Auslegungstätigkeit. Dem Wortlaut von referendumspflichtigen Erlassen kommt zudem insofern ein besonderes Gewicht zu, als dieser im für die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen ersichtlichen Kontext verständlich und nachvollziehbar sein muss. Gerade in der Referendumsdemokratie darf deshalb eine für nicht am Gesetzgebungsprozess beteiligte Dritte offensichtliche Auslegung einer Norm nicht ohne weiteres unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien umgestossen werden. Unter diesem Blickwinkel erscheint es deshalb angebracht, die historische Auslegung in solchen Fällen eher zurückhaltend zu verwenden.
Vor dem Hintergrund, dass von der Regierung anerkannte rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Universitätsstudiengänge, auch wenn sie grösstenteils keine studienintegrierten Praktika vorsehen, auf jeden Fall als Voraussetzung für die Zulassung zur Treuhänderprüfung genügen, ist der Wortlaut "theoretische und praktische Grundlagen" in Art 2 Abs 2 TrHG dahingehend zu interpretieren, dass nur solche Bewerber und Bewerberinnen zur Treuhänderprüfung zugelassen werden sollen, welche über eine solide allgemeine einschlägige Ausbildung verfügen. Im Lichte dieser Präzisierung in Richtung auf fundierte allgemeine Grundlagen für die Treuhändertätigkeit bietet Art 2 Abs 2 TrHG eine doch noch genügend detaillierte gesetzliche Normierung der Voraussetzungen für die Zulassung zur Treuhänderprüfung. Der Gesetzgeber darf eine bestimmte Materie auch offen regeln, um die Anpassung an veränderte Verhältnisse zu erleichtern, wenn sie Flexibilität bezweckt. Solche Flexibilität ist vorliegend sinnvoll, da die Exekutive direkt auf neue einschlägige Ausbildungsgänge oder wesentliche Änderungen bei bestehenden Studien ohne formelle Gesetzesänderung reagieren können sol1.
Entscheidung
1.
Dem Aufhebungsantrag wird keine Folge gegeben. Art 2 Abs 1 lit e des Gesetzes vom 09.12.1992 über die Treuhänder, LGBl 1993/42, ist verfassungskonform.
2. ...
Aus dem Sachverhalt
Im Rahmen des bei ihr anhängigen Verfahrens VBI 1997/65 beschloss die VBI dieses gem Art 28 Abs 2 StGHG zu unterbrechen, um die Frage der Verfassungsmässigkeit des Art 2 Abs 1 lit e TrHG dem StGH zur Prüfung zu unterbreiten.
Es geht dabei im wesentlichen um den folgenden Sachverhalt:
Auf Grundlage einer Stellungnahme der Liechtensteinischen Wirtschaftsprüfer-Vereinigung, welche grosse Unterschiede zwischen dem vorgelegten Ausbildungsnachweis und einer Ausbildung als diplomierte(r) Buchhalter(in) mit Fachausweis in der Schweiz feststellte, entschied die Regierung, dass die Bilanzbuchhalterprüfung der Wirtschaftskammer Österreich nicht als Ausbildungs-nachweis iS von Art 2 Abs 1 TrHG anerkannt werde und bestätigte in der Folge die ablehnende Verfügung des Ressortsekretärs durch Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde.
Begründet wurde diese Entscheidung, soweit hier relevant, damit, dass Art 2 Abs 2 TrHG nicht gegen das Bestimmtheitsgebot bzw das Legalitätsprinzip verstosse. Art 2 Abs 2 TrHG setze voraus, dass die diplomausstellende Lehranstalt theoretische und praktische Grundlagen für die Ausübung des Treuhänderberufs vermittle, womit die Bestimmtheit der Norm für die Anerkennung von Diplomen ausreichend gegeben sei. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich auch, welche Ausbildungsnachweise als Grundlage für die Anerkennung durch die Regierung dienen könnten. Danach sollten jene Diplome die Anerkennung erhalten, die aufgrund einer höheren Fachprüfung für Buchhalter bzw Bücherexperten ausgestellt würden. Daraus ergebe sich, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung eines vorgelegten Ausbildungsnachweises in Art 2 TrHG ersichtlich seien.
Gegen diese Regierungsentscheidung erhob die Bf Beschwerde an die VBI und beantragte dieser ua, das Verfahren zu unterbrechen und die Angelegenheit zur Prüfung der Verfassungsmässigkeit von Art 2 TrHG dem StGH zu unterbreiten.
In der Begründung führte die Bf ua aus, dass für die Annahme, dass als Referenzgrösse für die Anerkennung ausländischer Diplome die entsprechende schweizerische Ausbildung herangezogen werden könne, jegliche Grundlage fehle.
Die Formulierung "ein von der Regierung anerkanntes Diplom" sei andernorts bereits vom StGH für verfassungswidrig erklärt worden. Die Regierung habe bezüglich der Anerkennung ausländischer Diplome von der ihr in Art 66 TrHG eingeräumten Möglichkeit, die zur Durchführung des Gesetzes notwendigen VO zu erlassen, keinen Gebrauch gemacht. Eine Abweichung der jetzigen Rechtslage von derjenigen zum Zeitpunkt der beiden E des StGH ergebe sich nur aus Art 2 Abs 2 TrHG, welcher vorsehe, dass die Regierung ein Diplom lediglich dann anerkenne, wenn die Lehranstalt, die das Diplom ausstelle, theoretische und praktische Grundlagen für die Ausübung des Treuhänderberufes vermittle. Das Gesetz enthalte nach wie vor keine objektiven Momente zur Umschreibung des Begriffes, was ein "von der Regierung anerkanntes Diplom für Buchhalter" sei. Der Begriff sei nicht messbar. Es handle sich um einen derart unbestimmten Gesetzesbegriff, dass der Inhalt weder vom Gesuchsteller noch von einer oberen Behörde geprüft werden könne. Dies widerspreche dem in Art 92 Abs 2 LV verankerten Legalitätsprinzip. Die Regierung hätte aufgrund der ihr in Art 42 eingeräumten Möglichkeit im Verordnungswege, also mit normativer Kraft, zu bestimmen gehabt, welche Ausbildungswege für die einzelnen Berufsgruppen des Gesetzes gefordert werden, wobei ein Gesuchsteller den materiellen Gehalt, die Dauer und die Art der Ausbildungsstätte ersehen können müsse.
Aus den von der Regierung zitierten Materialien sowie dem Prüfungsreglement für Treuhänder könne der von der Verfassung geforderte Mindestinhalt von Art 2 TrHG nicht entnommen werden. Schon zum Zeitpunkt der E des StGH sowie der Aufhebung der verfassungswidrigen gesetzlichen Formulierungen hätten die von der Regierung angeführten Materialien bereits vorgelegen und sei das Prüfungsreglement für Treuhänder bereits in Kraft gestanden. Trotzdem habe der StGH die Verfassungswidrigkeit der kritisierten Gesetzesbestimmungen erneut festgestellt.
Aus der neutralen Formulierung von Art 2 TrHG müsse gefolgert werden, dass sich der Gesetzgeber bezüglich der Anerkennung ausländischer Diplome nicht generell am eidgenössischen Fachausweis oder eidgenössischen Diplom für Buchhalter habe orientieren wollen.
Die VBI wiederholte bei der Begründung des Antrags, die Frage der Verfassungsmässigkeit von Art 2 Abs 1 lit e TrHG dem StGH zur Prüfung zu unterbreiten, im wesentlichen die oben erwähnten Argumente und Schlussfolgerungen der Bf und führte darüber hinaus präzisierend an wie folgt:
Die in Art 2 Abs 2 TrHG enthaltene Formulierung "ein von der Regierung anerkanntes Diplom für Buchhalter" verstosse mangels genügender Bestimmtheit gegen den Grundsatz der Bestimmtheit eines Gesetzes gem Art 92 Abs 2 LV (Legalitätsprinzip) und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Es könne nirgendwo abgeleitet werden, was ein "von der Regierung anerkanntes Diplom für Buchhalter" sei. Der Begriff sei nicht messbar. Das der Regierung eingeräumte Ermessen werde durch keine objektiven Kriterien eingeschränkt und sei durch keine weiteren Normen genauer umschrieben. Es liege im freien Ermessen der Regierung, welche Diplome sie anerkenne oder nicht anerkenne.
Der Gesuchsteller sei hier der Gefahr von Willkür ausgesetzt, da das Ermessen der Regierung durch keinerlei Norm umschrieben sei und auch durch eine Oberbehörde nicht überprüft werden könne. Das Gesetz müsse so präzise formuliert sein, "dass der Bürger sein Verhalten danach einrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann" (BGE 109 Ia 273, 283). Diesen von der schweizerischen Rechtsprechung und auch vom StGH geforderten Mindestinhalt erbringe aber Art 2 Abs 1 lit e TrHG nicht, weshalb diese Bestimmung gegen Art 92 Abs 2 LV verstosse.
Auch die EMRK-Organe stellten ähnliche Anforderungen an die gesetzliche Grundlage zur Einschränkung von Konventionsrechten: Das Recht müsse ausreichend zugänglich sein und der Bürger solle in hinreichender Weise erkennen können, welche rechtlichen Vorschriften auf einen gegebenen Fall anwendbar seien.
Entscheidungsgründe
...
2.
Die VBI vertritt ebenso wie die Bf den Standpunkt, dass der Wortlaut von Art 2 Abs 1 lit e TrHG idF LGBl 1993/42 ("ein von der Regierung anerkanntes Diplom für Buchhalter") nach der Rechtsprechung des StGH zu unbestimmt und somit verfassungswidrig sei.
2.1
Der StGH hat sich schon zweimal mit den gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Treuhändertätigkeit bzw für die Zulassung zur Treuhänderprüfung zu befassen gehabt. In beiden Fällen hat er die Formulierung, dass entsprechende Diplome "von der Regierung anerkannt" sein müssten, als in verfassungswidriger Weise unbestimmt qualifiziert. Während im ersten Fall aus verfahrensrechtlichen Erwägungen nur der entsprechende Wortlaut in Art 1 lit a der VO LGBl 1979/12 aufgehoben wurde (StGH 1979/6, LES 1980/81, 114), hob der StGH ein Jahr später auch verschiedene Formulierungen mit eben diesem Wortlaut in Art 30 Abs 1 und 3 RAG idF LGBl 1979/44 als verfassungswidrig auf (StGH 1981/5, LES 1982, 57).
2.2
Gemäss Art 92 Abs 2 bzw 78 LV hat sich die ganze Landesverwaltung innerhalb der Schranken der Verfassung und der Gesetze zu bewegen. Nach der Rechtsprechung des StGH darf der Gesetzgeber zwar Regelungskompetenzen an den Verordnungsgeber delegieren, doch müssen grundlegende, wichtige, primäre und nicht unumstrittene Bestimmungen im Gesetz enthalten sein (StGH 1977/10, LES 1981, 56 [57]). Zur Beurteilung der Wichtigkeit eines Rechtssatzes sind dabei folgende Kriterien heranzuziehen: die Zahl der geregelten Verhaltensalternativen, die Grösse des Adressatenkreises, die Betroffenheit von Grundrechtspositionen, die Bedeutung für die Ausgestaltung des politischen Systems, die finanziellen Auswirkungen, die Akzeptanz des geltenden Rechts als Massstab und die Gewähr für die Richtigkeit der Regelung (StGH 1991/7, S 7 f [unveröffentlicht]; vgl hierzu Andreas Schurti, Das Verordnungsrecht der Regierung; Finanzbeschlüsse, in: Gerard Batliner [Hrsg.], Die liechtensteinische Verfassung 1921, LPS Bd 21, Vaduz 1994, S 255 f).
2.3
Im vorliegenden Fall geht es um die rechtliche Regelung der Zulassungsvoraussetzungen für die Treuhänderprüfung. Es handelt sich also klarerweise um die Beschränkung eines Grundrechts, nämlich der Berufswahlfreiheit, welche vom StGH als Teil der Handels- und Gewerbefreiheit anerkannt wird (StGH 1977/14; siehe hierzu: Heinz Josef Stotter, Die Verfassung des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz 1986, S 81 E 18; ausführlich hierzu nunmehr auch Kuno Frick, Die Gewährleistung der Handels- und Gewerbefreiheit nach Art 36 der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein, Freiburg/Schweiz 1998, S 129 ff). Dieser Regelungsbereich ist folglich iS der erwähnten StGH-Rechtsprechung von Wichtigkeit, da Bewerber, welche die verlangten Voraussetzungen nicht erfüllen, von der Ausübung des Treuhänderberufes von vornherein ausgeschlossen sind, da sie gar nicht zur Prüfung zugelassen werden (vgl hierzu StGH 1996/1+2, LES 1998, 123 [125 Erw 3.2]).
Der StGH hat in den beiden erwähnten Staatsgerichtshofentscheidungen 1979/6 und 1981/5 klargestellt, dass es nicht genügt, die Kompetenz zur Festlegung der Zulassungsvoraussetzungen für den Treuhänderberuf bzw die Treuhänderprüfung faktisch ohne nähere inhaltliche Konkretisierung an die Regierung zu delegieren, indem im Gesetz einfach ein von der Regierung anerkanntes Diplom für Treuhänder, Wirtschaftsprüfer, Buchhalter, Steuerexperten oder Bankfachleute verlangt wird. Diese vom StGH als verfassungswidrig erachtete Formulierung wurde nun zwar in Art 2 Abs 1 lit a-g des Gesetzes vom 09.12.1992 über die Treuhänder (LGBl 1993/42; TrHG) jeweils wieder übernommen. Die Regierung erachtet diesen Gesetzeswortlaut jedoch trotzdem als verfassungskonform, weil sich dessen Regelungsgehalt aufgrund von Abs 2 dieser Bestimmung näher konkretisieren lasse. Den Materialien, konkret dem Bericht und Antrag zum Treuhändergesetz, sei zudem zu entnehmen, dass betreffend das Diplom einer von der Regierung anerkannten Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule jene dreijährigen Ganztagesschulen in Betracht fielen, die in der Schweiz in verschiedenen Städten unter der Bezeichnung HWV geführt würden. Weiters sollten als anerkannte Diplome für Bücherexperten bzw Buchhalter jene gelten, die aufgrund einer höheren Fachprüfung für Buchhalter (durchgeführt vom Schweizerischen Kaufmännischen Verein) bzw für Buchexperten (durchgeführt von der Schweizerischen Treuhand- und Revisionskammer) ausgestellt würden.
2.4
Der Regierung ist zwar im Grundsatz darin zuzustimmen, dass zur Auslegung einer Norm häufig nicht allein auf den Wortlaut abgestellt werden kann. Sogar die Frage, oh der Wortlaut einer Rechtsnorm klar ist, lässt sich letztlich nur im Kontext und unter Berücksichtigung weiterer allenfalls relevanter Auslegungsmethoden beurteilen. Die sprachlich-logische (grammatikalische) Auslegung hat insoweit auch keinen absoluten Vorrang vor den anderen Auslegungsmethoden (StGH 1997/35, Erw 3.1 mit Literaturnachweisen). Nichtsdestoweniger ist der Wortlaut zwangsläufig der Ausgangspunkt der Auslegungstätigkeit (vgl Georges Baur, Normenvielfalt bei der richterlichen Rechtsfindung im liechtensteinischen Privatrecht?, LJZ 1998, 12 [17]). Dem Wortlaut von referendumspflichtigen Erlassen kommt zudem insofern ein besonderes Gewicht zu, als dieser im für die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen ersichtlichen Kontext verständlich und nachvollziehbar sein muss. Gerade in der Referendumsdemokratie darf deshalb eine für nicht am Gesetzgebungsprozess beteiligte Dritte offensichtliche Auslegung einer Norm nicht ohne weiteres unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien umgestossen werden. Unter diesem Blickwinkel erscheint es deshalb angebracht, die historische Auslegung in solchen Fällen eher zurückhaltend zu verwenden (s StGH 1997/42, Erw 2.3 und StGH 1996/29, LES 1998, 13 [17]).
2.5
Die VBI und die Bf machen im übrigen zu recht geltend, dass diese Materialien im Zeitpunkt der schon mehrfach erwähnten zweiten einschlägigen StGH-E 1981/5 schon bestanden haben und vom StGH auch damals nicht zur Konkretisierung der von ihm zu prüfenden Gesetzesbestimmungen herangezogen wurden.
Neu gegenüber den Entscheidungsgrundlagen von StGH 1981/5 ist hingegen die vom Gesetzgeber vorgenommene Präzisierung hinsichtlich der von der Regierung anzuerkennenden Diplome in Art 2 Abs 2 TrHG. Die VBI vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass diese Bestimmung das freie Ermessen der Regierung hinsichtlich der von ihr anerkannten Diplome nicht einschränke. Sie begründet dies damit, dass die praktische Betätigung gem Art 3 TrHG bereits aufgrund von Art 30 RAG idF LGBl 1968/33 erforderlich gewesen sei. Dem ist nicht beizupflichten. Zunächst ist das Erfordernis der praktischen Betätigung gem Art 3 TrHG offensichtlich nicht dasselbe wie die theoretischen und praktischen Grundlagen für die Ausübung des Treuhänderberufes gem Art 2 Abs 2 TrHG. Diese Bestimmung betrifft allein die Ausbildung, während Art 3 die von der Ausbildung unabhängige praktische Betätigung in einem für die Treuhandtätigkeit relevanten Bereich zum Gegenstand hat. Allerdings fragt es sich, was konkret unter "praktischen Grundlagen für die Ausübung des Treuhänderberufs" gem Art 2 Abs 2 TrHG zu verstehen ist. Offensichtlich können darunter nicht ausbildungsbegleitende Praktika verstanden werden, da ein Grossteil der von der Regierung anerkannten rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Universitätsstudien gem Art 2 Abs 1 lit a TrHG keine studienintegrierten Praktika vorsehen. Indessen hat bei der Erlassung des neuen Treuhändergesetzes gerade daran nie ein Zweifel bestanden, dass solche Hochschulstudiengänge auf jeden Fall als Voraussetzung für die Zulassung zur Treuhänderprüfung genügen. Vor diesem Hintergrund ist der Wortlaut "theoretische und praktische Grundlagen" in Art 2 Abs 2 TrHG dahingehend zu interpretieren, dass nur solche Bewerber und Bewerberinnen zur Treuhänderprüfung zugelassen werden sollen, welche über eine solide allgemeine einschlägige Ausbildung verfügen. Es versteht sich auch von selbst, dass es dabei nicht um spezifische Kenntnisse des liechtensteinischen Treuhandwesens geht, zumal diese Kenntnisse ja gerade durch den Treuhänderkurs erworben bzw durch die Absolvierung der Treuhänderprüfung unter Beweis gestellt werden sollen.
2.6
Im Lichte dieser Präzisierung in Richtung auf fundierte allgemeine Grundlagen für die Treuhändertätigkeit bietet Art 2 Abs 2 TrHG iS der Rechtsprechung des StGH eine doch noch genügend detaillierte gesetzliche Normierung der Voraussetzungen für die Zulassung zur Treuhänderprüfung. Nach der Rechtsprechung des StGH darf der Gesetzgeber eine bestimmte Materie sehr wohl auch offen regeln, um die Anpassung an veränderte Verhältnisse zu erleichtern, wenn sie also Flexibilität bezweckt (StGH 1996/15, LES 1997, 89 [93 Erw 3] mit Verweis auf StGH 1991/7, S 7). Solche Flexibilität ist naheliegenderweise auch im vorliegenden Fall sinnvoll, da die Exekutive direkt auf neue einschlägige Ausbildungsgänge oder wesentliche Änderungen bei bestehenden Studien ohne formelle Gesetzesänderung reagieren können sol1.
Insgesamt erscheint die bestehende gesetzliche Grundlage für die Voraussetzungen für die Zulassung zur Treuhänderprüfung gem Art 2 TrHG iS der StGH-Rechtsprechung genügend konkret und somit verfassungskonform. Dem Antrag der VBI auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Aufhebung von Art 2 Abs 1 lit e TrHG ist deshalb keine Folge zu geben.
2.7
Indessen erscheint es angebracht, dass der StGH bei dieser Gelegenheit noch einige grundsätzliche Ausführungen zur verfassungskonformen Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgabe durch die Regierung macht.
Aufgrund der bisherigen Erwägungen erscheint es zunächst offensichtlich, dass an die Voraussetzungen für die Zulassung zur Treuhänderprüfung im Lichte von Art 2 TrHG zwar hohe, aber nicht geradezu prohibitive Anforderungen gestellt werden dürfen. Denn es geht eben nur um die Frage der Zulassung zu einer Prüfung, in welcher dann die Kandidaten und Kandidatinnen den Nachweis für die Befähigung zur Ausübung des Treuhänderberufes erst noch zu erbringen haben. Bezogen auf den Beschwerdefall erscheint es von vornherein nicht leicht mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen, dass überhaupt keine österreichischen, sehr wohl aber mehrere schweizerische nichtuniversitäre Studiengänge von der Regierung als Zulassungsvoraussetzungen für die Treuhänderprüfung anerkannt werden. Das Gesetz enthält jedenfalls keine solche Spezifizierung. Auch im Lichte der liechtensteinischen EWR-Mitgliedschaft erscheint eine derartige Zurücksetzung von Abschlüssen eines anderen EWR-Staates gegenüber denjenigen eines Nicht-EWR-Staates nicht unproblematisch. Hiervon abgesehen erscheint eine solche Regelung jedenfalls nur dann gerechtfertigt, wenn sämtliche österreichischen nichtuniversitären Ausbildungsgänge gegenüber den von der Regierung anerkannten schweizerischen Studien beträchtlich abfallen und offensichtlich nicht die vom Gesetz letztlich verlangte solide allgemeine einschlägige Ausbildung gewährleisten könnten.
Ein weiteres Problem stellt sich aus verfassungsrechtlicher Sicht dadurch, dass die Regierung die vom Gesetzgeber an sie delegierte Regelungskompetenz nicht in Form einer VO konkretisiert hat. Dass das Prüfungsreglement für die Treuhänderprüfung Art 2 TrHG nicht konkretisiert, weil es eben nicht die Voraussetzungen für die Prüfungszulassung, sondern den Inhalt der Prüfung selber regelt, ist derart offensichtlich, dass nicht weiter darauf eingegangen zu werden braucht. Im übrigen hat ein solches Prüfungsreglement auch schon im Zeitpunkt der StGH-E 1981/5 bestanden. Das Fehlen einer generell-abstrakten Regelung der von der Regierung zur Zulassung zur Treuhänderprüfung anerkannten Diplome erscheint gerade deshalb problematisch, weil es hier um einen Eingriff in eine wichtige, von der Handels- und Gewerbefreiheit geschützte Grundrechtsposition geht. Die Schaffung einer detaillierten materiellen gesetzlichen Grundlage für diesen Grundrechtseingriff in Form einer einschlägigen VO erscheint dem StGH im Lichte der gerade auch im Wirtschaftsleben wichtigen Grundsätze der Rechtssicherheit und der gleichmässigen Gesetzesanwendung vordringlich (vgl Andreas Kley, Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts, LPS Bd 23, Vaduz 1998, S 189 mit Verweis auf die VBI-E 1979/11, LES 1982, 129; siehe auch Kuno Frick, aaO, S 231).