VGH 2023/011 Der Verwaltungsgerichtshof des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz, hat durch die Richter | lic.iur. Andreas Batliner, Präsident | | lic.iur. Marion Seeger | | lic.iur. Adrian Rufener | | Dr.iur. Esther Schneider | | lic.iur. Daniel Tschikof |
in der Beschwerdesache des gegen | Entscheidung der Regierung vom 10. Januar 2023 zu LNR 2022-283 BNR 2023/10 AP 244.1 |
in der nicht-öffentlichen Sitzung vom 03. März 2023 entschieden: 1. | Der Beschwerde vom 30. Januar 2023 gegen die Entscheidung der Regierung vom 10. Januar 2023 zu LNR 2022-283 BNR 2023/10 AP 244.1 wird insoweit stattgegeben, als die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Verwaltungssache an das Ausländer- und Passamt zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen wird. |
2. | Der Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Januar 2023 auf Gewährung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang wird abgewiesen. |
3. | Die Kosten des Verfahrens verbleiben beim Land. |
TATBESTAND | 1. | Der Beschwerdeführer, laut eigenen Angaben geboren am *** 1993, Staatsangehörigkeit Sudan, reiste am 30. Dezember 2021 in Liechtenstein ein und stellte bei der Landespolizei ein Asylgesuch. |
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| 2. | Der Beschwerdeführer legte dem Ausländer- und Passamt (APA) in der Einreisebefragung am 07. Januar 2022 zum Nachweis seiner Identität keinerlei Papiere vor. Er gab an, seine Papiere in Libyen in der Wüste verloren zu haben, als er nach Europa gekommen sei. Einen gültigen Aufenthaltstitel im Schengen-Raum besitze er nicht. Er habe auch nie ein Visum beantragt. Nach Europa sei er illegal über das Meer eingereist. Er sei in *** (Sudan) geboren, ledig und sudanesischer Staatsangehöriger. Er habe vier Brüder und drei Schwestern, die alle im Sudan lebten. Sein Heimatland Sudan habe er Ende Juni 2021 verlassen und sei dann über Libyen, Italien, Frankreich und die Schweiz nach Liechtenstein gereist. | | Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer in der Einreisebefragung an, dass er in der Opposition gegen die Militärregierung sei. Als Arzt habe er die Personen, die von der Polizei bei einer Demonstration verletzt worden seien, behandeln müssen und sei dann gezwungen worden, ein gefälschtes Protokoll zu verfassen. Ihm sei von der Polizei damit gedroht worden, dass er getötet werde, wenn er dies nicht mache. Es sei dort gefährlich für ihn. Seine Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes seien eine Vielzahl von Gründen. Es gebe immer schlechte Situationen und keine Sicherheit. Auch in den Familien werde man bedroht. Die Sudanesen aus Süd-Darfur würden die restlichen Sudanesen bedrohen. |
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| 3. | In der Asylbefragung am 25. Januar 2022 gab der Beschwerdeführer vor dem APA an, er habe den Sudan Ende Juli 2021 verlassen. Im Sudan habe er einen älteren Bruder, der verheiratet sei, und drei Brüder, die nicht verheiratet seien und bei der Familie lebten. Weiter habe er zwei verheiratete Schwestern und eine Schwester, die studiere. Sein Vater sei Arzt, seine Mutter Hausfrau. Er selbst sei von 2014 bis Juni 2021 in Ryazan, Russland, gewesen, habe dort Medizin studiert und spreche auch Russisch. Ab dem 02. Juli 2021 habe er bei seinem Vater im Krankenhaus als Arzt gearbeitet. Er habe dort bis zum 26. Juli 2021 gearbeitet, danach sei er verfolgt worden. Wegen des Stammeskrieges im Jahr 2013 habe er keine Geburtsurkunde. Damals habe ein feindlicher Stamm ihre Gegend überfallen und sämtliche Dokumente vernichtet. Nach diesem Vorfall habe er sowohl eine nationale Nummer als auch eine Alterseinschätzungsurkunde bekommen. Seinen Reisepass habe er auf der Flucht verloren. | | Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er im Sudan mit dem Widerstand in Süd-Darfur gearbeitet habe. Sein Studium habe er kürzlich abgeschlossen und in einem Spital gearbeitet, in welches die Verwundeten und Getöteten von den Demonstrationen gebracht worden seien. Die Sicherheitskräfte hätten sich jeweils in ihre Arbeit eingemischt und die Berichte über die Todesursache einiger Demonstranten manipuliert. Diese Manipulationsversuche hätten sie abgelehnt. Daraufhin sei er von den Sicherheitskräften festgenommen und zu einem Ort gebracht worden, wo andere Demonstranten festgehalten worden seien. Er sei acht Tage lang gefoltert und mit Peitschen geschlagen worden, dann habe man ihn aufgrund einer Bürgschaft seines Stammes freigelassen. Er sei nach Hause gegangen und später sei in der Familie über seine Situation gesprochen worden. Er habe das Gefängnis am 12. Juli 2021 verlassen und am 14. Juli 2021 seien die Demonstrationen wieder losgegangen. Die Demonstranten hätten unter anderem allgemeine Freiheiten, den Stopp der Bürgerkriege im Land und gerichtliche Verfolgung der Sicherheitskräfte, die an der Ermordung von Demonstranten beteiligt waren, gefordert. Er sei Mitglied des Widerstandes. Am 14. Juli 2021 habe eine Demonstration stattgefunden, bei der ein Demonstrant getötet worden sei. Die Sicherheitskräfte hätten ihn dazu zwingen wollen, die Todesursache im Bericht zu fälschen. Er habe dies abgelehnt und sei am 15. Juli 2021 erneut festgenommen worden. Ein anderer Arzt und eine Krankenschwester seien ebenfalls festgenommen worden. Er sei bis zum 24. Juli 2021 inhaftiert gewesen und gegen Kaution freigekommen. Am 26. Juli 2021 habe erneut eine Demonstration stattgefunden. An diesem Tag habe er von der Familie erfahren, dass das Regime vorhabe, ihn zu töten. Die Familie habe dies von anderen Personen erfahren und habe ihm davon abgeraten, an diesem Tag zur Arbeit zu gehen. Seine Familie habe bereits ein Mitglied bei Stammesauseinandersetzungen verloren. | | Als zweiten Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer Probleme zwischen seinem und einem anderen Stamm an. Sein ursprünglicher Wohnort heisse Ketila. Seine Familie und er hätten diesen Ort im Mai 2013 verlassen müssen, nachdem ihre Gegend von den benachbarten Stämmen Beni Halba und AI Rezigat (welches halbarabische Stämme seien) angegriffen und zerstört worden sei. Bei dem Überfall der beiden Stämme seien sämtliche Dokumente, wie er bereits erwähnt habe, verbrannt worden. Der Streit mit diesen zwei Stämmen dauere bis heute und diese würden von der Regierung unterstützt. Nachdem er 2014 die Abiturprüfung bestanden habe, habe ihm sein Vater empfohlen, das Land zu verlassen und im Ausland zu studieren. In ***, welches etwas grösser als Ketila sei, habe er die Reisedokumente organisiert, weil es dort die Möglichkeit gebe, diese zu beantragen, wie einen Reisepass oder Alterseinschätzungsurkunden. Sein Reisepass sei bis 2018 gültig gewesen. Danach habe er den Pass verlängern lassen. Für Russland habe er ein Studentenvisum beantragt. | | In der Folge legte der Beschwerdeführer Zeugnisse seines Medizinstudiums in Russland und eine Zivilstandsbescheinigung vor. |
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| 4. | Mit Entscheidung vom 10. Januar 2023 zu LNR 2022-283 BNR 2023/10 AP 244.1 hielt die Regierung fest, dass die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht erfüllt sei und das Asylgesuch abgewiesen werde (Ziff. 1). Der Beschwerdeführer werde in den Sudan weggewiesen und habe das Fürstentum Liechtenstein binnen vierzehn Tagen nach Eintritt der Rechtskraft dieses Entscheids zu verlassen (Ziff. 2). Im Unterlassungsfall bleibe die Anordung angemessener Zwangsmassnahmen vorbehalten (Ziff. 3). Der Beschwerdeführer sei schuldig, die Entscheidungsgebühr von CHF 100.00 binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieser Entscheidung zu bezahlen (Ziff. 4). | | Die Regierung stützte ihre Entscheidung auf folgende Feststellungen (s. Regierungsentscheidung, Entscheidungsgründe Ziff. 2): | | "2.1 Der Gesuchsteller ist Staatsangehöriger des Sudan, wurde am *** 1993 ebendort in *** geboren, ist ledig, hat vier Brüder und drei Schwestern, die alle im Sudan wohnen. Sein Vater arbeitet als Arzt. Er hat mit hoher Wahrscheinlichkeit in Russland Medizin studiert und ist Allgemeinarzt. Letztlich ist die abschliessende Klärung dieser Frage jedoch nicht entscheidungsrelevant. Nach seiner Rückkehr in den Sudan hat der Gesuchsteller zumindest für einige Wochen als Arzt gearbeitet. In dieser Zeit versuchte er bereits den Sudan legal nach Saudi-Arabien zum Arbeiten zu verlassen, was ihm aber nicht gelungen ist. | | 2.2 Ein Engagement des Beschwerdeführers bei der Organisation von Demonstrationen oder im Widerstand gegen die Regierung konnte nicht festgestellt werden. Lediglich die Teilnahme an einer einzigen Demonstration am 14. Juli 2022 [richtig: 2021] in *** konnte festgestellt werden. Ebenso konnte eine asylrelevante Verfolgung aufgrund der Weigerung des Beschwerdeführers, Totenscheine durch die Angabe einer unzutreffenden, von den Sicherheitskräften gewünschten Todesursache zu fälschen, nicht festgestellt werden. | | 2.3 Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund von Stammeskonflikten im Sudan konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Insgesamt konnte eine asylrelevante Bedrohung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland Sudan vor seiner Ausreise nicht festgestellt werden." | | Dies stützte die Regierung auf eine umfassende Beweiswürdigung, die zum Ergebnis kam, dass die Identität des Beschwerdeführers mangels der Vorlage von Identitätsdokumenten zwar nicht feststehe, seine Angaben und Dokumente zu seinem Arztstudium jedoch verifizierbar seien, weshalb davon ausgegangen werde, dass dies der Wahrheit entspreche. Gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spreche, dass dieser nicht in anderen EU-Ländern wie Italien oder Frankreich bereits um Schutz angesucht habe. Auch weitere Gründe sprächen gegen die Glaubwürdigkeit des Fluchtvortrages, dies abgesehen von der Tatsache, dass häufig auch auf Nachfrage aufgrund ungenauer und ausweichender Antworten des Beschwerdeführers eine zufriedenstellende Klärung des Sachverhaltes äusserst schwierig gewesen sei. Trotz widersprüchlicher Angaben zum Ausreisedatum in den beiden Befragungen werde von einer Ausreise aus dem Sudan am 27. Juli 2021 ausgegangen. Der Beschwerdeführer trage vor, dass er seit 2018, damals von Russland aus, im Widerstand gegen die sudanesische Regierung gewesen sein wolle. Da es laut nachfolgendem Länderbericht am 25. Oktober 2021 zu einem Militärputsch und zuvor im September zu einem Putschversuch gekommen sei, stelle sich die Frage, ob das Regime, gegen das er von Russland aus im Widerstand gewesen sein wolle, aktuell überhaupt noch an der Macht sei und damit auch diejenigen Stämme noch bei den Sicherheitskräften seien, die für seinen zweiten Verfolgungsgrund mitverantwortlich sein sollten. | | Hinzu komme, dass laut Länderbericht vor zweieinhalb Jahren, also etwa im März 2019, eine Revolution stattgefunden habe, als Diktator Omar al-Baschir abgesetzt worden sei und der Übergang zur Demokratie angestossen werden sollte. Hier frage sich, gegen welches Regime und warum überhaupt sich der Beschwerdeführer im Juli 2021 einen Monat lang im Sudan bzw. seit 2018 von Russland aus im Widerstand überhaupt engagiert haben wolle. Vom Beschwerdeführer kämen hierzu jedoch keinerlei konkrete Äusserungen. Allerdings habe er in der Einreisebefragung angegeben, dass er im Widerstand gegen die Militärregierung gewesen sei, was jedoch so nicht zutreffend sein könne, denn diese Militärregierung habe es nach den Erkenntnissen aus dem Länderbericht erst nach bzw. mit dem Militärputsch am 25. Oktober 2021 gegeben, der somit aber erst nach der Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland stattgefunden habe. Seine Ausführungen schienen sich nach den Informationen aus dem Länderbericht eher auf die aktuelle, heutige Situation im Sudan zu beziehen, aber wenig auf die Situation vor der Ausreise. Der Gesamtvortrag des Beschwerdeführers sei wenig detailliert und wirke pauschal und oberflächlich, wie nicht selbst erlebt, weshalb massive Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Fluchtvortrages des Beschwerdeführers bestünden. Seine Erklärungen seien nicht plausibel und darüber hinaus auch widersprüchlich und in der Gesamtschau schlicht lebensfremd. Aber auch in zeitlicher und anderer Hinsicht seien seine Angaben widersprüchlich und darüber hinaus auch wenig plausibel. Hingewiesen werde darauf, dass es sich hier um den wesentlichen Fluchtgrund handle, weswegen genauere und widerspruchsfreie Angaben eigentlich zu erwarten wären. | | Demnach sei zusammenfassend festzustellen, dass der Beschwerdeführer lediglich am 14. Juli 2021 an einer einzigen Demonstration für 15 Minuten teilgenommen habe. In der Gesamtschau unter Abwägung des Gesamtvortrags könne deshalb eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, weswegen keine Flüchtlingseigenschaft festgestellt werden könne. | | Der Vollzug der Wegweisung sei nach aktueller Auskunft des Schweizer Staatssekretariats möglich. | | Die Feststellungen im Länderbericht reichten nicht aus, um den gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie des UN Anti-Folterausschusses erforderlichen Nachweis einer zumindest hinreichend konkreten Gefahr ("real risk") zu erbringen oder zumindest glaubhaft zu machen, dass dem jungen, gesunden, gut ausgebildeten und bereits im Sudan erwerbstätig gewesenen Beschwerdeführer im Falle einer Wegweisung in den Sudan eine Gefahr für sein Leben, Folter oder unmenschliche Behandlung drohe (mit Verweis auf EGMR vom 28. Februar 2008, Saadi gegen Italien, Grosse Kammer, Nr. 37201/06, §§ 124-127 mwH). Damit sei der Vollzug einer Wegweisung in den Sudan auch zulässig. | | Zwar sei die Lage im Sudan nicht unproblematisch, jedoch herrschten derzeit weder Krieg noch Bürgerkrieg. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers wohnten im Sudan, der Beschwerdeführer habe Kontakt zu diesen und es sei nicht vorgetragen worden, dass diese dort über das ortsübliche Mass hinaus Gefahren oder Gewalt ausgesetzt wären. Der Beschwerdeführer sei im Sudan aufgewachsen und habe das Land erst vor wenigen Jahren für sein Studium in Russland verlassen. Er befinde sich im besten Schaffensalter, sei volljährig, als Arzt gut ausgebildet und für seinen wirtschaftlichen Erfolg selbst verantwortlich. In eine wirtschaftliche Notlage würde er im Falle einer Wegweisung in den Sudan jedenfalls nicht automatisch geraten. Wie sich aus dem obigen Länderbericht ergebe, sei die Situation im Sudan zumindest aktuell zwar instabil, jedoch für den jungen und arbeitsfähigen Beschwerdeführer nicht unzumutbar. Schliesslich sei er im Wissen um die Lage im Sudan Ende Juni 2021 aus Russland dorthin zurückgekehrt, statt sich beispielsweise umgehend von Russland aus um eine Arbeitserlaubnis und ein Visum für Saudi-Arabien zu bemühen, wie er dies ohnehin nach seinen Angaben vorgehabt habe. Damit sei der Vollzug der Wegweisung dem Beschwerdeführer auch zumutbar. |
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| 5. | Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 16. Januar 2023 mittels eines Dolmetschers durch das APA eröffnet. |
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| 6. | Mit im Zuge der kostenlosen Rechtsberatung verfasstem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 30. Januar 2023 (entspricht dem Datum der Postaufgabe) erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Entscheidung der Regierung vom 10. Januar 2023 an den Verwaltungsgerichtshof. | | Darin focht er die Entscheidung zur Gänze an und machte als Beschwerdegründe insbesondere diejenigen des Art. 90 Abs. 6 LVG geltend. Der Beschwerdeführer stellte die Anträge, der Verwaltungsgerichtshof möge der gegenständlichen Beschwerde Folge geben und die angefochtene Entscheidung dahingehend abändern, dass die Entscheidung der Regierung ersatzlos aufgehoben und dem Beschwerdeführer Asyl gewährt werde; in eventu möge der Verwaltungsgerichtshof die angefochtene Entscheidung aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung unter Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes an die Regierung zurückverweisen. Seiner Beschwerde legte der Beschwerdeführer diverse Beweismittel, wie ein Schreiben des sudanischen Anwaltes vom 28. Juli 2021, ein Zeugnis des Widerstandskomitees der Stadt *** vom 20. August 2022, ein Zeugnis des Darfur Forum For Social Peace, einen Arbeitsschein des Krankenhauses, einen USB-Stick mit Beweisfotos und -videos und Artikel des Auswärtigen Amtes Deutschlands sowie der Schweiz, bei. | | Mit der Beschwerde stellte der Beschwerdeführer auch einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang. |
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| 7. | Der Verwaltungsgerichtshof zog die den Beschwerdeführer betreffenden Akten des APA und der Regierung dem Verfahren bei, erörterte in seiner nicht-öffentlichen Sitzung vom 03. März 2023 die Sach- und Rechtslage und entschied wie aus dem Spruch ersichtlich. |
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE | 1. | Der Beschwerdeführer stellte am 30. Dezember 2021 in Liechtenstein ein Asylgesuch. Somit ist das Asylgesetz (AsylG) vom 14. Dezember 2011, LGBl. 2012 Nr. 29 idF LGBl. 2022 Nr. 221, anwendbar. | | Gemäss Art. 76 Abs. 1 AsylG kann gegen Entscheidungen der Regierung oder des zuständigen Regierungsmitglieds binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht werden. Ein Antrag auf Verfahrenshilfe kann nach Art. 83 Abs. 1a AsylG frühestens mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz bzw. der Beschwerde gestellt werden. | | Die rechtzeitige Beschwerde des Beschwerdeführers ist als zulässig im Sinne des Art. 76 Abs. 1 AsylG zu werten (vgl. dazu auch StGH 2017/167 vom 27. März 2018; StGH 2017/142 vom 29. Juni 2018; StGH 2022/051 vom 30. August 2022, Erw. 2.3.2; alle öffentlich abrufbar). |
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| 2. | Der Beschwerdeführer hat mit seiner Beschwerde unter anderem vorgebracht, dass sein Stamm vom Stamm der Janjaweed, der eng mit dem sich an der Macht befindlichen Generalleutnant Mohamed Hamdan Dagalo zusammenarbeite, bekämpft werde. Diese Situation habe sich, wie auch die allgemeine Menschenrechtssituation und die wirtschaftliche und soziale Lage, seit dem Machtwechsel im Oktober 2021 wesentlich verschlechtert. Seit September bzw. Oktober 2022 seien deshalb die Brüder bzw. der Vater des Beschwerdeführers auf der Flucht (Ziff. II.2 und II.9 der Beschwerde). | | Der Vollzug der Wegweisung gem. Art. 29 AsylG müsse möglich, zulässig und zumutbar sein (Ziff. II.10ff der Beschwerde). Die Regierung sehe im vorliegenden Fall keine hinreichend konkrete Gefahr, die gegen eine Rückweisung in den Sudan spreche. Ein "real risk" liege laut den Ausführungen der Regierung vor, wenn zumindest glaubhaft gemacht werden könne, dass im Falle einer Wegweisung in den Sudan eine Gefahr für das Leben, Folter oder unmenschliche Behandlung drohe (Entscheidung der Regierung vom 10. Januar 2023, S. 32). Eine Unzumutbarkeit einer Rückweisung liege vor, wenn im konkreten Land eine Situation wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeine Gewalt oder eine medizinische Notlage vorherrsche. Entgegen der Entscheidung der Regierung liege eine derartige Situation vor. Es herrsche zwar offiziell kein Krieg oder Bürgerkrieg, allerdings habe sich die Lage in den letzten Jahren bereits sehr zugespitzt. Seit dem Machtwechsel habe sich die Situation wesentlich verschlechtert. Gerade bei Demonstrationen, aber auch bei anderen gewaltsamen Konflikten, komme es vermehrt zu verletzten Personen oder Todesfällen. Dies belege u.a. der vorgelegte Arztbericht des Beschwerdeführers. Der von der Regierung aufgeführte Länderbericht bestehe aus vier Artikeln; dessen Quellen seien SRF Tagesschau, die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel. Die Inhalte dieser Artikel schienen sehr oberflächlich, weshalb eine genaue Beurteilung des Sudans anhand dieser Artikel nicht gegeben werden könne. Die aktuelle Lage für die Zivilbevölkerung werde nicht beschrieben, es werde lediglich erwähnt, dass der Sudan derzeit aus einer Übergangsregierung bestehe. Es wäre demnach wünschenswert, wenn der Verwaltungsgerichtshof die aktuelle Lage im Sudan neu beurteile oder zumindest an die Unterinstanz zur erneuten Überprüfung zurückverweise. | | Laut der schweizerischen Eidgenossenschaft werde die Lage im Sudan als sehr kritisch eingeschätzt. Der am 25. Oktober 2021 verhängte Ausnahmezustand sei zwar seit dem 29. Mai 2022 aufgehoben, jedoch sei die Lage immer noch angespannt. Massendemonstrationen und Streiks, welche die Sicherheitskräfte gewaltsam und zum Teil mit scharfer Munition bekämpften, seien alltäglich. Besonders werde vor der Region Darfur gewarnt. Die Sicherheitslage sei aufgrund der vielen Stammeskonflikte, die den Beschwerdeführer ebenfalls beträfen, prekär. Gewaltausbrüche und Entführungen hätten bereits viele Opfer gefordert. | | Zusammengefasst sei ein Rückschiebeverbot in den Sudan im Sinne einer zu erwartenden Bedrohung von Leib, Leben und Freiheit des Beschwerdeführers gegeben. Eine Wegweisung des Beschwerdeführers in den Sudan sei somit weder zumutbar noch zulässig. | | Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg. |
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| 3. | Art. 2 AsylG besagt: 1) Im Sinne dieses Gesetzes gelten als: a) "Flüchtlinge": ausländische Personen, die: 1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihres Geschlechts oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich ausserhalb des Staates, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, befinden und dessen Schutz nicht beanspruchen können oder wegen dieser Befürchtungen nicht beanspruchen wollen; [...] | | 2) Begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Abs. 1 Bst. a ist namentlich dann gegeben, wenn die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit geltend gemacht werden kann sowie Massnahmen drohen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen. Die begründete Furcht vor Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Asylsuchende seinen Heimat- oder Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe). | | 3) Die Verfolgung im Sinne von Abs. 1 Bst. a kann ausgehen: a) vom Heimat- oder Herkunftsstaat; b) von Parteien oder Organisationen, die den Heimat- oder Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen; c) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Bst. a und b genannten Akteure einschliesslich internationaler Organisationen erwiesenermassen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten. |
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| 4. | Die Regierung legt in ihrer Entscheidung durchaus nachvollziehbar und ausführlich wie auch gut begründet dar, weshalb sie das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft, weil widersprüchlich und teils wenig plausibel sowie an der Oberfläche vorgetragen, wertet. Sie glaubt ihm jedoch eine zumindest kurze Teilnahme an einer Demonstration wie auch den langen Auslandsaufenthalt und dass der Beschwerdeführer - wie auch sein Vater - Arzt ist. Weitere Befragungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers wie auch zur Situation, die ihn bei einer Rückkehr erwarten wird, wurden seitens des APA nicht getätigt. Die letzte Befragung des Beschwerdeführers wie auch der letzte Kontakt zu diesem fand überhaupt in etwa ein Jahr vor Erlass der angefochtenen Entscheidung statt. In dieser verweist die Regierung wiederholt auf die in der Entscheidung enthaltenen Länderberichte - so im Bereich der Würdigung seines Vorbringens einer oppositionellen Haltung, zur Frage der Bedrohung aufgrund von Stammesfehden und im Bereich der Wegweisungsverfügung. | | In der Entscheidung finden sich jedoch keine aktuellen, die derzeitige Lage im Sudan annähernd widerspiegelnden, sich auf objektive Quellen berufenden und entsprechend ausgewogenen Länderberichte, anhand derer die Regierung in der Lage gewesen wäre, einerseits das Vorbringen des Beschwerdeführers zu messen sowie andererseits objektive Nachfluchtgründe wie auch die aktuelle Rückkehrsituation zu überprüfen, in die sie ihn wegweist. So bringt der Beschwerdeführer richtig vor, dass die Regierung sich auf lediglich vier Medienberichterstattungen stützt, die kein derartiges aktuelles Gesamtbild geben können, um sein Fluchtvorbringen auch objektiv zu überprüfen und die Rückkehrsituation gerade auch in Hinblick auf das Refoulement-Verbot zu überprüfen. | | Die Regierung stützt ihre Entscheidung auf SRF Tagesschau vom 25. Oktober 2021 zum "Putschversuch im Sudan - Militär verhängt Ausnahmezustand", die Süddeutsche Zeitung vom 22. November 2021 zu anhaltenden Protesten trotz der erneuten Einsetzung des sudanesischen Ministerpräsidenten Abdullah Hamdok in sein Regierungsamt sowie vom 03. Januar 2022 über den überraschenden Rücktritt des Ministerpräsidenten wie auch einen Bericht von "Der Spiegel" vom 04. Januar 2022 über den Umgang mit Demonstranten, die die Wiedereinsetzung einer zivilen Regierung fordern. Auch im Akt befinden sich keine weitergehenden Länderberichte, die eine Entscheidungsgrundlage für die Regierung darstellen könnten. Es wurden auch keine entsprechenden Berichte mit dem Beschwerdeführer erörtert. Einzig seitens der Schweizer Behörden wurde bestätigt, dass mittlerweile wieder die Möglichkeit besteht, Heimreisezertifikate über die Botschaft zu erlangen und Ausschaffungen in den Sudan durchzuführen. | | Selbst aus den in der angefochtenen Entscheidung zitierten Berichten, die lediglich einzelne Vorfälle kommentierten, zeigt sich aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofes jedoch bereits die seit Monaten unklare politische Lage, eine besonders volatile Sicherheitslage wie auch die Unruhen durch monatelange Massenproteste. | | Zur aktuellen Lage im Sudan führt beispielsweise das deutsche Auswärtige Amt aus (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan vom 01. Juni 2022, S. 4): | | "Sudan befindet sich seit dem Militärputsch am 25. Oktober 2021 in einer schweren politischen Krise. Nach friedlicher Revolution und Sturz des Langzeit-Diktators Baschir im April 2019 und der anschliessenden Machtteilung zwischen Zivilisten und Militärs innerhalb einer zivilgeführten Regierung hatten viele Menschen in Sudan die Hoffnung, auf dem besten Weg Richtung Demokratie zu sein. Die von der Übergangsregierung unter Premierminister Hamdok eingeleiteten Reformen im Bereich der Menschenrechte schienen diese Hoffnung zu bestätigen. Auch das Friedensabkommen von Dschuba, das die Integration verschiedener bewaffneter Gruppen in die Regierung bewirkte, wurde trotz Unzulänglichkeiten von nationalen wie internationalen Beobachtern überwiegend als Erfolg gewertet. Stets bestehende Spannungen zwischen den an der Transition beteiligten Gruppen verstärkten sich im Sommer und Herbst 2021. Am 25. Oktober 2021 lösten Militärs um den Vorsitzenden des Souveränitätsrats, General Burhan, die Regierung einseitig auf. Landesweite Proteste gegen den Putsch werden gewaltsam niedergeschlagen, der Notstand wurde ausgerufen, 95 Menschen kamen seither ums Leben (Stand 09.05.2022). Premierminister Hamdok erhielt im November 2021 kurzzeitig sein Amt zurück, gab dieses aber wenige Wochen später auf. Am 20. Januar 2022 ernannte General Burhan eine Reihe von kommissarischen Ministern, die zuvor überwiegend als Staatssekretäre tätig gewesen waren. Weiterhin gibt es keinen Premierminister. Die Vereinten Nationen unter Leitung der speziellen politischen Mission UNITAMS riefen einen inner-sudanesischen Dialogprozess zur Überwindung der politischen Krise ins Leben, dem sich später auch die Afrikanische Union und Intergovernmental Authority on Development (IGAD) anschlossen. Im Rahmen dieses Vermittlungsprozesses soll eine Einigung zwischen den wichtigsten politischen Akteuren gefunden werden, auf deren Grundlage Wahlen vorbereitet werden können. Die Wirtschafts- und Versorgungskrise, die bereits vor dem Militärputsch besorgniserregend war, wurde durch diesen verschärft. Als Folge des Militärputsches haben viele westliche Staaten und internationale Organisationen ihre Zusammenarbeit mit Sudan eingeschränkt, sodass wichtige Vorhaben im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, wirtschaftlichen Unterstützung und Stabilisierung pausiert wurden. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine verschärft die ohnehin wachsende Ernährungsunsicherheit in Sudan. Die humanitäre Krise hat sich vor dem nationalen und internationalen Hintergrund weiter verschärft. Die Vereinten Nationen rechnen ab dem dritten Quartal 2022 mit über 18 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesenen Menschen, das entspricht in etwa der Hälfte der Bevölkerung. Die anhaltenden gewaltsamen Konflikte in Darfur und anderen Konfliktregionen tragen ebenfalls zur Destabilisierung und Vertreibung hunderttausender Personen bei, wodurch die humanitären Bedarfe weiter steigen." | | Zu aktuellen Situation kann auch auf den Bericht für das Jahr 2022, Sudan, von Human Rights Watch verwiesen werden (www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Abfrage vom 02. März 2023). |
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| 5. | Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass sich im Vortrag des Beschwerdeführers zahlreiche Unstimmigkeiten zeigen, die auf eine Unglaubwürdigkeit seiner Fluchtgründe hindeuten und dem Beschwerdeführer durchaus auch mangelnde Mitwirkung vorzuwerfen ist, wenn dieser sich nicht rechtzeitig um Beweismittel bemühte, die er nunmehr mit seiner Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof vorlegen konnte. Auch erweisen sich die Vorkommnisse aus dem Jahr 2013 am früheren Heimatort des Beschwerdeführers nicht mehr als aktuell. Beim Sudan handelt es sich jedoch nicht um einen sicheren Drittstaat, sondern vielmehr um einen Staat, der nicht als Rechtsstaat bezeichnet werden kann und für den eine besonders volatile Sicherheitslage wie auch besondere Versorgungsengpässe notorisch sind. Umso mehr hätten die Unterinstanzen das Vorbringen des Beschwerdeführers anhand tauglicher Länderinformationen auf Asylgründe im Sinne des Asylgesetzes - damit auch auf objektive Nachfluchtgründe - prüfen müssen. Es genügt vorliegend ebenfalls nicht, die vorgebrachte Bedrohung aufgrund von Stammesfehden als wegen Regimewechseln ohne jeden Beleg als unwahrscheinlich zu qualifizieren. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer zu den konkreten Lebensverhältnissen wie auch zur Situation, die er bei einer Rückkehr vorfinden wird, nicht befragt worden ist. Eine derartige Befragung am 25. Januar 2022 würde sich - läge sie ja bereits ein Jahr zurück - auch als nicht hinreichend aktuell erweisen. | | Im menschenrechtlichen Sinn schützt überdies das Prinzip des Non-Refoulement gemäss Art. 3 EMRK vor Aushändigung an einen Staat, der aus irgendwelchen Motiven den Betroffenen der Folter oder bestimmten anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen aussetzen würde. Das Refoulement-Verbot von Art. 3 EMRK geht in seinem Schutzbereich weiter als das flüchtlingsrechtliche Non-Refoulement-Gebot nach Art. 33 GFK, welches nur Schutz gebietet, wenn der Staat aus bestimmten Gründen, wie z.B. politische Gesinnung, Verfolgung betreibt. Aus dem Anspruch auf Schutz vor unmenschlicher Behandlung gemäss Art. 3 EMRK wird das Verbot abgeleitet, einen Menschen zwangsweise in einen Staat zu verbringen, wo ihm Ermordung, Folter oder sonst eine schwerwiegende Verletzung fundamentaler Menschenrechte droht. Dieses Verbot gilt absolut (s. Fulvio Haefeli, Steuerung der Migrationsströme und Non-Refoulement-Prinzip gemäss GFK und EMRK, ZAR, S. 25ff; s. auch Urteil des chBundesgerichts vom 30. Januar 2017, 2C_203/2016, E. 2.3.30). Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR wird das Recht der Staaten, selbständig über die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung ausländischer Staatsangehöriger zu entscheiden, durch das Verbot beschränkt, eine Person in einen anderen Staat auszuweisen, wenn es ernsthafte Gründe für die Annahme gibt, dass diese dort einem reellen Risiko unterliegt, Opfer einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu werden; bei dieser Rechtslage gebietet Art. 3 EMRK, dass der Aufenthaltsstaat von einer Wegweisung in diesen Staat absieht (s. Urteile des EGMR vom 07. Juli 1989, Soering v. The United Kingdom, Nr. 14038/88; vom 20. März 1991, Cruz Varas v. Sweden, Nr. 15576/89; vom 10. April 2012, Babar Ahmad and Others v. the United Kingdom, Nr. 24027/07,11949/08, 36742/08, 66911/09, 67354/09) | | Die Unterinstanzen waren folglich verpflichtet, sicherzustellen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Sudan keine Situation vorfindet, die ihn in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK verletzt. Unklar bleibt auch, wohin der Beschwerdeführer aus Sicht der Regierung gefahrlos wird zurückkehren können. Es ist vorliegend trotz seiner grundsätzlichen Mitwirkungsverpflichtungen nicht am Beschwerdeführer, die allgemeine Lage im Sudan darzustellen, sondern vielmehr an den liechtensteinischen Behörden, darzulegen, weshalb dem Beschwerdeführer trotz dieser unsicheren Lage dort trotz dessen Vorbringen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung von Leib und Leben droht. Die von den Unterinstanzen vorgenommene Beurteilung muss damit angemessen und durch innerstaatliches Material sowie durch Material aus anderen zuverlässigen und objektiven Quellen, wie z. B. anderen Vertrags- oder Nichtvertragsstaaten, Einrichtungen der Vereinten Nationen und angesehenen Nichtregierungsorganisationen, hinreichend gestützt sein (EGMR vom 17. Juli 2008, NA. v. the United Kingdom, Nr. 25904/07, § 119; vom 04. Juni 2015, J.K. and others v. Sweden, 59166/12, § 52). |
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| 6. | Aus all diesen Gründen war die Entscheidung der Regierung vom 10. Januar 2023 aufzuheben. Das APA hat nun im fortgesetzten Verfahren aktuelle und im Sinne der obigen Ausführungen geeignete Länderinformationen mit dem Beschwerdeführer zu erörtern und diesen ergänzend jedenfalls zu seinen persönlichen Umständen wie auch den mit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Beweismitteln zu befragen. | | Die Regierung hat in ihre Entscheidung diese aktuellen Berichte wie auch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zeitnah zu übernehmen. Sie hat das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers (politische Verfolgung wegen Demonstrationsteilnahme, Verfolgung aufgrund der Stammeszugehörigkeit sowie Stammesfehde bei fehlendem staatlichen Schutz) ebenso daran zu messen wie sich mit der Frage der Rückkehr und des Non-Refoulements auseinanderzusetzen. | | Am Beschwerdeführer ist es wiederum, seine Behauptungen eines "real risk" nicht nur in den Raum zu stellen, sondern sich um geeignete Beweismittel zu bemühen - nicht zuletzt auch für die Flucht seiner Familienmitglieder und die Lebensumstände seiner Familie im Sudan - und insbesondere seine Gefährdung glaubhaft darzulegen. |
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| 7. | Zum Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe: | | Dem Beschwerdeführer kam aufgrund der kostenlosen Rechtsberatung jedenfalls ein effektives Rechtsmittel zu, das dieser auch entsprechend nutzte, indem er mit Hilfe seines Rechtsberaters seine zulässige Beschwerde einbrachte. Damit ist gemäss der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes (StGH 2022/051 vom 30. August 2022, Erw. 2.3.2, öffentlich abrufbar) dem grundrechtlichen Beschwerderecht Genüge getan, weil der Beschwerdeführer angeleitet wurde, eine den gesetzlichen Mindestanforderungen gemäss Art. 93 Abs. 2 LVG genügende Beschwerde zu erheben (siehe StGH 2018/091 vom 29. Oktober 2018, Erw. 3.2.2ff. mit Verweis auf StGH 2017/045 vom 18. Dezember 2017, beide öffentlich abrufbar unter gerichtsentscheidungen.li). | | Diese Beschwerde erwies sich überdies in ihrem wesentlichen Vorbringen als erfolgreich, weshalb der Beschwerdeführer mit seinem Eventualantrag, die angefochtene Regierungsentscheidung zu beheben und das Verfahren an das APA zurückzuverweisen, durchdrang. Um eine Verzögerung des Verfahrens durch die Bestellung eines Rechtsanwaltes zum Verfahrenshelfer für das vorliegende Beschwerdeverfahren wie auch der damit laut AsylG verbundenen Gewährung einer Nachfrist für die Verbesserung der Beschwerde zu vermeiden, war von der Gewährung der beantragten, die kostenlose Rechtsberatung ergänzenden Verfahrenshilfe abzusehen. |
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| 8. | Die Kostenentscheidung stützt sich auf Art. 41 Abs. 1 iVm Art. 35 Abs. 1 LVG. |
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Dieses Urteil ist endgültig. Vaduz, 03. März 2023 Verwaltungsgerichtshof Der Präsident lic.iur. Andreas Batliner |