VGH 2022/049 Der Verwaltungsgerichtshof des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz, hat durch die Richter | lic.iur. Andreas Batliner, Präsident | | lic.iur. Marion Seeger | | lic.iur. Adrian Rufener | | Dr.iur. Esther Schneider | | lic.iur. Daniel Tschikof |
in der Beschwerdesache der Beschwerdeführer: |
vertreten durch:
***
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wegen | Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes |
gegen | Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom 23. Juni 2022, LNR 2022-1059/ZB |
in der nicht-öffentlichen Sitzung vom 19. August 2022 entschieden: 1. | Der Beschwerde vom 08. Juli 2022 gegen die Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom 23. Juni 2022, LNR 2022-1059/ZB, wird insoweit stattgegeben, als die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Verwaltungssache zur neuerlichen Entscheidung an die Regierung zurückverwiesen wird. |
2. | Die Beschwerdeführer werden mit ihrem Antrag vom 08. Juli 2022 auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung auf Spruchpunkt 1. verwiesen. |
3. | Die Anträge vom 02. August 2022 werden abgewiesen. |
4. | Die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof verbleiben beim Land. Die Landeskasse wird angewiesen, den Beschwerdeführern die bereits entrichteten Gerichtsgebühren in Höhe von CHF 1'530.00 zurückzuerstatten. |
5. | Parteikosten werden keine zugesprochen. |
TATBESTAND | 1. | Die Strasse "Aspen" stellt bis zum Grundstück Eschner Gst. Nr. 3820 ein eigenes Strassengrundstück (Eschner Gst. Nr. 3801) dar. Sodann verläuft die Strasse über die Grundstücke Eschner Gst. Nr. 3820, 3821, 3846, 3847, 3854 und 3855 und läuft anschliessend wieder als Strassengrundstück (Gampriner Gst. Nr. 1988) weiter. |
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| 2. | Die Beschwerdeführerin zu 2. ist Eigentümerin des Grundstücks Eschner Gst. Nr. 3821, über welches die Aspenstrasse verläuft. |
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| 3. | Der Beschwerdeführer zu 1. hat Anfangs Mai 2022 den Strassenbelag im Bereich des Grundstücks Eschner Gst. Nr. 3821 aufreissen und eine Abschrankung um das aufgerissene Strassenstück errichten lassen. Die Beschwerdeführerin zu 2. hat diese Massnahmen geduldet. | | Das Aufreissen der Strasse und die Abschrankung hatten zur Folge, dass die Strasse nur noch von Fussgängern sowie Zweiradfahrern, jedoch nicht mehr mit Autos oder anderen mehrspurigen Fahrzeugen benutzt werden konnte. |
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| 4. | Mit Verwaltungsbot vom 23. Juni 2022, LNR 2022-1059/ZB, entschied die Regierung wie folgt: | | "1. | B und A, ***, ***, werden verpflichtet, die auf dem Grundstück Eschner Parzelle Nr. 3821 veranlasste teilweise Entfernung des Strassenbelags der Landstrasse Aspen/Lutzagüetle rückgängig zu machen, die an diesem Strassenstück aufgestellten Abschrankungen zu beseitigen, den ursprünglichen Zustand der Strasse wiederherzustellen und künftige Störungen des bestimmungsgemässen Gebrauchs der Landstrasse zu unterlassen. |
| | 2. | Die Massnahmen gemäss Beschlusspunkt 1. haben bei sonstiger Ersatzvornahme durch das Land Liechtenstein binnen 10 Tagen nach Zustellung des vorliegenden Verwaltungsbots zu erfolgen. |
| | 3. | Einem allfälligen Rechtsmittel gegen dieses Verwaltungsbot kommt keine aufschiebende Wirkung zu. |
| | 4. | B und A sind zur ungeteilten Hand schuldig, die Entscheidungsgebühr in der Höhe von CHF 300 binnen 14 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft bei sonstiger Exekution an die Landeskasse zu bezahlen. Die Rechnungsstellung erfolgt durch die Landeskasse." |
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| 5. | Gegen dieses Verwaltungsbot vom 23. Juni 2022 erhoben die rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer mit Schriftsatz 08. Juli 2022 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (ON 1). Die Beschwerdeführer beantragten, der Verwaltungsgerichtshof wolle die angefochtene Regierungsentscheidung für nichtig erklären; in eventu die Entscheidung ersatzlos aufheben; in subeventu die Verwaltungssache zurückverweisen. Jedenfalls möge der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführern die verzeichneten Parteikosten zusprechen. | | Gleichzeitig mit ihrer Beschwerde stellten die Beschwerdeführer einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (ON 1). |
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| 6. | Mit E-Mail vom 29. Juli 2022 teilte das Amt für Tiefbau und Geoinformation den Beschwerdeführen mit, gleichentags die Ersatzvornahme an der Aspenstrasse durch ein Bauunternehmen vornehmen zu lassen. Der entfernte Strassenbelag werde wiederhergestellt und die Strasse in der Folge wieder geöffnet. | | Am 29. Juli 2022 liess das Land Liechtenstein, vertreten durch das Amt für Tiefbau und Geoinformation, durch ein Bauunternehmen den entfernten Strassenbelag wiederherstellen und hat die Strasse in der Folge wieder geöffnet. |
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| 7. | Mit Schriftsatz vom 02. August 2022 (ON 9) erstatteten die Beschwerdeführer eine Äusserung zur vorgenommenen Ersatzvornahme an den Verwaltungsgerichtshof und beantragten, der Verwaltungsgerichtshof wolle feststellen, dass die am 29. Juli 2022 durchgeführte Ersatzvornahme rechtswidrig war und das Land Liechtenstein dazu verpflichten, den Zustand vor der Durchführung der Ersatzvornahme wiederherzustellen, indem der angebrachte Strassenbelag wieder entfernt wird. Dieser Zustand sei zu belassen, bis eine rechtskräftige Entscheidung über die Beschwerde vom 08. Juli 2022 vorliege. |
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| 8. | Mit Schreiben vom 09. August 2022 (ON 12) teilte die Regierung dem Verwaltungsgerichtshof auf Anfrage (ON 10) die Gründe für das gewählte zirkuläre Beschlussverfahren, welches der angefochtenen Regierungsentscheidung zugrunde liegt, mit. | | Die Beschwerdeführer äusserten sich mit Schriftsatz vom 11. August 2022 (ON 14). |
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| 9. | Der Verwaltungsgerichtshof zog die Vorakten der Regierung bei, erörterte in seiner nicht-öffentlichen Sitzung vom 19. August 2022 die Sach- und Rechtslage und entschied wie aus dem Spruch ersichtlich. |
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE | 1. | Im vorliegenden Fall liessen die Beschwerdeführer auf dem über das Grundstück Eschner Gst. Nr. 3821 verlaufenden Teilstück der Aspenstrasse den Strassenbelag teilweise entfernen, sodass die Strasse mit Autos und Lastwagen nicht mehr befahrbar war. Die Regierung beabsichtigte daher, den Beschwerdeführern die Pflicht aufzuerlegen, den ursprünglichen Zustand der Aspenstrasse wiederherzustellen und diese Pflicht nötigenfalls auf dem Weg der Verwaltungszwangsvollstreckung durchzusetzen. Der vorliegende Fall betrifft somit sowohl das einfache Verwaltungsverfahren nach dem II. Hauptstück des LVG wie auch das Verwaltungszwangsverfahren nach dem III. Hauptstück des LVG. |
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| 2. | Die Bestimmungen über das Verwaltungszwangsverfahren (Art. 110 bis 135 LVG) enthalten die sogenannten exekutorischen Zwangsmassnahmen, die der unmittelbaren Durchsetzung verwaltungsrechtlicher Pflichten dienen und von den repressiven Zwangsmassnahmen zu unterscheiden sind (zum Ganzen Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Bern 2014, § 32 Rz. 6 ff.). | | Exekutorische Zwangsmassnahmen können sowohl der Durchsetzung durch Verfügung begründeter verwaltungsrechtlicher Pflichten wie auch dem unmittelbaren Vollzug des Verwaltungsrechts (unmittelbarer Gesetzesvollzug) dienen. Im vorliegenden Fall interessiert nur die erste Variante der Durchsetzung durch Verfügung begründeter verwaltungsrechtlicher Pflichten. | | Hierfür sieht das LVG die folgenden exekutorischen Zwangsmassnahmen vor: Die Zwangsbeitreibung öffentlich-rechtlicher Geldleistungen (Art. 121 ff. LVG), die Ersatzvornahme (Art. 125 LVG) und die einfache Gewaltanwendung auf Grund einer Verfügung oder Entscheidung (Art. 127 ff. LVG). | | Da es sich bei der Wiederanbringung des entfernten Strassenbelags um eine vertretbare Leistung handelt, kommt gegenständlich als exekutorische Zwangsmassnahme die Ersatzvornahme in Betracht. |
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| 3. | Bei der Vollstreckung von Verfügungen auf dem Wege der Ersatzvornahme sind nach der schweizerischen Lehre und Praxis folgende Verfahrensetappen zu unterscheiden: Erstens ergeht die Sachverfügung, welche die durchzusetzende Pflicht begründet, zweitens erfolgt die Vollstreckungsverfügung, die die Androhung des Zwangsmittels unter Ansetzung einer Erfüllungsfrist enthält, drittens erfolgt die Mitteilung über das Wann und Wie der Vollstreckung, viertens kommt es zur Anwendung des exekutorischen Zwangsmittels und fünftens erfolgt die Kostenverfügung. Die Mittelung, dass zur Vollstreckung geschritten werde, wie auch die Anwendung des Zwangsmittels sind Realakte und somit keine Verfügungen (Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 32 Rz. 15 f.). |
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| 4. | Von diesen fünf Verfahrensetappen weicht das LVG nicht ab. Die Sachverfügung ergeht nach den Vorschriften über das einfache Verwaltungsverfahren (Art. 27 bis 88 LVG). Der Regierung und den anderen zuständigen Behörden kommt im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten das Recht zu, gegenüber Privaten verwaltungsrechtliche Pflichten zu begründen und insbesondere von ihnen ein bestimmtes Verhalten zu verlangen. Hierfür haben sich die Behörden der Handlungsform der Verfügung zu bedienen (Art. 86 Abs. 2 Bst. a LVG), welche auch, wie gegenständlich, in der Form eines Verwaltungsbotes ergehen kann (Art. 86 Abs. 3 LVG). | | Die Vollstreckungsverfügung findet ihre Grundlage im III. Hauptstück über das Verwaltungszwangsverfahren. Konkret wird die Vollstreckungsverfügung durch Art. 113 f. LVG geregelt. | | Gleich wie in der Schweiz sind die Mitteilung, dass zur Vollstreckung geschritten werde, wie die Anwendung der Ersatzvornahme Realakte. | | Die Kostenverfügung ist in Art. 125 Abs. 4, 5 und 5a LVG geregelt. |
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| 5. | Um vom einfachen Verwaltungsverfahren (II. Hauptstück) in das Verwaltungszwangsverfahren (III. Hauptstück) übergehen zu können, muss eine vollstreckbare Sachverfügung vorliegen. Das LVG verlangt nicht, dass die Sachverfügung in Rechtskraft erwachsen ist. In diesem Sinne bestimmt Art. 110 Abs. 1 LVG, dass die Bestimmungen über den Verwaltungszwang auf dem Gebiet der öffentlichen Verwaltung, einschliesslich der Gemeindeverwaltung, zur zwangsweisen Durchsetzung vollstreckbarer Verfügungen und Entscheidungen, die Verfügungen oder Entscheidungen seien rechtskräftig oder nicht, anzuwenden sind. Auch Art. 119 LVG macht deutlich, dass es für den Vollzug einer Entscheidung oder Verfügung auf die Vollstreckbarkeit und nicht auf die Rechtskraft ankommt. | | Wird einer Beschwerde gegen die Sachverfügung die aufschiebende Wirkung entzogen, ist sie vollstreckbar (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Auflage, Zürich 2020, Rz. 1457), nicht jedoch rechtskräftig. | | Die erstinstanzlich verfügende Behörde kann einem allfälligen Rechtsmittel gegen die Sachverfügung die aufschiebende Wirkung entziehen (Art. 116 Abs. 3 i.V.m. Abs. 8 LVG). In diesem Fall ist es zulässig, die Vollstreckungsverfügung mit der vollstreckbaren Sachverfügung zu verbinden. Gemäss Art. 113 Abs. 2 LVG hat der Anwendung des Verwaltungszwanges regelmässig die Androhung mit Ansetzung einer angemessenen Ausführungsfrist vorauszugehen. Diese Vollstreckungsverfügung kann in der Sachverfügung selbst enthalten sein respektive mit der Sachverfügung verbunden werden. |
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| 6. | Mit dem nunmehr angefochtenen Verwaltungsbot vom 23. Juni 2022, LNR 2022-1059/ZB, hat die Regierung den Beschwerdeführern die Pflicht auferlegt, den ursprünglichen Zustand der Aspenstrasse wiederherzustellen (Spruchpunkt 1.). Beim Spruchpunkt 1. handelt es sich somit um die Sachverfügung. Eine Ersatzvornahme durch das Land Liechtenstein wurde angedroht und eine Erfüllungsfrist von 10 Tagen gesetzt (Spruchpunkt 2.). Beim Spruchpunkt 2. handelt es sich um die Vollstreckungsverfügung. Einer Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung entzogen (Spruchpunkt 3.), womit die Sachverfügung vollstreckbar ist. | | Nachdem die Beschwerdeführer die mit der Sachverfügung auferlegte Pflicht nicht innert der gesetzten Frist erfüllt haben, teilte das Amt für Tiefbau und Geoinformation den Beschwerdeführern mit, dass die Ersatzvornahme am 29. Juli durchgeführt werde. Am 29. Juli 2022 nahm das Land Liechtenstein die Ersatzvornahme vor, indem es den Strassenbelag wieder anbringen und die Abschrankungen entfernen liess und in der Folge die Strasse wieder für den öffentlichen Verkehr freigab. |
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| 7. | Die Beschwerdeführer bringen im Schriftsatz vom 02. August 2022 vor, das Vorgehen der Regierung sei rechtswidrig, weil die Ersatzvornahme durchgeführt worden sei, ohne die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag vom 08. Juli 2022 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwarten. | | Die erstinstanzlich verfügende Regierung hat in Spruchpunkt 3. einem allfälligen Rechtsmittel gegen die Verfügung vom 23. Juni 2022 die aufschiebende Wirkung entzogen. Gemäss Art. 116 Abs. 8 LVG steht die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels unter Wahrung des Anfechtungsrechts der erstinstanzlich verfügenden Behörde, gegenständlich der Regierung, zu. Gegen Spruchpunkt 3. der angefochtenen Verfügung der Regierung vom 23. Juni 2022 konnte somit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerdeführer haben mit ihrer Beschwerde vom 08. Juli 2022 an den Verwaltungsgerichtshof die Verfügung vom 23. Juni 2022 ihrem ganzen Umfang nach angefochten, somit auch den Entzug der aufschiebenden Wirkung durch die Regierung bekämpft. Solange der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde gegen den Spruchpunkt 3. der Verfügung vom 23. Juni 2022 nicht entschieden hat, liegt jedenfalls eine vollstreckbare Sachverfügung vor. Am 29. Juli 2022 hatte der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde gegen den Spruchpunkt 3. der Verfügung vom 23. Juni 2022 noch nicht entschieden, weshalb zu diesem Zeitpunkt eine vollstreckbare und nicht nichtige Sachverfügung vorlag. Ebenfalls ist die Ersatzvornahme unter Setzung einer Erfüllungsfrist durch eine Vollstreckungsverfügung angedroht worden (Spruchpunkt 2.), weshalb am 29. Juli 2022 und somit nach ungenutztem Ablauf der Erfüllungsfrist zurecht die Mitteilung über die Vornahme der Ersatzvornahme wie auch die Durchführung der Ersatzvornahme in Form von Realakten erfolgten. | | Hieran ändert nichts, wenn die Beschwerdeführer in ihrem Schriftsatz vom 02. August 2022 weiter vorbringen, ein öffentliches Interesse an der sofortigen Öffnung der Aspenstrasse für den motorisierten Verkehr liege nicht vor. Hiermit bekämpfen die Beschwerdeführer den Entzug der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Verfügung vom 23. Juni 2022 durch die Regierung. Wie bereits ausgeführt, hatte der Verwaltungsgerichtshof im Zeitpunkt der Durchführung der Ersatzvornahme am 29. Juli 2022 noch nicht über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Regierung betreffend den Entzug der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt 3.) entschieden, weshalb zu diesem Zeitpunkt die Sachverfügung vollstreckbar und somit nach Ablauf der gesetzten Erfüllungsfrist auf dem Wege der Ersatzvornahme durchsetzbar war. | | Da sich die am 29. Juli 2022 durchgeführte Ersatzvornahme auf eine vollstreckbare Sachverfügung, eine nicht bekämpfte Vollstreckungsverfügung wie auch auf die Mitteilung des Amtes für Tiefbau und Geoinformation vom 29. Juli 2022 stützt, ist sie formell rechtmässig und somit ist dem Feststellungsantrag der Beschwerdeführer vom 02. August 2022 keine Folge zu geben. | | Zu betonen ist, dass die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde vom 08. Juli 2022 die Vollstreckungsverfügung (Spruchpunkt 2.) nicht gesondert bekämpfen. Art. 114 Abs. 1 LVG sieht die zulässigen Rügen gegen die Vollstreckungsverfügung vor, die sich ausschliesslich auf das angedrohte Zwangsmittel, nicht jedoch auf die zugrunde liegende Sachverfügung beziehen dürfen. Gegen eine Vollstreckungsverfügung kann vorgebracht werden, dass die angeordnete Zwangsmassnahme im Gesetz nicht zugelassen oder dass sie durch Überschreitung der Zweckmässigkeit und Notwendigkeit die Rechte oder Interessen der anfechtenden Parteien verletzt oder dass die anordnende Behörde nicht zuständig sei (Art. 114 Abs. 1 LVG). Die Beschwerdeführer wenden sich in ihrer Beschwerde vom 08. Juli 2022 gegen die Sachverfügung und bestreiten das Bestehen der verwaltungsrechtlichen Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Strassenzustandes. Aus dem Fehlen der mit der Sachverfügung auferlegten Pflichten leiten die Beschwerdeführer die Unzulässigkeit der Vollstreckungsverfügung ab.
| | Der Verwaltungsgerichtshof hat somit zu prüfen, ob die Verpflichtung der Beschwerdeführer zur Wiederherstellung des ursprünglichen Strassenzustandes besteht oder nicht. Besteht diese Verpflichtung, ist auch die Ersatzvornahme nicht rückgängig zu machen. Da sich jedoch die am 29. Juli 2022 durchgeführte Ersatzvornahme als formell rechtmässig erweist, ist dem Antrag der Beschwerdeführer vom 02. August 2022, den Strassenbelag wieder zu entfernen und diesen Zustand zu belassen keine Folge zu geben. |
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| 8. | Die Regierung hat die Verfügung vom 23. Juni 2022 auf dem Zirkularweg gefasst. Die Beschwerdeführer erachten deshalb die angefochtene Verfügung als nichtig (Ziff. 2 der Beschwerde), jedenfalls aber als anfechtbar (Ziff. 3 der Beschwerde). | | Art. 81 der Landesverfassung (LV) lautet wie folgt: Zu einem gültigen Beschluss der Kollegialregierung ist die Anwesenheit von wenigstens vier Mitgliedern und die Stimmenmehrheit unter den anwesenden Mitgliedern erforderlich. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende. Es besteht Stimmzwang. Die Verfassung ordnet in Art. 81 letzter Satz LV Stimmzwang an. Daraus ergibt sich die Anwesenheitspflicht der Regierungsmitglieder (Bussjäger, in: Liechtenstein-Institut (Hrsg.), Kommentar zur liechtensteinischen Verfassung. Online-Kommentar, Bendern 2016, Art. 81 Rz. 20). Gemäss Art. 84 LV erlässt die Kollegialregierung im Verordnungswege ihre Geschäftsordnung. Art. 21 der Verordnung über die Geschäftsordnung der Regierung, LGBl. 1994 Nr. 14, bestimmt unter der Überschrift "Zirkularbeschlüsse" wie folgt: | | 1) | In der Zeit zwischen zwei Regierungssitzungen können in ausserordentlichen Fällen Zirkularbeschlüsse gefasst werden. Zirkularbeschlüsse sind nur zulässig, wenn eine Entscheidung nicht bis zur nächsten Regierungssitzung aufgeschoben werden kann. |
| | 2) | Die Gültigkeit eines Zirkularbeschlusses setzt voraus, dass alle Regierungsmitglieder der Beschlussfassung auf dem Zirkularweg schriftlich zustimmen. Ist die Einholung der Zustimmung eines Regierungsmitgliedes nicht möglich, kann sein Stellvertreter in seine Funktion treten. Die Beschlussfassung in der Sache selbst erfolgt durch einfache Stimmenmehrheit.
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| | | | 4) | Zirkularbeschlüsse werden für die nächste Regierungssitzung traktandiert, zur formellen Bestätigung vorgelegt und ins Protokoll aufgenommen. |
| | Weil die Verfassung grundsätzlich eine physische Anwesenheit der Regierungsmitglieder verlangt, ist die Fassung von Zirkularbeschlüssen auf Ausnahmefälle beschränkt (Bussjäger, a.a.O., Art. 81 Rz. 49; Wille, Die liechtensteinische Staatsordnung, LPS 57, Schaan 2015, S. 570). | | Dass im vorliegenden Fall kein ausserordentlicher Fall vorliegt, in welchem eine Entscheidung nicht bis zur nächsten Regierungssitzung aufgeschoben werden kann, ergibt sich bereits daraus, dass die Regierung selbst nicht von Gefahr in Verzug ausgeht. Wenn Gefahr im Verzug ist, darf die Vollstreckungsbehörde, gegenständlich die Regierung, zur Ersatzvornahme schreiten, ohne vorher den Pflichtigen unter Ansetzung einer angemessenen Frist zur Selbstvornahme aufgefordert zu haben (Art. 125 Abs. 2 LVG). Mit anderen Worten kann bei Gefahr in Verzug die Vollstreckungsverfügung unterbleiben. Indem im vorliegenden Fall die Regierung eine Vollstreckungsverfügung mit einer Erfüllungsfrist erliess, bringt sie selbst zum Ausdruck, dass keine Gefahr im Verzug vorliegt. Somit liegt auch kein Ausnahmefall vor, dessen Entscheidung nicht um fünf Tage vom 23. auf den 28. Juni 2022, dem Tag der nächsten ordentlichen Regierungssitzung, aufgeschoben werden kann. |
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| 9. | Die Begründung der Regierung für das zirkuläre Beschlussverfahren (ON 12) vermag nicht zu überzeugen. | | Die Regierung bringt vor, es habe eine zeitliche Dringlichkeit vorgelegen, da die Bauarbeiten an der Aspenstrasse Mitte Juni 2022 abgeschlossen worden seien und geplant gewesen sei, die Strasse unmittelbar nach dem Abschluss der Arbeiten wieder zu öffnen. Nur kurze Zeit vor dem Abschluss der Bauarbeiten sei die Strasse durch die Beschwerdeführer unbenutzbar gemacht worden. | | Die Regierung hat in der angefochtenen Verfügung selbst festgehalten, dass der Strassenbelag "ca. Anfangs Mai" abgetragen wurde. Von der Entfernung des Strassenbelags bis zur Verfügung vom 23. Juni 2022 vergingen somit fast zwei Monate, weshalb nicht von einer zeitlichen Dringlichkeit gesprochen werden kann. Wenn die Regierung diese Zeitspanne damit zu rechtfertigen versucht, dass die Fristen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs einzuhalten gewesen seien und die Beschwerdeführerin zu 2. sich erst am 17. Juni 2022 geäussert habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie die Verfügung vom 23. Juni 2022 ausdrücklich im Verwaltungsbotsverfahren erlassen hat. Ein Verwaltungsbot kann von der Regierung ohne vorgängige Durchführung einer förmlichen Parteiverhandlung erlassen werden (Art. 48 Abs. 1 Bst. d und Abs. 2 LVG). | | Die Regierung führt weiter aus, ein derartiger Umgang von Privatpersonen mit öffentlichen Interessen könne, auch aus präjudiziellen Gründen, nicht geduldet werden. | | Nachdem der Strassenbelag bereits "Anfangs Mai 2022" entfernt wurde, hat es keine stärkere Abschreckwirkung, wenn die Verfügung am 23. Juni 2022 und nicht erst am 28. Juni 2022 erlassen wird. | | Die Regierung bringt vor, die bevorstehenden Bauferien führten zu einer zeitlichen Dringlichkeit. Die meisten Bauunternehmen hätten ab dem 25. Juli Ferien, einige ab dem 01. August. Um die Ersatzvornahme noch vor den Bauferien zu ermöglichen, sei jeder zusätzliche Tag von Vorteil gewesen. | | Abgesehen davon, dass es für den Verwaltungsgerichtshof aufgrund der oben gemachten Erwägungen nicht nachvollziehbar ist, warum das Verwaltungsbot erst am 23. Juni 2022 erlassen wurde, verbleibt für die Durchführung der Ersatzvornahme genügend Zeit, wenn das Verwaltungsbot am 28. Juni 2022 im Rahmen der ordentlichen Regierungssitzung beschlossen wird. Eine Zustellung am 29. Juni 2022 ist möglich, weshalb die Erfüllungsfrist am 09. Juli 2022 ablaufen konnte.
| | Der Umstand, dass über die Thematik der Aspenstrasse mehrfach in ordentlichen Regierungssitzungen informiert wurde, wie die Regierung weiter vorbringt, vermag die Beratung und Beschlussfassung hinsichtlich des Verwaltungsbots nicht zu ersetzen. Die Beschwerdeführer haben einen Anspruch darauf, dass im Rahmen eines eigenständigen Traktandums der Verfahrensgegenstand beraten und anschliessend darüber Beschluss gefasst wird. | | Am 12. Juli 2022 erliess die Regierung folgenden formlosen Beschluss (LNR 2022-1176 BNR 2022/1194): | | 1) | Die E-Mail von A vom 5. Juli 2022 an Regierungsrätin C- betreffend Aspen wird zur Kenntnis genommen. |
| | 2) | Das Amt für Tiefbau und Geoinformation wird beauftragt, entlang der Landstrasse Aspen/Lutzagüetle ein Fahrverbot für Lastwagen (ausgenommen Müllabfuhr und Sonderbewilligungen) zu erlassen. |
| | 3) | Das Antwortschreiben an A wird zur Kenntnis genommen und C- wird ermächtigt, das Antwortschreiben zu unterzeichnen. |
| | Dieser Beschluss ändert nichts daran, dass das Verwaltungsbot nicht zirkulär erlassen werden durfte, da die Beratung und Beschlussfassung an der ordentlichen Regierungssitzung vom 28. Juni 2022 hätte erfolgen können. | | Da sich die Regierung gegenständlich nicht auf Art. 21 der Verordnung über die Geschäftsordnung der Regierung stützen kann, ist auch kein Normenkontrollantrag an den Staatsgerichtshof zu stellen. |
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| 10. | Bei diesem Ergebnis stellt sich die Frage, ob das Verwaltungsbot der Regierung nichtig oder bloss anfechtbar ist. | | Nichtigkeit bedeutet absolute Unwirksamkeit einer Verfügung. Eine nichtige Verfügung entfaltet keinerlei Rechtswirkung. Sie ist vom Erlass an und ohne amtliche Aufhebung rechtlich unverbindlich. Eine Verfügung ist nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und zudem die Rechtssicherheit dadurch nicht ernsthaft gefährdet wird (sog. Evidenztheorie). Die Praxis anerkennt schwerwiegende Zuständigkeitsfehler, schwerwiegende Verfahrensfehler, schwerwiegende Form- und Eröffnungsfehler sowie schwerwiegende inhaltliche Mängel als Nichtigkeitsgründe an (VGH 2021/107; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rz 1096 ff.; Andreas Kley, a.a.O., S. 132 f.; Wiederkehr in: Wiederkehr/Richli, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2012, Rz. 2554 ff.). | | Erlässt die Regierung einen Zirkularbeschluss, ohne dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, ist die im Zirkularverfahren ergangene Entscheidung oder Verfügung nicht absolut unwirksam und somit nicht nichtig. Eine derartige Entscheidung oder Verfügung ist lediglich anfechtbar und im Rechtsmittelweg aufzuheben. Die anfechtbare Entscheidung oder Verfügung entfaltet bis zu ihrer Aufhebung Rechtswirkung. | | Ebenfalls ist zu erwähnen, dass der Zirkularbeschluss entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer in der Äusserung vom 11. August 2022 (ON 14) formell richtig gefasst wurde. Die Gültigkeit eines Zirkularbeschlusses setzt voraus, dass alle Regierungsmitglieder der Beschlussfassung auf dem Zirkularweg schriftlich zustimmen. Ist die Einholung der Zustimmung eines Regierungsmitgliedes nicht möglich, kann sein Stellvertreter in seine Funktion treten (Art. 21 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Verordnung über die Geschäftsordnung der Regierung). Wie sich aus dem Akt der Regierung ergibt, haben alle ordentlichen Regierungsmitglieder per E-Mail und damit schriftlich dem zirkulären Beschlussverfahren zugestimmt. |
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| 11. | Aus diesen Gründen war die angefochtene Verfügung vom 23. Juni 2022 aufzuheben und die Verwaltungssache an die Regierung zurückzuverweisen. Da die Verfügung vom 23. Juni 2022 aber bis zu ihrer Aufhebung Rechtswirkung entfaltete, vollstreckbar war und eine wirksame Vollstreckungsverfügung enthielt, ist die am 29. Juli 2022 durchgeführte Ersatzvornahme zu diesem Zeitpunkt formell rechtmässig. Im fortgesetzten Verfahren geht es somit noch um die zentrale Frage, ob die Beschwerdeführer die Verpflichtung traf, den entfernten Strassenbelag wieder anzubringen. |
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| 12. | Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Äusserung vom 11. August 2022 vorbringen, dass anlässlich der Ersatzvornahme das im Eigentum der Beschwerdeführerin zu 2. stehende Teilstück an der Aspenstrasse minimal verbreitert worden sei und die Regierung ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin zu 2. auf ihrem Grundstück einen Auskehrplatz errichten habe lassen, wenden sie sich gegen die Ausführung der Ersatzvornahme. Hierbei handelt es sich um einen Realakt, weshalb die Beschwerdeführer auf die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen einen Realakt zu verweisen sind (siehe hierzu VGH 2020/14). |
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| 13. | Im fortgesetzten Verfahren hat sich die Regierung mit dem Beschwerdevorbringen zu befassen, die nötigen Beweise aufzunehmen und im ordentlichen Verfahren gemäss Art. 54 ff. LVG eine Entscheidung zu fällen, mit welcher sie feststellt, ob es sich bei Aspenstrasse aufgrund einer Widmung um eine öffentliche Strasse handelt. |
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| 14. | Die Kostenentscheidung stützt sich auf Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 LVG. Da die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zumindest teilweise durchgedrungen sind, verbleiben die Verfahrenskosten beim Land. Die bereits bezahlten Gerichtsgebühren sind den Beschwerdeführern zurückzuerstatten.
Da es sich gegenständlich um ein Einparteienverfahren handelt, können keine Parteikosten zugesprochen werden. |
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Dieses Urteil ist endgültig. Vaduz, 19. August 2022 Verwaltungsgerichtshof Der Präsident lic.iur. Andreas Batliner |