VGH 2023/020 a
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06.03.2023
VGH
Beschluss
Sprüche: Antrag stattgegeben
VGH 2023/020 a
BESCHLUSS
Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz, lic.iur. Andreas Batliner, hat
in der Beschwerdesache des
Beschwerdeführers:
A


vertreten durch:

***
wegenWiederherstellung des rechtmässigen Zustands
gegenEntscheidung der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten vom 25. Januar 2023, VBK 2022/57
am 07. März 2023
entschieden:
Dem Antrag des Beschwerdeführers vom 03. März 2023, Richterin B im vorliegenden Beschwerdeverfahren für befangen zu erklären, wird stattgegeben.
TATBESTAND
1.
Mit Verfügung vom 23. August 2022 entschied das Amt für Umwelt (AU) wie folgt:
1.
Die in der Schutzzone S2 und S3 gepflanzten Obstbäume sind schnellstmöglichst, aber spätestens bis zum 09. September 2022, zu entfernen.
2.
Der Abschluss der Arbeiten ist dem Amt für Umwelt zu melden.
3.
Werden die Obstbäume nicht innerhalb der Frist entfernt, erfolgt auf Kosten und Gefahr des Verpflichteten die ersatzweise Entfernung der Bäume.
4.
Die Kosten in Höhe von CHF 360.00 für die vom Amt für Umwelt durchgeführten Kontrollen gehen zu Lasten von A.
5.
Die Entscheidungsgebühr beträgt CHF 120.00. 
6.
Die Rechnungsstellung erfolgt mit Eintritt der Rechtskraft dieser Verfügung.
2.
Gegen diese Verfügung des AU erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 09. September 2022 Vorstellung an das AU. 
Das AU ist auf die Vorstellung nicht eingetreten. 
3.
Mit Entscheidung vom 25. Januar 2023, VBK 2022/57, entschied die Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten (VBK) wie folgt:
1.
Der Beschwerde vom 09. September 2022 gegen die Verfügung des Amtes für Umwelt vom 23. August 2022 (...) wird keine Folge gegeben und die angefochtene Verfügung vollumfänglich bestätigt. Die in der Schutzzone S2 und S3 gepflanzten Obstbäume sind schnellstmöglich, aber spätestens 14 Tagen nach Rechtskraft, zu entfernen.
2.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.
4.
Gegen diese Entscheidung der VBK vom 25. Januar 2023 erhob der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. Februar 2023 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (ON 1). 
Am 27. Februar 2023 bezahlte der Beschwerdeführer die Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in Höhe von CHF 630.00 (ON 6). 
5.
Mit Tagesordnung vom 01. März 2023 (ON 7) teilte der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer mit, in folgender Besetzung über die Beschwerde vom 17. Februar 2023 zu entscheiden: [...]. 
Die Tagesordnung vom 01. März 2023 enthielt sodann folgenden Hinweis:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Präsidentin der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten, C, als Konzipientin und die Stellvertretende Präsidentin des Verwaltungsgerichtshofes,B, als Partnerin in derselben Rechtsanwaltskanzlei, nämlich in der D AG, ***, tätig sind. B fühlt sich in der vorliegenden Beschwerdesache nicht befangen.
6.
Mit Schriftsatz vom 03. März 2023 (ON 8) stellte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer einen Ablehnungsantrag gegen die RichterinB. Aufgrund des in der Tagesordnung mitgeteilten Sachverhaltes sei von einer beruflichen und finanziellen Abhängigkeit auszugehen. Unabhängig des subjektiven Empfindens der Betroffenen bestehe für einen Dritten, so für den Beschwerdeführer, die Besorgnis und der Anschein, dass B und C gegenseitig nicht unbeeinflusst seien. Es sei von der objektiv begründeten Befangenheit der Richterin B auszugehen. 
Zu diesem Antrag äusserte sich die betroffene Richterin B nicht.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
1.
Im Verwaltungsverfahren wie auch im Verwaltungsbeschwerdeverfahren steht jeder Verfahrenspartei das Recht zu, eine an sich zuständige Amtsperson bzw. einen an sich zuständigen Richter abzulehnen (Art. 12 Abs. 2 LVG).
Richtet sich der Ablehnungsantrag gegen einen anderen Richter des Verwaltungsgerichtshofes als dessen Präsidenten (bzw. den im betreffenden Einzelfall zuständigen Vorsitzenden), entscheidet der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes (bzw. der Senatsvorsitzende) über den Ablehnungsantrag (Art. 12 Abs. 3 LVG; Ziff. 2. der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.10.2022; LES 1998, 214; LES 2001, 5; VGH 2014/011).
Somit ist der hier erkennende Richter als Präsident des Verwaltungsgerichtshofes zuständig, über den Ablehnungsantrag vom 03. März 2023 zu entscheiden.
2.
Die Ablehnungsgründe sind in Art. 7 LVG normiert. Demnach ist ein Richter unter anderem und insbesondere dann befangen, wenn ein zureichender Grund vorliegt, die Unbefangenheit des Richters in Zweifel zu ziehen (Art. 7 Bst. d LVG). Die Bestimmung von Art. 7 Bst. d LVG ist im Sinne von Art. 33 Abs. 1 LV und Art. 6 Abs. 1 EMRK und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu interpretieren (Tobias M. Wille, Recht auf den ordentlichen Richter, in: Kley/Vallender, Grundrechtspraxis in Liechtenstein, Schaan 2012, S. 376 f.; LES 2017, 55 mwN).
3.
Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes entschied mit Beschluss vom 26. Februar 2020 zu VGH 2019/131 (veröffentlicht auf www.gerichtsentscheidungen.li) über einen Ablehnungsantrag gegen Richterin B in einer Sache, in welcher die VBK als Vorinstanz entschied und dabei C als (damalige) Vizepräsidentin der VBK mitwirkte. Er gab dem Ablehnungsantrag statt und begründete dies damit, dass ein Weisungsrecht eines jeden Rechtsanwaltes einer Rechtsanwaltsgesellschaft, wie von B als Partnerin der D AG, gegenüber einem Konzipienten, wie C als juristische Mitarbeiterin in der D AG, und eine gewisse berufliche und finanzielle Abhängigkeit des Konzipienten von der Rechtsanwaltsgesellschaft und - indirekt - von den Rechtsanwälten bestehe. Somit sei gerade anhand des Massstabes, den der EGMR mit seinem Urteil im Fall Steck-Risch vorgegeben habe, von einer objektiv begründeten Befangenheit der Richterin B auszugehen.
Etwas mehr als ein Jahr später erkannte der Staatsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Mai 2021 zu StGH 2020/027 (bisher nicht veröffentlicht), dass einem Antrag auf Ablehnung von E als Präsident des Staatsgerichtshofes und (ehemaligem) Partner der D AG in einer Sache, in welcher die VBK unter dem Vorsitz von C über eine Verwaltungsbeschwerde entschieden hatte, nicht stattzugeben war.
Aufgrund dieses Beschlusses des Staatsgerichtshofes hat der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes seine Praxis gemäss seinem Beschluss vom 26. Februar 2020 zu VGH 2019/131 im Beschluss vom 15. Februar 2023 zu VGH 2022/96 und VGH 2022/98 (veröffentlicht auf www.gerichtsentscheidungen.li) überprüft und bestätigt.
Im Erwägungsgrund 8. des Beschlusses zu VGH 2022/96 und VGH 2022/98 führte der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes aus wie folgt: Nach Ansicht des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes kann jedoch aus der vom Staatsgerichtshof dargestellten Vorgesetztenstellung von E gegenüber C - die ebenso in der Person von Richterin B besteht - nicht geschlossen werden, dass der "obere" Richter unbefangen ist. Besteht eine solche, wenn auch verfahrensfremde Abhängigkeit des einen Richters - hier von C - gegenüber dem anderen Richter - hier B -, stellt sich bei objektiver Betrachtung die Frage, ob die beiden Richter den Fall, den sie als Richter zu entscheiden haben, vorgängig zur ersten Entscheidung miteinander besprochen haben könnten. Aus objektiver Sicht ist eine solche Möglichkeit zu bejahen. Damit besteht auch die objektive Möglichkeit, dass der "obere" Richter - als Vorgesetzter in einem verfahrensfremden Kontext - dem "unteren" Richter dessen Entscheidung nahelegt (dies im Sinne einer verfahrensrechtlich nicht bindenden Weisung). Es besteht auch die Möglichkeit, dass die beiden Richter die unterinstanzliche Entscheidung vorweg besprechen und sich einigen. In beiden Fällen würde sich der "obere" Richter bis zu einem gewissen Grad an das, was er dem "unteren" Richter nahegelegt oder auf was er sich mit dem "unteren" Richter geeinigt hatte, gebunden fühlen. Damit bestünde keine Unvoreingenommenheit mehr. Bei einer objektiven Betrachtung aus dem Blickwinkel der Verfahrensparteien kann also nicht von einer Unbefangenheit des Richters, wie hier von Richterin B, gesprochen werden, wenn dieser Richter ausserhalb des Richterberufes, wie im vorliegenden Fall im Rahmen einer Rechtsanwaltskanzlei, Vorgesetzter des unteren Richters, wie hier der Präsidentin der VBK C, ist.
4.
Diese Ausführungen gelten auch für den vorliegenden Fall. Die "obere" RichterinB ist in der D AG Vorgesetzte der "unteren" Richterin C.
5.
Aus all diesen Gründen war dem Ablehnungsantrag vom 03. März 2023 stattzugeben.