StGH 2018/074 Der Staatsgerichtshof als Verfassungsgerichtshof hat in seiner nicht-öffentlichen Sitzung vom 3. September 2018, an welcher teilnahmen: Präsident Dr. Hilmar Hoch als Vorsitzender; Prof. Dr. Peter Bussjäger und Prof. Dr. Bernhard Ehrenzeller als Richter; lic. iur. Marco Ender und Mag. Franziska Goop-Monauni als Ersatzrichter sowie Barbara Vogt als Schriftführerin in der Beschwerdesache Beschwerdeführer: | A
vertreten durch:
B
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Beschwerdegegner: | Spital C
vertreten durch:
D |
Belangte Behörde: | Fürstlicher Oberster Gerichtshof, Vaduz |
gegen: | Teilurteil und Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 4. Mai 2018, 08 CG.2014.415-93 |
wegen: | Verletzung verfassungsmässig und durch die EMRK gewährleisteter Rechte (Streitwert: vom Staatsgerichtshof amtswegig mit CHF 100‘000.00 festgesetzt) |
beschlossen: 1. | Der Individualbeschwerde wird keine Folge gegeben. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Teilurteil und den angefochtenen Beschluss des Fürstlichen Obersten Gerichtshofes vom 4. Mai 2018, 08 CG.2014.415-93, in seinen verfassungsmässig und durch die EMRK gewährleisteten Rechten nicht verletzt. |
2. | Der Beschwerdeführer ist schuldig, der Beschwerdegegnerin die Kosten ihrer Vertretung in Höhe von CHF 2‘686.90 binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. |
3. | Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 4‘000.00 trägt der Beschwerdeführer. |
SACHVERHALT | 1. | Gegenstand des vorliegenden Individualbeschwerdeverfahrens ist die Rechtmässigkeit der von der Beschwerdegegnerin ausgesprochenen fristlosen Entlassung des Beschwerdeführers. |
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| 2. | Der Oberste Gerichtshof legte seiner hier angefochtenen Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde. | | 2.1 | Der Kläger (Beschwerdeführer) sei ab 01.06.2013 als stellvertretender Chefarzt in einer Fachabteilung der Beklagten tätig gewesen. | | In einer Unterredung am 09.09.2014 zwischen dem Kläger und dem Präsidenten der Geschäftsprüfungskommission (GPK), E, sei über anonym erhobene Anschuldigungen gegen das Spital C über angebliche Qualitätsmängel gesprochen worden. Der Kläger habe dabei den leitenden Chefarzt der Beklagten der Vornahme aktiver Sterbehilfe in vier Fällen durch letale Morphindosen verdächtigt. | | Ein Gespräch diesbezüglich zwischen E und dem Gesundheitsminister unter Beiziehung eines Staatsanwalts fand am 11.09.2014 statt. | | E informierte daraufhin den Kläger, dass er bei Aufrechterhaltung der Vorwürfe gegen den leitenden Chefarzt Anzeige bei der Staatsanwaltschaft einbringen müsse. | | Am selben Tag erstattete der Kläger selbst Anzeige. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein Verfahren wegen des Verdachts fahrlässiger Tötung (§ 80 StGB), des Verdachts der Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB) und des Verdachts der Mitwirkung am Selbstmord (§ 78 StGB) gegen den leitenden Chefarzt F und unbekannte Täter ein, welches am 15.12.2014 eingestellt wurde. | | Ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wegen wissentlich falschen Verdächtigungen (§ 297 Abs. 1 zweiter StGB) wurde ebenfalls im Dezember 2016 eingestellt. | | Die Beurlaubung des Klägers durch die Beklagte (Beschwerdegegnerin) erfolgte am 26.09.2014, die fristlose Kündigung mit Schreiben vom 17.10.2014. |
| | 2.2 | Am 28.01.2014 reichte der Kläger Klage ein und begehrte von der Beklagten die Zahlung von CHF 540‘984.00 und EUR 53‘032.00 je s.A. | | Der Ausspruch der fristlosen Kündigung sei verspätet und grundlos, also rechtswidrig erfolgt. Die Strafanzeige gegen den Chefarzt sei angesichts des konkreten Verdachts und der Schwere der Vorwürfe berechtigt gewesen. Überdies habe der Kläger gemäss Art. 20 Abs. 1 ÄrzteG Anzeige erstatten müssen, ansonsten hätte er Beitragstäter sein können. Intern habe es keine Möglichkeit einer Meldung der Vorwürfe gegeben. Bei der vorzunehmenden ex ante Betrachtung sei die Einstellung des Strafverfahrens unbedeutend. Mit dem Präsidenten der GPK habe er nur gesprochen, um zu klären, an wen er sich wenden müsse und weil die GPK eine Kontrollfunktion gegenüber der Beklagten habe. | | Dem Kläger stehe jener Lohn zu, den er bei ordentlicher Kündigung erhalten hätte sowie angemessene Genugtuung. Zudem habe er Anspruch auf den Schaden, der ihm aus der widerrechtlichen fristlosen Kündigung und der damit verbundenen Persönlichkeitsverletzung entstanden sei. |
| | 2.3 | Die Beklagte begehrte die Abweisung der Klage: Die fristlose Kündigung sei nicht ohne Grund und nicht verspätet erfolgt. Der interne Dienstweg (Chefarzt, Spitaldirektor, Spitalleitung) sei ausser Acht gelassen worden. Dem Chefarzt gegenüber seien unbegründete Vorwürfe mangelnder Qualität und der Sterbehilfe erhoben worden, welche an die GPK weitergetragen worden seien. Nachdem Art. 20 Abs. 1 ÄrzteG keine Meldepflicht an den GPK-Präsidenten normiere, sei diese wohl zur Diffamierung der Betroffenen und Ausübung politischen Drucks erfolgt. |
| | 2.4 | Das Klagebegehren wurde vom Landgericht mit Urteil vom 29. August 2017 (ON 68) zur Gänze abgewiesen. Der Kläger wurde zum Kostenersatz von CHF 53‘858.37 an die Beklagte verpflichtet. | | 2.4.1 | Das Landgericht stellte den Sachverhalt – abgesehen vom bereits dargelegten Sachverhalt – wie folgt im Weiteren fest: | | A (Beschwerdeführer) sei gemäss Anstellungsvertrag als stellvertretender Chefarzt in einer Fachabteilung tätig gewesen, wobei er für die organisatorische Gesamtführung des ärztlichen Bereichs, qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Behandlung der Patienten und Einhaltung medizinischer Standards verantwortlich gewesen sei. Das Dienstreglement sei integrierter Bestandteil gewesen. Das unbefristete Arbeitsverhältnis habe von beiden Seiten unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Monatsende hin aufgelöst werden können. Anwendbar sei das liechtensteinische Recht, Gerichtsstand Vaduz. | | Am 09.09.2014 habe der Kläger bei Recherchen in elektronischen Patientenakten die Verlaufsbeurteilung des stationären Aufenthalts eines Patienten entdeckt, in welcher zu lesen gewesen sei, dass der Patient auf alle Medikamente verzichtet hätte und auf einen „Mo-Perfusor“ gewechselt sei, woraufhin er nach Gabe steigender Morphindosen am 22.08.2014 morgens gestorben sei. Der Kläger habe dies als Indiz für aktive Sterbehilfe gewertet. Nach weiteren Nachforschungen aufgrund dieses Verdachts habe er drei weitere Patienten, die seiner Ansicht nach nicht eines natürlichen Todes gestorben seien, ausfindig gemacht und sei zur Überzeugung gekommen, dass es zur Vornahme aktiver Sterbehilfe durch den behandelnden Chefarzt gekommen sei. | | Im Vorfeld des am 09.09.2014 stattgefundenen Gesprächs zwischen dem Kläger und dem GPK-Präsidenten hätten sich der damalige Spitalarzt G und H zwei Mal über in einem anonymen Schreiben erhobene Qualitätsvorwürfe ausgetauscht. H habe G gebeten, mit seinen Vorgesetzten darüber zu sprechen. Nach G's Kündigung im September 2014 habe H diesem den Rat gegeben, sich an den Kläger zu wenden und den Präsidenten der GPK als neutrale Instanz zu informieren. | | Parallel dazu habe H E kontaktiert und ihn vom anonymen Schreiben in Kenntnis gesetzt. E habe zudem ein weiteres anonymes Schreiben mit Vorwürfen gegen das Spital bekommen. E habe daraufhin erklärt, dieses Thema persönlich mit dem Kläger klären zu wollen, was schliesslich am 09.09.2014 geschehen sei. Neben diesen Qualitätsvorwürfen sei dann im Gespräch auch der Vorwurf der aktiven Sterbehilfe thematisiert worden, wobei der Kläger seine Rechercheergebnisse vorgebracht und seinen Verdacht geäussert habe. | | E habe daraufhin am 11.09.2014 das Gespräch mit dem Gesundheitsminister unter Beziehung eines Staatsanwaltes gesucht und dem Kläger anschliessend mitgeteilt, dass dieser bei Aufrechterhaltung der Vorwürfe selbst Anzeige erstatten und konkrete Fakten vorbringen müsse. Der Kläger habe dies noch am selben Tag getan, woraufhin ein Verfahren gegen F eingeleitet worden sei. | | Am 18.09.2014 hätten Polizeibeamte F von den Vorwürfen gegen ihn verständigt, die Patientenakten sichergestellt und F einvernommen. | | Nachdem der Kläger am 18.09.2014 und 19.09.2014 auf weitere mutmassliche unnatürliche Todesarten bei sechs Patienten von F gestossen sei, habe er die Staatsanwaltschaft informiert und sei anschliessend von der Polizei einvernommen worden. Seiner Ansicht nach sei von F aktive Sterbehilfe durch Verabreichung von Morphin erfolgt, wobei die konkrete Menge des verabreichten Morphins nur bei zwei Patienten nachweisbar sei. | | Der Kläger sei von 19.-27.09.2014 krank und zu 100% arbeitsunfähig gewesen. | | Es sei jedoch keine Abgleichung der – damals erst im Aufbau befindlichen – elektronischen Patienten-/Krankenakten, wo nicht alles vermerkt worden sei, mit den physischen Patientenakten, welche die „Hauptdokumente“ mit der vollständigen Dokumentation gewesen seien, durchgeführt worden. | | Bei der Beklagten habe zudem sehr wohl ein System zur anonymen Meldung kritischer Vorfälle bestanden. Der Verantwortliche, der solche Meldungen prüfe und Verbesserungsvorschläge bewerte, sei zunächst F, ab Frühjahr/Sommer 2014, also auch im September 2014, jedoch ein Dreiergremium gewesen. Eine Meldung durch den Kläger sei nie erfolgt. | | Der Kläger habe es nach eigenen Angaben nie in Betracht gezogen, F direkt mit den Vorwürfen zu konfrontieren, da er eine Eskalation der Situation bis hin zum Verweis aus dem Spital befürchtet habe. Auch eine Information des Spitaldirektors, zu dem ein neutrales Verhältnis bestanden habe, sei nicht in Betracht gekommen. Trotz gutem Verhältnis zum Stiftungsrat habe er auch diesem nicht vertraut. Der Kläger habe zum damaligen Zeitpunkt befürchtet, dass die für ihn glaubhaft vorliegende Tat so nicht aufgeklärt werden würde. | | Nach Konfrontation des F mit den Vorwürfen sei ein Krisenstab eingerichtet worden. Der stellvertretende Stiftungsratspräsident habe im Auftrag des Stiftungsrates Kopien der Akten gesichtet, F befragt und eine abschliessende Bestandsaufnahme und Beurteilung vorgenommen und am 19.09.2014 berichtet, dass bei der Betreuung der Patienten kein Fehlverhalten ersichtlich geworden sei, welches Sofortmassnahmen bedurft hätte. Am 22.09.2014 seien auch die Krankenakten weiterer sechs Patienten studiert und mit F erörtert worden. Auch hier habe kein Fehlverhalten vorgelegen. | | Am 24.09.2014, nach Information der Beklagten über die Person des Anzeigers und Übersendung des Protokolls seiner Einvernahme, gab der stellvertretende Stiftungsratspräsident eine weitere Stellungnahme ab: A scheine davon auszugehen, dass Morphiumabgabe durch eine Perfusor zum Tod führe, was wissenschaftlich nicht haltbar sei. Zum Tod führe die Grunderkrankung, nicht die Morphiumtherapie, die u.U. sogar zur Lebensverlängerung durch Stressreduktion beitragen könne. A's Aussagen müssten daher dahingehend interpretiert werden, dass er eine genauere Begründung im Arztbrief gewollt habe. Auch wenn nicht alle Details dokumentiert worden seien, sei dennoch eine gewissenhafte und genaue Arbeit am Patienten erfolgt. Mit dem Eintreten des Todes sei wegen der Grunderkrankung jederzeit zu rechnen gewesen. Die Qualität der Dokumentation sei überdies nicht beanstandet worden. Die Ausführungen von A seien zum Teil unvollständig (z.B. hinsichtlich der Indikatoren der Morphiumgabe) bzw. unrichtig. Die Unhaltbarkeit der Vorwürfe wäre sofort sichtbar gewesen, wenn A die gesamte Krankengeschichte und nicht nur Austrittsbriefe und elektronische Krankenakten studiert hätte. Die Unvollständigkeit der elektronischen Krankenakten sei bekannt gewesen, weswegen nicht verständlich sei, warum A nicht näher recherchiert habe, da ihm alle dafür notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestanden hätten. Die bisherigen Berichte und Anträge würden dadurch noch mehr bestätigt. | | Auch in einem weiteren angezeigten Fall sei man zum Schluss gekommen, dass kein Fehlverhalten vorliege. | | Neben den ersten internen Abklärungen sei auch ein Gutachten bei einem externen Palliativmediziner in Auftrag gegeben worden. Dieses Gutachten vom 15.10.2014, basierend auf Patientendossiers, Telefongesprächen und Mailkontakten mit Spitaldirektor, Vizepräsidenten des Stiftungsrats und Chefarzt, habe ergeben, dass es sich bei allen zehn untersuchten Fällen nicht um Sterbehilfe gehandelt habe, palliativ-medizinische Behandlung aufgrund des bevorstehenden Todes gerechtfertigt gewesen sei, der Tod wegen der Krankheit eingetreten sei, keine Absicht zur Lebensverkürzung sichtbar sei und Morphin zur Symptomkontrolle – nicht Lebensbeendigung – verabreicht worden sei. | | E habe die am 09.09.2014 im Gespräch mit dem Kläger erhobenen Vorwürfe am 22.09.2014 in einer Geschäftsprüfungskommissionssitzung zur Sprache gebracht. Nach Beschluss seien am 22.09.2014 Fragen an die Regierung bezüglich der erhobenen Qualitätsvorwürfe gestellt worden, welche am 28.09.2014 dem Stiftungsratspräsidenten bekanntgegeben worden seien. Die Stellungnahme der Beklagten dazu sei am 07.10.2014 an das Ministerium für Gesellschaft erfolgt. | | Der Kläger sei einmal am 28.02.2014 vom Spitaldirektor auf sein Verhalten angesprochen worden: Das Problemlösungsverhalten sowie der Umgang mit Mitarbeitern müssten geändert werden, was in den nächsten drei Monaten besonderer Beobachtung unterliege. Diesbezüglich habe in weiterer Folge auch ein Gespräch zwischen dem Kläger, F und dem Spitaldirektor stattgefunden. | | Mit Schreiben vom 23.09.2014 sei der Kläger von der Beklagten von der Erstellung interner Gutachten sowie der Durchführung externer Gutachten informiert worden und zur detaillierten Stellungnahme und Begründung der Vorwürfe binnen einer Woche aufgefordert worden. | | Die Beurlaubung des Klägers durch die Beklagte sei schliesslich mit Schreiben vom 26.09.2014 ausgesprochen worden: Nach Information durch Stiftungsrat und Spitaldirektor seien in einer ausserordentlichen Sitzung die Fakten erörtert und abgewogen worden. Es sei inakzeptabel, dass die Vorwürfe unmittelbar, ohne vorherige interne Erörterung, an die Behörde weitergetragen worden seien, da so der Ruf des Spitals und des betroffenen Arztes geschädigt werden könnten. Zudem müsse zwischen den an der Behandlung und Betreuung von Patienten beteiligten Personen ein Vertrauensverhältnis bestehen. Deswegen erfolge bis auf weiteres eine Beurlaubung, verbunden mit dem Betretungsverbot des Landesspitals. Weitere Auskünfte zu den Vorwürfen seien auf Verlangen zu erteilen. Diese Massnahme sei wegen der höchstwahrscheinlich haltlosen Vorwürfe und Unzumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit unumgänglich. | | Die Stellungnahme des Klägers zum Schreiben der Beklagten vom 23.09.2014 sei schriftlich am 02.10.2014 erfolgt: Der Kläger habe am 09.09.2014, nach Hinweis einer Ärztin auf eine unüblich hohe Zahl von Todesfällen in letzter Zeit, begonnen, Patientenakten kurz zuvor Verstorbener zu studieren. Schockiert über die vorgefundenen Behandlungsberichte und festgestellten Todesursachen habe er alle Austritts- und Behandlungsberichte sowie elektronischen Akten der letzten Wochen genau gelesen. Die dort aufgelisteten Behandlungsweisen seien ihm noch nie untergekommen und nicht lege artis. Er sei in weiterer Folge unsicher bezüglich der weiteren Vorgehensweise gewesen und habe sich nach langen Überlegungen am 11.09.2014 entschlossen, Anzeige zu erstatten. Dabei hätten das Wohl der Patienten und des Spital C an erster Stelle gestanden. Wegen der nicht zu vertretenden Handlungsweise in den angezeigten Fällen und der Überzeugung der strafrechtlichen Relevanz dieser sowie der nicht zu erwartenden Abhilfe, habe er keine innerbetriebliche Klärung veranlasst. Die Anzeige sei zum Schutz der Patienten, des Spitals und wegen den Bestimmungen des Ärztegesetzes sowie persönlichen Ethik- und Moralvorstellungen geboten gewesen. Ausser der Staatsanwaltschaft sei keine andere staatliche Stelle informiert worden. Die Patienten sollten geschützt und ethische und moralische Verpflichtungen des Ärztestandes und des Spitals geachtet werden, eine Schädigung des Spital C sowie des Rufs der Ärzte sollte nicht erfolgen. Das Gespräch mit dem GPK-Präsidenten sei aus Angst vor einer Entlassung nicht erwähnt worden. | | Den Inhalt des besagten Gesprächs habe die Beklagte am 13.10.2014 erfahren, dessen Stattfinden wurde durch ein Schreiben des Gesundheitsministeriums vom 08.10.2014 bestätigt. | | Nach Einlangen des externen Gutachtens, das die erhobenen Vorwürfe nicht bestätigt habe, sei der Kläger vom Spitaldirektor schriftlich (Schreiben vom 16.10.2014) zur Teilnahme an einer persönlichen Befragung am 17.10.2014 um 10:00 Uhr unter Beisein des Stiftungsratspräsidenten, Stiftungsratsvizepräsidenten und Spitaldirektors aufgefordert worden. Sollte eine Befragung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sein, könne diese nach Benachrichtigung beim Kläger zuhause durchgeführt werden. Bei sonstigem Nichterscheinen würden weitere Massnahmen ohne weitere Anhörung beschlossen. | | Auf diese Aufforderung habe der Kläger am selben Tag reagiert: Die Wahrnehmung des angebotenen Termins sei nicht möglich, alternativ sei der 20.10.2014 oder 21.10.2014 möglich. Zudem werde um Beiziehung einer Vertrauensperson ersucht. | | Der Spitaldirektor habe dem Kläger daraufhin zweimal mitgeteilt, dass eine Verschiebung des Termins aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei, die Beiziehung einer Vertrauensperson hingegen schon. Zudem sei erneut darauf hingewiesen worden, dass bei Nicht-Erscheinen weitere Massnahmen ohne Anhörung beschlossen würden. | | Der Kläger sei zum angegebenen Termin nicht erschienen, woraufhin er am 17.10.2014 „nach eingehender Prüfung sämtlicher relevanter Unterlagen“ und Heranziehung seiner Stellungnahme fristlos gekündigt worden sei. | | Das entsprechende Schreiben sei ihm noch am selben Tag zugegangen: Entgegen seiner Pflicht habe er die Vorwürfe sofort an die GPK und nicht an die dafür zuständigen internen Stellen weitergeleitet sowie anschliessend Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erhoben, was eine doppelte Missachtung des Dienstweges darstelle. Auf Nachfrage habe der Kläger darüber hinaus mitgeteilt, dass er ausser der Staatsanwaltschaft keine anderen staatlichen Stellen informiert habe, was sich im Nachhinein allerdings als unrichtig herausgestellt habe, da der Präsident der GPK schriftlich versichert habe, dass auch in einem Gespräch mit ihm diese Vorwürfe Thema gewesen seien. Der Kläger habe daher schriftlich gelogen. | | Im Gespräch mit dem GPK-Vorsitzenden seien zudem nicht nur Sterbehilfevorwürfe, sondern auch Qualitätsvorwürfe erhoben worden, die ebenfalls zuerst intern zu melden gewesen wären. Dieses Verhalten sei mit dem Posten des stellvertretenden Chefarztes nicht zu vereinbaren. Die Vorwürfe hätten sich, nach einer Stellungnahme des Spitals an die Regierung, überdies als falsch herausgestellt. | | Nachdem das externe Expertengutachten die Unhaltbarkeit der Sterbehilfevorwürfe bestätigt habe, seien diese im Endeffekt also auch nicht gerechtfertigt gewesen, was eine Weiterbeschäftigung eindeutig unmöglich mache. | | Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, den Chefarzt, ansonsten den Spitaldirektor oder allenfalls auch den Stiftungsratsvorsitzenden oder andere Mitglieder des Stiftungsrates, von den Vorwürfen in Kenntnis zu setzen. Es lägen keinerlei Umstände vor, die das Vertrauen in eine gründliche Behandlung der Vorwürfe durch den Stiftungsrat in Zweifel ziehen würden, zudem auch ein unbelastetes Verhältnis zu den Mitgliedern bestanden habe. Es sei daher „überhaupt nicht verständlich“, warum keine Meldung durchgeführt worden sei. Diese könne nur in der Absicht, das Spital C in Misskredit zu bringen, unterblieben sein. | | Die Vorwürfe seien ungerechtfertigt nach aussen getragen worden und dies nicht einmal an die zuständige Aufsichtsbehörde. Nachdem neben den Vorwürfen der Sterbehilfe auch solche über mangelnde Qualität erhoben worden seien, sei das Ausmass der Verfehlungen derart gross, dass nur die Möglichkeit bleibe, das Arbeitsverhältnis sofort aufzulösen. | | Die Aufforderung zur zweiten Stellungnahme sei am 16.10.2014 erfolgt, alternativ sei eine Befragung zu Hause angeboten worden. Das Ersuchen um Verschiebung wegen Krankheit sowie Kurzfristigkeit des Termins sei nicht glaubhaft, da der Termin sehr wohl wahrgenommen werden hätte können, wie ein am 13.10.2014 gegebenes Radiointerview beweise. Zudem sei klar ersichtlich, dass mit einer fristlosen Kündigung nicht zugewartet werden könne. In weiteren E-Mails sei auf dem Termin beharrt und eine Verschiebung abgelehnt worden. Trotz Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson habe der Kläger den Termin zur Stellungnahme ungenützt verstreichen lassen. | | Durch dieses inakzeptable Verhalten sei das Vertrauensverhältnis, welches zwingende Notwendigkeit für ein Arbeitsverhältnis bilde, grundlegend zerstört und könne nicht wieder hergestellt werden. Die Fortführung des Arbeitsverhältnisses sei unzumutbar, weswegen eine fristlose Entlassung zwingend notwendig sei. Weitere Unterlagen zum Austritt würden in den nächsten Tagen noch übermittelt. | | Der vom Untersuchungsrichter beauftragte Gutachter sei im Gutachten vom 30.10.2014, welches am 11.12.2014 bei Gericht einlangte, zum Schluss gekommen, dass die Verabreichung von Morphin in den vorliegenden Fällen für den Tod der Patienten nicht kausal gewesen sei. Zweifel an solchen Entscheidungen und optimale Kontrolle könnten durch bessere Dokumentation verhindert bzw. sichergestellt werden. Die Vorerhebungen gegen F wegen Verstoss gegen §§ 88 Abs. 1 und 4, 1. Fall, 77, 78 und 110 Abs. 1 StGB seien in der Folge mit 15.12.2014 eingestellt worden. Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger wegen § 297 Abs. 1, zweiter Fall StGB sei im Dezember 2016 erfolgt. |
| | 2.4.2 | Das Gericht stellte weiters fest, dass die Entlassung zu Recht erfolgt sei: | | Der Kläger hätte zunächst mit dem Chefarzt reden, seine Vorwürfe anhand der physischen Patientenakten sowie weiterer „Ermittlungen“ näher nachprüfen sowie intern melden müssen. Die direkte Weiterleitung der Vorwürfe an den Präsidenten der GPK sowie die Staatsanwaltschaft würden eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Überdies habe der Kläger die Beklagte bezüglich der Weitergabe der Informationen an äussere Stellen angelogen. Die Entlassung sei rechtzeitig erfolgt, da sofort nach Bekanntwerden der Person des Anzeigers am 21.09.2014 interne Abklärungen durchgeführt worden seien sowie zwei Tage später der Kläger um Stellungnahme gebeten und ein externes Gutachten eingeholt worden sei. Die Beurlaubung sei am 26.09.2014 erfolgt. Einen Tag nach Einlangen des Gutachtens am 15.09.2014 sei eine Besprechung angesetzt worden, an der der Kläger nicht teilgenommen habe. Daraufhin sei die Entlassung erfolgt. Dieser Vorgang sei gerechtfertigt gewesen. |
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| | 2.5 | Das Obergericht gab der gegen die Entscheidung des Landgerichts erhobenen Beschwerde teilweise Folge: Dem Kläger wurden CHF 125‘000.00 s.A in Form eines Teilurteils zugesprochen. Des Weiteren wurde das erstinstanzliche Urteil im Umfang von 125‘000.00 samt 5% Zinsen seit 28.11.2014, CHF 290‘984.00 samt 5% Zinsen seit 3.3.2017 und EUR 53‘032.99 samt 5% Zinsen seit 3.3.2017 aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Dem Aufhebungsbeschluss wurde ein Rechtskraftvorbehalt beigesetzt. | | 2.5.1 | Die behaupteten Mangelhaftigkeiten lagen nach Ansicht des Obergerichts nicht vor. Der Beweisrüge war ebenso kein Erfolg beschieden. |
| | 2.5.2 | Die rechtliche Argumentation des Klägers wurde hingegen als richtig erachtet: Die Entlassung sei nicht gerechtfertigt gewesen und nicht fristgerecht erfolgt. Die Entlassung sei auf die Meldung der Vorwürfe an den GPK-Präsidenten und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gestützt worden. Die Weiterleitung von Missständen an Dritte sei gemäss schweizerischer Lehre und Rsp von der Meinungsäusserungsfreiheit geschützt, weswegen zusätzlich zur Weiterleitung ein schwerwiegender Verstoss gegen die Treuepflicht vorliegen müsse, um eine fristlose Entlassung zu rechtfertigen. Eine leichtfertig oder absichtlich erfolgte Weiterleitung liege hier nicht vor, da der Kläger subjektiv nach eigenen Recherchen die Vornahme von Sterbehilfe angenommen habe. Die Einleitung eines Vorerhebungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft – die anschliessende Einstellung sei unbeachtlich – würden bestätigen, dass der Verdacht begründet gewesen sei. Unverhältnismässigkeit durch Weiterleitung der Vorwürfe an externe Stellen liege angesichts von deren Schwere ebenfalls nicht vor. Sowohl der GPK-Präsident als auch die Staatsanwaltschaft seien der Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet. Eine Meldung im Rahmen des internen Meldesystems an den Chefarzt wäre – wie vom Kläger angenommen – nicht zweckmässig gewesen. Gemäss Art. 20 Abs. 1 ÄrzteG habe der Kläger die Pflicht zur Anzeige an das Amt für Gesundheit bzw. den amtsärztlichen Dienst. Die direkte Einschaltung der Staatsanwaltschaft anstelle dieser Behörde schade nicht. Es liege daher keine derart schwere Treuepflichtverletzung vor, die eine fristlose Entlassung rechtfertigen würde. Zudem hätte bereits am 26.09.2014 ausreichend sicher Kenntnis von den Umständen der Treuepflichtverletzung bestanden, das externe Gutachten habe lediglich das interne bestätigt. Die Entlassung am 17.10.2014 sei also verspätet erfolgt. Der Kläger habe bei einer ordentlichen Kündigungsfrist von sechs Monaten Anspruch auf ein halbes Jahresgehalt zum von ihm geltend gemachten Fälligkeitszeitpunkt. Der begehrten Strafzahlung bzw. den Schadenersatz- und Schmerzengeldansprüchen mangle es hingegen an Sachverhaltsfeststellungen bzw. zum Teil an einem substantiierten Vorbringen. Das Urteil sei im angeführten Umfang aufzuheben, sodass es dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung und Anleitung des Klägers zur Erstattung eines substantiierten Vorbringens möglich sei, die erforderlichen Feststellungen hinsichtlich der Strafzahlung zu treffen. |
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| | 2.6 | Gegen diese Entscheidung des Obergerichts vom 10. Januar 2018 (ON 85) erhob die Beklagte Revision und (Revisions-)Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Der Berufung des Klägers solle keine Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt werden. Zudem wurde ein Kostenantrag gestellt. | | Der Kläger bestritt den behaupteten Rechtsmittelgrund und beantragte, der Revision keine Folge zu geben, den (Revisions-)Rekurs zurück-, in eventu abzuweisen und die Verpflichtung der Beklagten zum Kostenersatz. |
| | 2.7 | Der Oberste Gerichtshof gab der Revision mit Teilurteil und Beschluss vom 4. Mai 2018 (ON 93) dahingehend Folge, dass das angefochtene Teilurteil des Obergerichtes (Spruchpunkt 1.) zu lauten hatte: | | „Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von CHF 125‘000.00 samt 5% Zinsen seit dem 28.11.2014 zu zahlen, wird a b g e w i e s e n.“ | | Dem Revisionsrekurs wurde ebenfalls Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung (Spruchpunkt 2.) einschliesslich des ausgesprochenen Kostenvorbehalts (Spruchpunkt 3.) aufgehoben und die Rechtssache unter Bindung an die Rechtsansicht des Fürstlichen Obersten Gerichtshofs zur neuerlichen Entscheidung an das Fürstliche Obergericht zurückverwiesen. Begründend führte der Oberste Gerichtshof aus: | | 2.7.1 | Die Parteien hätten die Anwendung liechtensteinischen Rechts vereinbart, dieses sei nach Art. 48 Abs. 1 IPRG massgeblich. Wegen der weitgehenden Rezeption des schweizerischen Arbeitsvertragsrechts seien zur Interpretation schweizerische Literatur und Judikatur heranzuziehen (F OGH vom 05.05.2017 zu 03 CG.2016.218 Erw 9.2.; Pool 2004, 81; LES 2009, 187; LES 2011, 156; Marxer & Partner, Wirtschaftsrecht 284). |
| | 2.7.2 | Hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes für die fristlose Kündigung führte der Oberste Gerichtshof wie folgt aus: | | Nach den gesetzlichen Vorschriften sei eine fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Vorliegen wichtiger Gründe, welche nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen, zulässig. Die Entlassung stelle jedoch eine ausserordentliche Massnahme dar und dürfe nur zurückhaltend angewandt werden. Unzumutbarkeit liege bei derartiger Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses, welches die Auflösung als einzigen Ausweg erscheinen lasse, vor. Gerechtfertigt werden könne dies nur bei besonders schwerer Pflichtverletzung bzw. wiederholten Verletzungen der Arbeits- oder Treuepflichten nach vorhergehenden Mahnungen, wenn dem Vertragspartner eine Auflösung durch ordentliche Kündigung oder Zeitablauf nicht mehr zugemutet werden könne (BGE 117 II 560 E. 3b mit Hinweisen; BVGer A-2718/2016 vom 16.03.2017 E 5.3). Ein Arbeitsverhältnis umfasse sowohl den Austausch vermögenswerter Leistungen als auch die Begründung persönlicher Beziehungen. Der Arbeitnehmer müsse „die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen [...] wahren“ (§ 1173a Art 4 Abs 1 ABGB Art 321a Abs 1 OR). Damit korrespondiere die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Die Treuepflicht sei bei leitenden Angestellten stärker ausgeprägt als bei untergeordneten (BGE 4A_32/2008 vom 20.05.2008 E 3.1). | | Sofern wichtige öffentliche Interessen oder Interessen Dritter gefährdet seien oder sich Handlungen gegen Mitarbeiter richten würden, können Geschäftsgeheimnisse zur Anzeige gebracht werden. Internes Whistleblowing habe i.S.d. Verhältnismässigkeit nur Vorrang, wenn es Erfolgsaussichten habe. Bei Untätigkeit der Behörden könne darüber hinaus – unter grösster Beachtung des Verhältnismässigkeitsprinzips – auch die Öffentlichkeit informiert werden. Das Whistleblowing behandle die rechtliche Frage, wann Missstände nach aussen getragen werden dürfen bzw. mit welchen Sanktionen der Whistleblower seitens des Arbeitsgebers rechnen müsse (BK OR I-Portmann, Art 321a N 28). Das Bundesgericht habe die fristlose Entlassung eines Kadermitarbeiters, der objektiv unbegründet Anzeige gegen seinen unmittelbaren Vorgesetzten erstattet habe, in einem Urteil bestätigt (siehe dazu Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag7, Art 321a N 14; vgl. dazu auch die Rsp in Österreich, welche ebenso haltlose und subjektiv unbegründete Anschuldigungen fordert [RIS-Justiz RS0113682]). | | Der Kläger habe bloss die unvollständigen elektronischen Akten herangezogen. Es sei ihm bekannt gewesen, dass diese neu eingeführt worden seien. Die vollständige Dokumentation sei im „Papierakt“ zu finden gewesen und hätte vom Kläger jederzeit eingesehen werden können. Hätte er auch diese Akten herangezogen, hätte er die Unhaltbarkeit der Vorwürfe sofort erkannt. Der Kläger habe die Anschuldigungen vor Erhebung der Vorwürfe an Dritte nicht stichhaltig geprüft, obwohl er als leitender Angestellter und im Hinblick auf die Schwere der Vorwürfe dazu verpflichtet gewesen wäre, z.B. durch Einsicht in die „Papierakten“, und ihm dies auch zugemutet werden hätte können. Die Anschuldigungen, die der Anzeige bzw. Meldung zu Grunde gelegen hätten, seien unhaltbar bzw. ohne objektive Gründe erfolgt. Dies stelle eine Treuwidrigkeit dar (vgl. BGer 4A_32/2008 vom 20.05.2008 ARV 2008 S 200). Der Kläger hätte seinen Verdacht näher hinterfragen und weiter prüfen müssen. Nachdem dies nicht erfolgt sei, sei die Meldung an externe Stellen bzw. Anzeigenerhebung eine schwere Treuepflichtverletzung, welche zweifelsfrei als Rechtfertigung für eine fristlose Entlassung diene. | | Die Frage nach der geeigneten Meldestelle müsse daher nicht erörtert werden. Die Einleitung eines Verfahrens gegen den Chefarzt durch die Staatsanwaltschaft aufgrund der erhobenen Anschuldigungen ändere nichts am Umstand, dass die Anzeigenerhebung leichtfertig vorgenommen worden sei. Die gesetzliche Anzeigepflicht nach Art. 20 Abs. 1 ÄrzteG sei nicht auf haltlose Anschuldigungen anwendbar und sehe wenn dann eine Anzeige an das Amt für Gesundheit bzw. den amtsärztlichen Dienst vor. |
| | 2.7.3 | Die fristlose Entlassung sei überdies noch rechtzeitig erfolgt. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes müsse die Entlassung unverzüglich erfolgen, da ansonsten die subjektive Zumutbarkeit der Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist angenommen werde und das Recht auf sofortige Auflösung verwirkt sei (BGE 138 I 113 E. 6.3.1; BGE 130 III 28 E. 4.4; BGE 123 III 86 E. 2a ua). Die Rechtzeitigkeit sei im Einzelfall zu beurteilen, in der Regel dürfe die Frist, u.a. auch zur Abklärung der rechtlichen Situation, 2-3 Tage nicht übersteigen, ausser es sei unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse des Alltags- und Wirtschaftslebens verständlich und berechtigt (BGE 138 I 113 E. 6.3.2; BVGer A-2718/2016 vom 16.03.2017 E. 7.1). Eindeutige Sachverhalte seien anders zu beurteilen als solche, in denen zunächst Ermittlungen erforderlich seien oder Verfehlungen nach und nach hervorkämen. Müssten zunächst Umfang der Verfehlung und Verantwortlichkeit abgeklärt werden, so beginne die Überlegungsfrist erst mit Ende der Abklärungsfrist zu laufen. Sofern der Vorwurf bereits feststehe, sei es dem Arbeitgeber zumutbar, sich während der Abklärungsfrist mögliche Konsequenzen für den Fall des Zutreffens der Vorwürfe zu überlegen. Hier habe er keine Überlegungsfrist nach der Abklärungsfrist (BGer 4 C.187/2004 vom 05.07.2004 E. 4.1). Die Überlegungsfrist beginne nicht bei bloss ernsthaften Zweifeln am vertragskonformen Verhalten der Gegenseite zu laufen, solange dem auflösenden Partner die Umstände nicht hinreichend sicher bekannt seien sowie Abklärungen vorzunehmen seien. Dies habe allerdings so rasch als möglich zu geschehen. Der Arbeitgeber müsse aber dennoch genug Zeit haben, den Vorwürfen mit der gebotenen Sorgfalt nachzugehen. Die Beweis- und Behauptungslast für die Rechtzeitigkeit liege beim Auflösenden (Obergericht Zürich LA160004 vom 17.08.2016 E. II/1.2; BVGer A-2718/2016 vom 16.03.2017 E. 7.2; Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag7, Art 337 N 17). Die Person des Klägers sei der Beklagten erstmals am Abend des 21.09.2014 bekannt geworden. Bereits am 19.09.2014 und am 22.09.2014 habe intern eine erste Abklärung durch den Stiftungsratsvizepräsidenten stattgefunden, um gegebenenfalls den beschuldigten Arzt zu suspendieren. Zudem seien bereits Vorbereitungen zur Einholung eines externen Gutachtens, welches am 23.09.2014 in Auftrag gegeben worden sei, gelaufen. Der Kläger sei unverzüglich um eine Stellungnahme gebeten und am 26.09.2014 schliesslich beurlaubt worden, da sein Vorgehen und Verhalten inakzeptabel gewesen seien und die Beurlaubung sowie das Betretungsverbot des Spitals in beiderseitigem Interesse und zur Aufrechterhaltung des ungestörten Betriebs erfolgen würden. Das externe Gutachten sei am 15.10.2014 vorgelegen, woraufhin der Kläger am nächsten Tag zu einem Termin am 17.10.2014 für eine erneute Stellungnahme geladen worden sei, den er nicht wahrgenommen habe und in Folge dessen die Entlassung erfolgt sei. | | Die sorgfältige Abklärung der Vorwürfe, u.a. durch Einholung eines externen Gutachtens, sei angesichts der Schwere derselben zulässig gewesen. Um die Verwirkung des Entlassungsrechts zu verhindern, sei der Kläger zudem ohnehin beurlaubt worden. Dadurch sei seitens der Beklagten klargestellt worden, „dass ein späterer Entlassungsausspruch mit der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nicht in Widerspruch stehe und sie auf das Entlassungsrecht nicht verzichte“. Nach Kenntnis des externen Gutachtens und Anberaumung einer weiteren Möglichkeit zur Stellungnahme sei die Entlassung unverzüglich – und sohin im vorliegenden Fall rechtzeitig – ausgesprochen worden. | | Der Revision sei daher stattzugeben und das Teilurteil dahingehend zu ändern, „dass das zugrundeliegende Begehren abgewiesen und insoweit die erstinstanzliche Entscheidung wieder hergestellt“ werde. |
| | 2.7.4 | Die Ausführungen des OGH zum Revisionsrekurs lauteten wie folgt: | | Nachdem die Entlassung gerechtfertigt und obendrein rechtzeitig erfolgt sei, mangle es den weiteren vorgebrachten Klagsansprüchen an jeglicher Grundlage. Der Revisionsrekurs gegen den Aufhebungsbeschluss sei zwar berechtigt, allerdings könne der Oberste Gerichtshof nicht in merito entscheiden (vgl. § 487 ZPO). Der Aufhebungsbeschluss müsse behoben und die Sache daher zum Erlass der (klagsabweisenden) Sachentscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (LES 2007, 302; LES 2002, 299). Der Kostenvorbehalt beruhe auf § 58 ZPO, da eine abschliessende Entscheidung über die Kosten des drittinstanzlichen Verfahrens noch nicht möglich sei, nachdem die Behebung des Aufhebungsbeschlusses und Zurückverweisung an das Berufungsgericht – trotz Bindung des Berufungsgerichtes an die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes – noch keine abschliessende Entscheidung sei. Zudem müsse bedacht werden, dass das Teilurteil nur einen Bruchteil des Gesamtstreitwertes betreffe (vgl. EFSlg 88.054). |
| | 2.7.5 | Abschliessend verneinte der Oberste Gerichtshof noch die Zulässigkeit weiterer Rechtsmittel. |
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| 3. | Gegen das Teilurteil und den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 04.05.2018 (ON 93) erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 04.06.2018 Individualbeschwerde an den Staatsgerichtshof, wobei eine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit gemäss Art. 40 LV und Art. 10 EMRK; des Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz (Gleichheitsgrundsatz) gemäss Art. 31 Abs. 1 LV sowie des Willkürverbots geltend gemacht wird. Beantragt wird, der Staatsgerichtshof wolle der gegenständlichen Individualbeschwerde Folge geben und feststellen, dass der Beschwerdeführer durch das angefochtene Teilurteil und den angefochtenen Beschluss des Obersten Gerichtshofes in seinen verfassungsmässig und durch die EMRK gewährleisteten Rechten verletzt worden sei; er wolle die genannte Entscheidung deshalb aufheben und unter Bindung an die Rechtsansicht des Staatsgerichtshofes zur neuerlichen Entscheidung an den Obersten Gerichtshof zurückverweisen sowie die Beschwerdegegnerin zum Ersatz der gesamten Verfahrenskosten an den Beschwerdeführer zuhanden seines ausgewiesenen Rechtsvertreters binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution verpflichten. | | 3.1 | Zur Zulässigkeit der Individualbeschwerde führte der Beschwerdeführer u.a. Folgendes aus: | | Gegen die Entscheidung könne kein ordentliches Rechtsmittel erhoben werden, weswegen sie gemäss Art. 15 Abs. 1 StGHG letztinstanzlich sei. Sie sei überdies auch enderledigend (Art. 15 Abs. 1 StGHG). Enderledigung sei gegeben, wenn die Entscheidung nicht als Zurückweisungsentscheidung, sondern im gesonderten Instanzenzug ergangen sei. Entscheidend bei der Beurteilung der Anfechtbarkeit mittels Individualbeschwerde sei nach stRsp des StGH, ob eine Behebung der gerügten Grundrechtsverletzung durch Aufhebung der letztinstanzlichen Hauptentscheidung noch möglich sei (StGH 2006/43, Erw. 4.2). Teilurteil und Aufhebungsbeschluss würden im vorliegenden Fall eine untrennbare Einheit darstellen und seien gesamt zu betrachten. Das Kriterium der Enderledigung liege vor, da die Beurteilung der meritorischen Frage der Rechtswidrigkeit der fristlosen Entlassung die Grundlage für das Teilurteil und den Aufhebungsbeschluss bilde und der OGH nur deshalb eine Zurückverweisung vorgenommen habe, weil er nicht in merito entscheiden könne. Es läge zudem ein widersprüchliches Ergebnis vor, wenn der Aufhebungsbeschluss nicht angefochten würde und das Obergericht eine klagsabweisende Sachentscheidung treffen müsste sowie der OGH bei Kassation des Teilurteils durch den StGH eine klagsstattgebende Sachentscheidung zu treffen hätte. |
| | 3.2 | Zur Verletzung der Meinungsfreiheit nach Art. 40 LV und der Meinungsäusserungsfreiheit gemäss Art. 10 EMRK: | | 3.2.1 | Art. 40 LV schütze das Recht eines jeden zur freien Meinungs- und Gedankenäusserung in Wort, Schrift, Druck oder Bild unter Beachtung der gesetzlichen und sittlichen Schranken. Art. 10 EMRK gewährleiste die Meinungsäusserungsfreiheit und schütze ebenso Tatsachenmitteilungen, mögen sie auch unrichtig sein (vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl., § 23 Rz 5). Die Meldung von Missständen an Aussenstehende sei nicht nur eine Tatsachenbehauptung, sondern beinhalte ein Werturteil über die Schwere der Vorwürfe, aufgrund dessen eine Anzeige bzw. ein Einschreiten zur Wahrung von verschiedenen Interessen erfolge. Externes Whistleblowing sei daher vom Schutz des Art. 40 LV und Art. 10 EMRK umfasst (beispielhaft: Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag, 7. Aufl., Art. 321a Rz 14; Stefan Rieder, Whistleblowing als interne Risikokommunikation, Zürich 2013, § 6 Rz 345 ff.). | | Das Recht zum Whistleblowing sei nach stRsp des EGMR grundrechtlich geschützt (vgl. Urteil des EGMR Nr. 14277/04 Guja vs. Moldawien v. 12.02.2008; Urteil des EGMR Nr. 28274/08 Heinisch vs. Deutschland v. 21.07.2011; Urteil EGMR Nr. 79040/12 Rubins vs. Lettland v. 13.1.2015). Nicht jede Kritik am Arbeitgeber und Weitergabe von Infos an Dritte sei untersagt, sondern sei bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen, v.a. bei öffentlichem Interesse, von Art. 10 EMRK geschützt. |
| | 3.2.2 | In casu sei nach anonymen Qualitätsvorwürfen ein Treffen zwischen dem GPK-Präsidenten und dem Beschwerdeführer als damaligen stellvertretenden Chefarzt am 09.09.2014 erfolgt. Nachdem der Beschwerdeführer im Zuge von Recherchen auf den Verdacht der aktiven Sterbehilfe gestossen sei, habe er diesen in der Unterredung ebenfalls zur Sprache gebracht, woraufhin am 11.09.2014 ein informelles Treffen zwischen dem GPK-Präsidenten, dem Gesundheitsminister und einem Staatsanwalt stattgefunden habe. Obwohl der Gesundheitsminister schon vor der Anzeige von den Vorwürfen Kenntnis gehabt habe, habe er die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft gegeben und keinen politischen Handlungsbedarf gesehen. Am 11.09.2014 habe der Beschwerdeführer nach Aufforderung des GPK-Präsidenten Anzeige erstattet. Die Entlassung sei erst am 17.10.2014 erfolgt, also fast vier Wochen, nachdem die Beschwerdegegnerin Kenntnis von der Person des Anzeigers erhalten habe (21.09.2014). |
| | 3.2.3 | Die Anzeige sei als Whistleblowing anzusehen, welches von Art. 40 LV und Art. 10 EMRK geschützt sei. Durch die Entlassung seien diese Bestimmungen verletzt worden. Eingriffe in das Recht zur freien Meinungsäusserung müssten gesetzlich hinreichend bestimmt vorgesehen und verhältnissmässig sein sowie im Interesse der Öffentlichkeit liegen. |
| | 3.2.4 | Die Rechtsansicht, wonach die Meldung der Vorwürfe an Dritte bzw. eine Anzeigenerstattung eine Entlassung wegen Treuepflichtverletzung rechtfertigen würden, sei verfehlt. Der OGH bringe diesbezüglich vor, dass die Meldung bzw. Anzeige unhaltbar und objektiv unbegründet erfolgt seien. Die Vorwürfe hätten noch näher abgeklärt werden müssen. Der OGH lasse dabei jedoch ausser Acht, dass dieses Verhalten keinen Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit rechtfertigen könne und die Voraussetzungen für einen Eingriff nicht vorlägen. |
| | 3.2.5 | Wichtige Gründe, bei denen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter keinen Umständen mehr möglich sei, würden jede Vertragspartei zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen. Die Beendigung durch ordentliche Kündigung sei in solchen Fällen unzumutbar. Schwerwiegende Verstösse des Arbeitnehmers gegen die Treuepflicht würden einen solchen wichtigen Grund darstellen. Der OGH habe hier jedoch unrichtigerweise das Vorliegen eines schweren Grundes, der eine Entlassung rechtfertige, angenommen, indem er die Anschuldigungen als objektiv unhaltbar und sohin als schwerwiegende Treuepflichtverletzung qualifiziert habe. Im vorliegenden Fall lägen aber sehr wohl objektive Gründe vor, welche die Anzeige gerechtfertigt hätten: Leichtfertige, böswillige oder wissentlich falsche Erstattung von Anzeigen sei untersagt. Eine Anzeige müsse immer begründet sein, wobei das Erfordernis der Begründetheit weit auszulegen sei, v.a. wenn der Beschwerdeführer über fachliches Wissen verfüge und Leib und Leben von Personen in Gefahr sei. Das Vorhandensein konkreter Hinweise bzw. mehrerer Anhaltspunkte auf gesetzwidriges Handeln genüge daher, um einen begründeten Verdacht herzustellen (Stefan Rieder, Whistleblowing als interne Risikokommunikation, Zürich 2013, S. 14 Rz 28). Sichere Kenntnis sei nicht erforderlich, man müsse den Einzelfall betrachten. Die Einsicht in die elektronischen Patientenakten sei angesichts der Expertise des Beschwerdeführers ausreichend gewesen, um einen begründeten Verdacht hervorzurufen, welcher eine Meldung gerechtfertigt habe. Das auch vor dem Hintergrund, dass rechtliche und moralische Handlungspflichten sowie akute Gefahr für Leib und Leben bestanden hätten und sich der Beschwerdeführer bei Zuwarten u.U. selbst strafbar gemacht hätte. | | Leichtfertigkeit liege nach Ansicht des OGH vor, da die Anschuldigungen nicht durch weitere Recherchen verifiziert worden seien. Der OGH verkenne dabei, dass der Beschwerdeführer über die notwendige Expertise verfüge, um bereits nach Einsicht in die elektronischen Patientenakten die Sachlage entsprechend beurteilen zu können. Die Todesfälle seien eindeutig unnatürlich: In den elektronischen Akten sei die Morphingabe mittels Perfusor und dem Vermerk „no limits“ angeordnet worden, zudem habe ein Gutachten bestätigt, dass die Bewertungen des Klägers nachvollziehbar gewesen seien. Der OGH verkenne, dass entscheidend sei, ob unter ex-ante Betrachtung die Ersteinschätzung und Handlung unter Berücksichtigung der Umstände vertretbar gewesen seien und nicht, ob die erhobenen Vorwürfe am Ende zu einer Verurteilung geführt haben. Die Handlungsweise sei hier eindeutig geboten gewesen, da ja vor der Anzeigenerstattung sogar noch eine der Amtsverschwiegenheit unterliegende Person informiert worden sei (der GPK-Präsident), welche den Beschwerdeführer nach einer weiteren Besprechung sogar zur Anzeige aufgefordert habe. Ex ante betrachtet sei dieses Verhalten vorbildlich, da nicht, in Ermangelung einer geeigneten internen Stelle zur Meldung, sofort Anzeige erstattet worden sei. Nachdem in den elektronischen Patientenakten explizit die Morphingabe mittels Diffusor und dem Vermerk „no limits“ angeordnet worden sei, sei es unerheblich, dass keine weiteren Nachforschungen vorgenommen worden seien. Diese Anordnung könne nur als Anordnung aktiver Sterbehilfe verstanden werden, da überdies die medizinische Indikation in Einzelfällen zweifelhaft gewesen sei. Die Anzeigenerhebung sei daher auch ohne weitere Analysen und Ermittlungen, welche Aufgabe der Staatsanwaltschaft seien, gerechtfertigt gewesen. Angesichts der Schwere des Verdachts hätte mit der Anzeigenerstattung nicht einmal zugewartet werden müssen, diese hätte auch sofort erfolgen können. Dem Beschwerdeführer wäre vom GPK-Präsidenten sicherlich eine andere Vorgehensweise nahegelegt worden, wenn eine solche bestanden hätte. Dem Beschwerdeführer könne daher kein arbeitsrechtlicher Vorwurf gemacht werden. Die der Anzeigenerstattung vorangegangene Information des GPK-Präsidenten, gefolgt von der Konsultation des Gesundheitsministers und eines Staatsanwaltes könne einer internen Meldung gleichgehalten werden, die ausschliessen solle, dass eine Strafanzeige leichtfertig erstattet werde. Im konkreten Fall gelte dies umso mehr, da es an einer geeigneten internen Meldestelle gemangelt habe und wegen persönlicher Verflechtungen die Ernsthaftigkeit einer internen Überprüfung allfälliger Vorwürfe stark anzuzweifeln gewesen wäre. Diese Annahme sei in weiterer Folge durch die Unterlassung der Suspendierung des Chefarztes während der Abklärung der Verdachtsmomente bestätigt worden. Eine nicht leichtfertig erstattete Strafanzeige rechtfertige keine fristlose Entlassung – unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens – wenn vernünftige Gründe für den unbestätigten Verdacht vorgelegen hätten (Council of Europe Parliamentary Assembly, Resolution 1729 [2010], Protection of „whistle-blowers“, E. 6.2.4). Eine gesetzliche Grundlage zur Rechtfertigung des Eingriffs liege daher nicht vor, überdies wäre ein solcher auch nicht verhältnismässig oder im öffentlichen Interesse liegend. |
| | 3.2.6 | Zur Rechtfertigung eines Eingriffs müsse ein legitimes Eingriffsinteresse, wie öffentliches Interesse oder der Schutz Grundrechte Dritter, vorliegen. Die Interessen des Beschwerdeführers an seinem Recht auf freie Meinungsäusserung bzw. die zu wahrenden Interessen Dritter seien mit dem Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung der Meldung abzuwägen und müssten diese überwiegen. Die Information liege hier zweifelsfrei im öffentlichen Interesse: Das Spital sei eine Landeseinrichtung, Patienten hätten daher Anspruch auf Kenntnis der Information über Missstände, vor allem, da unmittelbar ihr Leib und Leben betroffen seien und möglicherweise eine strafbare Handlung vorliege. Strafverfolgungsbehörden seien verpflichtet, Verdachtsmomente hinsichtlich strafbarer Handlungen in landeseigenen Institutionen abzuklären und entsprechende Massnahmen zu setzen. Um Missbrauchsfälle zu vermeiden, sei die Meldung über Qualität, Mängel oder allfällige strafbare Handlungen essenziell. Dem Schutz der Patienten komme dabei ein besonderer Stellenwert zu, da es diesen oft nicht oder nur unter grosser Gefahr möglich sei, Mängel aufzuzeigen (vgl. Urteil des EGMR Nr. 28274/08 Heinisch vs. Deutschland v. 21.07.2011, Rz 71). Der EGMR gewichte beispielsweise das öffentliche Interesse an Informationen über Mängel in der Altenpflege in einem staatlichen Altersheim eindeutig höher als den Schutz des Rufs bzw. die Geschäftsinteressen des Unternehmens. Es bestehe daher angesichts der Schwere der Vorwürfe und der Betroffenen keinerlei Interesse an einer Zurückhaltung dieser Vorwürfe. |
| | 3.2.7 | Grundsätzlich seien Arbeitnehmer zwar durch allgemeine Treuepflicht und Geheimhaltungspflicht verpflichtet, auch Straftaten oder Gesetzesverstösse des Arbeitgebers nicht zu veröffentlichen. Diese Pflicht könne aber mit höherwertigen Interessen abgewogen und abgeschwächt werden. Externes Whistleblowing bzw. ein Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit müssten beide Male verhältnismässig sein, weswegen eine gründliche Abwägung der verschiedenen Interessen erfolgen müsse. Die fristlose Entlassung dürfe nicht unverhältnismässig sein. Um beurteilen zu können, ob der Eingriff zur Erreichung des Ziels notwendig sei, seien verschiedene Faktoren, wie insbesondere das öffentliche Interesse an der Offenlegung bzw. Beseitigung des Missstandes, mit dem drohenden Schaden für den Arbeitgeber abzuwägen. Die Beweggründe des Arbeitnehmers zur Veröffentlichung müssten ebenfalls in Betracht gezogen werden, wobei etwa Handlungen aus persönlichen Motiven, Feindschaft etc. – im Gegensatz zu Handlungen, welche in gutem Glauben und öffentlichem Interesse oder mangels Alternativen vorgenommen würden – nicht besonders schutzwürdig seien. | | Im konkreten Fall habe die Meldung bzw. Anzeige unzweifelhaft im öffentlichen Interesse gelegen und sei geeignet gewesen, die Missstände abzustellen. Das Spital sei eine staatliche Einrichtung, der von der Bevölkerung grosses Vertrauen entgegengebracht werde. Die Interessen der Beschwerdegegnerin (Achtung der Treue- und Loyalitätspflicht, Verhinderung von Rufschädigung) seien keinesfalls höher zu bewerten. Zudem sei die Anzeigenerstattung ja nicht unmittelbar, sondern erst nach Information und auf Empfehlung des GPK-Präsidenten hin erfolgt (vgl. dazu bereits oben). Ein geeignetes internes Meldesystem habe nicht bestanden, da eine Meldung an den Chefarzt bzw. die Spitalsleitung, welcher der Chefarzt angehört habe, zu richten gewesen wäre. Eine interne Meldung sei daher weder geeignet noch zielführend und wegen der Dringlichkeit der betroffenen Rechtsgüter nicht adäquat gewesen. Darüber hinaus habe «Vertuschungsgefahr» bestanden. Meldung und Anzeige seien der begründete Verdacht der Gefährdung öffentlicher Interessen zugrunde gelegen. Der Beschwerdeführer habe dies – trotz der vermeintlichen Lückenhaftigkeit der elektronischen Patientenakten – aufgrund seiner Fachkenntnis entsprechend beurteilen können. Schnelles Handeln sei angesichts der Gefahr für Leib und Leben geboten gewesen. Eine weitere Nachprüfung der Vorwürfe sei nicht nötig gewesen, da der Beschwerdeführer bei überlangem Zuwarten auch selbst strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden hätte können. Überdies sei ihm die Anzeigeerstattung – welche er erst nach einem Gespräch mit dem GPK-Präsidenten vorgenommen habe – von diesem nahegelegt worden. | | Die Erkenntnisse seien von der Beschwerdegegnerin selbst öffentlich gemacht worden, was den Vorwurf der «Rufschädigung» an den Beschwerdeführer relativiere. Die Entlassung stelle die arbeitsrechtlich härtest mögliche Sanktion dar und benachteilige den Beschwerdeführer im weiteren Berufsleben. Sie diene darüber hinaus der Einschüchterung anderer Mitarbeiter des Spitals bzw. – angesichts der Öffentlichkeit der Vorwürfe – anderer Gesundheitseinrichtungen und sogar der Gesellschaft als Ganzes, Missstände nicht zu melden. | | Insgesamt betrachtet sei die Entlassung daher nicht notwendig und sohin unverhältnismässig gewesen, um die Interessen der Beschwerdegegnerin zu schützen. Die Treuepflicht des Arbeitgebers ende spätestens dort, wo Leib und Leben Dritter in Gefahr seien. | | Eine Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 10 EMRK bzw. Art. 40 LV durch die Entlassung komme nicht in Frage, weswegen eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäusserung vorliege |
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| | 3.3 | Zur Verletzung des Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz (Gleichheitsgrundsatz) gemäss Art. 31 Abs. 1 LV: | | Der OGH nehme unrichtigerweise die Rechtzeitigkeit der vier Wochen nach Kenntnis des massgeblichen Grundes erfolgten Entlassung an. In einer früheren Entscheidung habe der OGH dezidiert auf das Erfordernis des unverzüglichen Ausspruchs der Entlassung nach Kenntnis des Grundes hingewiesen, andernfalls die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anzunehmen und das Entlassungsrecht verwirkt sei. Ein Zuwarten von mehr als zwei bis drei Tagen, in Ausnahmefällen einer Woche, sei nur dann zulässig, wenn die sichere Klärung des wichtigen Grundes längere Zeit in Anspruch nehme. Im vorliegenden Fall sei die Entlassung erst einen Monat nach Kenntnis der vermeintlich schweren Treuepflichtverletzung erfolgt und daher bereits verwirkt gewesen. In einem weiteren Fall (Entscheidung vom 04.03.2004 zu 10 AG.2001.43 in LES 2008, 157) habe der OGH deutlich ausgeführt, dass die fristlose Entlassung unverzüglich nach Kenntnis des wichtigen Grundes auszusprechen sei. Der Fristlauf beginne am Tag der Kenntniserlangung des wichtigen Grundes. | | Die Beschwerdegegnerin begründe die schwere Pflichtverletzung mit der Anzeigenerhebung bei der Staatsanwaltschaft, welche ihr schon am 21.09.2014 zur Kenntnis gelangt sei. Die Unrichtigkeit der Vorwürfe des Beschwerdeführers sei ihr spätestens am 24.09.2014 durch das interne Gutachten bewusst gewesen, weswegen spätestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis des wichtigen Grundes vorgelegen habe und der Beschwerdeführer fristlos zu entlassen gewesen wäre. Der OGH habe die vier Wochen später erfolgte Entlassung entgegen seiner früheren Rechtsprechung als rechtzeitig erachtet und sohin Gleiches ungleich behandelt. |
| | 3.4 | Schliesslich wird eine Willkürrüge erhoben, wobei das bisherige Beschwerdevorbringen teilweise zusammengefasst wiederholt wird. Neu wird folgendes Vorbringen erstattet: | | Die Entlassung sei – entgegen der Auffassung des OGH – nicht rechtzeitig ausgesprochen worden. Der OGH gehe hier davon aus, dass eine vier Wochen nach Kenntnis der massgeblichen Umstände erfolgte Entlassung noch nicht verwirkt sei. | | Als Begründung führe der OGH an, dass angesichts der Schwere der Vorwürfe eine sorgfältige Abklärung zulässig sei, weswegen die zwei Tage nach Einlangen eines externen Gutachtens am 15.10.2014 ausgesprochene Entlassung rechtzeitig erfolgt sei. Er missachte aber, dass eine Entlassung sofort nach Kenntnisnahme des wichtigen Grundes ausgesprochen werden müsse, da ansonsten implizit die Zumutbarkeit der ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingestanden werde. Die Überlegungs- bzw. Abklärungsfrist betrage in der Regel 2-3 Arbeitstage und nur in Ausnahmefällen länger, gemäss der Rechtsprechung gar maximal nur eine Woche. Bei Klarheit über die Vorwürfe und blosser Notwendigkeit von deren Abklärung könne man sich bereits während der Abklärung eine mögliche Reaktion überlegen, weswegen keine längere Frist anwendbar sei (BGE 4C_188/2006 E. 2). In casu sei bereits am 21.09.2014 bekannt gewesen, wer die Anzeige erstattet habe. Spätestens mit Vorliegen des internen Gutachtens am 24.09.2014, das die Vorwürfe des Beschwerdeführers entkräftet habe, seien die entscheidungsrelevanten Tatsachen (Fehlen objektiver Gründe für die Anzeigenerhebung, schwere Treuepflichtverletzung) sicher bekannt gewesen. Das Schreiben vom 26.09.2014, mit dem der Beschwerdeführer beurlaubt worden sei, bringe ebenfalls deutlich zum Ausdruck, dass angesichts des Verhaltens und Vorgehens des Beschwerdeführers der haltlosen Vorwürfe und der Gesamtsituation eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar sei (vgl. dazu das Schreiben vom 26.09.2014). Der Ansicht des OGH, wonach durch dieses Schreiben klargestellt worden sei, dass kein Widerspruch zwischen nachträglichem Entlassungsausspruch und Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bestehe bzw. die Rechtzeitigkeit gewahrt werde, könne keinesfalls beigepflichtet werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte bei Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eine Entlassung ausgesprochen werden müssen, v.a. nachdem auch medial die Unzumutbarkeit beteuert worden sei. Nachdem dies nicht passiert sei, liege die für eine Entlassung notwendige Unzumutbarkeit nicht vor. Die Einholung eines externen Gutachtens zur Erlangung sicherer Kenntnis sei irrelevant, da dieser Vorgang «völlig unnötig» und ungeeignet gewesen sei, um die Frist für den Ausspruch der Entlassung zu hemmen: Für die Rechtfertigung einer fristlosen Entlassung seien nur das Verhalten bzw. allfällige Vertragsverletzungen des Beschwerdeführers, nicht aber des Chefarztes massgeblich. Alle für eine arbeitsrechtliche Entscheidung relevanten Umständen seien bereits durch das interne Gutachten hinreichend geklärt worden. Bereits mit Kenntniserlangung von der Person des Anzeigers und den Vorwürfen am 21.09.2014 habe der Fristlauf begonnen, spätestens nach Vorliegen des internen Gutachtens am 24.09.2014, welches die Unrichtigkeit der Vorwürfe sicher bestätigt habe, hätte die Entlassung erfolgen müssen. Die am 17.10.2014 ausgesprochene Entlassung sei sohin nicht mehr rechtzeitig. Die Entscheidung des OGH sei in diesem Punkt daher ebenso nicht haltbar und widersprüchlich zur tatsächlichen Situation. |
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| 4. | Mit Schreiben vom 05.06.2018 setzte der Präsident des StGH den Beschwerdeführer davon in Kenntnis, dass seine Eingaben der Gebührenpflicht gemäss dem Gerichtsgebührengesetz unterliegen würden. Die in der Individualbeschwerde angeführte Bemessungsgrundlage von CHF 100'000.00 würde jedoch nicht der Bemessungsgrundlage des dem Verfahren vor dem StGH vorangegangen Verfahrens von CHF 540‘984.00 und EUR 53‘032.99 entsprechen, weswegen der Beschwerdeführer eine Woche Zeit habe, sich zur Bemessungsgrundlage zu äussern, anderenfalls diese amtswegig festgesetzt werde. Bis dahin seien die Gerichtsgebühren gestützt auf die in der Individualbeschwerde bezeichnete Bemessungsgrundlage in Höhe von CHF 100'000.00 inkl. Gebühr für den Zahlungsauftrag (gesamt CHF 4‘025.00) zu überweisen, da die Eingabe ansonsten für zurückgezogen erklärt werde. |
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| 5. | Der Oberste Gerichtshof verzichtete mit Schreiben vom 11. Juni 2018 auf eine Gegenäusserung zur vorliegenden Individualbeschwerde. |
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| 6. | Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Präsidenten vom 05.06.2018, welches dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 6.6.2018 zugegangen sei, erstattete der Beschwerdeführer am 13.06.2018 eine Äusserung, in welcher er beantragte, auf die vorgängige Einhebung der Gerichtsgebühren nach Art. 7 Abs. 4 GGG 2017 zu verzichten bzw. die Zahlung der Gerichtsgebühr nach Art. 8 Abs. 1 GGG 2017 in vier gleichen monatlichen Rate, jeweils fällig bis zum 5. eines jeden Monats, zu bewilligen. Er brachte dazu zusammengefasst Folgendes vor: | | 6.1 | Nachdem die Klage des dem Individualbeschwerdeverfahren vorangegangenen Zivilverfahrens zu 08 CG.2014.415 am 26.11.2014 eingebracht worden sei, also zu einem Zeitpunkt, zu dem noch das Gerichtsgebührengesetz vom 25.07.1974, LGBl. 1974 Nr. 42 in Geltung gewesen sei, sei es im Lichte der stRsp des StGH und des Art. 41 GGG 2017 sachgerecht, den Streitwert in casu mit CHF 100'000.00 zu begrenzen. Der StGH judiziere in stRsp, dass eine Streitwertbegrenzung angezeigt erscheine, weil bei kontradiktorischen Verfahren der Beschwerdegegner kostenmässig voll in das Verfahren einbezogen werde und einem erheblichen Kostenrisiko unterliege. Eine Behinderung bzw. Verbauung des Zugangs zum Verfassungsgericht durch zu hohe Kosten solle nicht erfolgen. | | Diese Ansicht des StGH gelte nach wie vor, v.a. weil durch das neue GGG 2017 die hohen Entscheidungsgebühren in die Pauschalgebühren integriert würden und nunmehr vorab zu entrichten seien. Erschwerend komme zudem noch das neue – bislang unbekannte – Präklusionssystem hinzu, bei dem Eingaben bei unvollständiger oder fehlender Zahlung für zurückgezogen erklärt würden. Eine – insbesondere vor dem Hintergrund der Präklusionsfolge erforderliche – Befreiungsmöglichkeit sei nicht vorgesehen. Würde der Beschwerdeführer nicht Verfahrenshilfe erhalten, sei er mit einer unüberwindlichen Kostenbarriere konfrontiert. Der Beschwerdeführer erleide bei unvollständiger Zahlung im Rechtsmittelverfahren einen unwiederbringlichen Rechtsnachteil, weil eine erneute Einbringung des Rechtsmittels nach Ablauf der dafür vorgesehenen Frist nicht möglich sei. Die vorab zu bezahlenden Gebühren würden im vorliegenden Fall gemessen am Streitwert CHF 11'000.00 betragen und damit über den tariflichen Kosten des gesamten Individualbeschwerdeverfahrens liegen. |
| | 6.2 | Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, v.a. Art. 28 Abs. 1 GGG, seien verfassungsrechtlich bedenklich, weswegen eine einschränkende Interpretation der Bestimmungen i.S.d. bisherigen Rsp (Weitergeltung der Streitwertbegrenzung von CHF 100'000.00) bzw. die Einleitung einer Normkontrolle der einschlägigen Normen angeregt werden. |
| | 6.3 | Vorsorglich würden in der Äusserung dennoch die Kosten der Individualbeschwerde auf Basis der Streitwerte der vorangegangenen Verfahren (gesamt CHF 602'140.05) sowie die Gerichtsgebühren dargelegt (insgesamt CHF 20'538.70). |
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| 7. | Die Beschwerdegegnerin erstattete mit Schriftsatz vom 04.07.2018 eine Gegenäusserung zur vorliegenden Individualbeschwerde, worin die kostenpflichtige Beschwerdezurückweisung, in eventu -abweisung beantragt wurde. Auf die Ausführungen in dieser Gegenäusserung wird, soweit relevant, im Rahmen der Urteilsbegründung eingegangen. |
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| 8. | Der Staatsgerichtshof hat die Vorakten, soweit erforderlich, beigezogen und auf Antrag des Berichterstatters in Folge Spruchreife beschlossen, auf die Durchführung einer öffentlichen Schlussverhandlung zu verzichten. Nach Durchführung einer nicht-öffentlichen Schlussverhandlung wurde wie aus dem Spruch ersichtlich entschieden. |
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BEGRÜNDUNG | 1. | Der Staatsgerichtshof hat von Amtes wegen zu prüfen, ob eine ihm zur Entscheidung vorgelegte Individualbeschwerde zulässig ist bzw. ob die Voraussetzungen für eine materielle Entscheidung über die Beschwerde vorliegen (siehe statt vieler: StGH 2008/46, Erw. 1 f. [www.gerichtsentscheide.li]; StGH 2009/95, Erw. 2; StGH 2009/210, Erw. 1; StGH 2010/123, Erw. 2 [www.gerichtsentscheide.li]; StGH 2011/165, Erw. 1; StGH 2012/11, Erw. 1; siehe auch Tobias Michael Wille, Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht, LPS Bd. 43, Schaan 2007, 446 mit zahlreichen Literatur- und Rechtsprechungsnachweisen). | | 1.1 | Die vorliegende Individualbeschwerde richtet sich gegen ein Teilurteil und einen Zurückverweisungsbeschluss des Obersten Gerichtshofes vom 4. Mai 2018 (ON 93). Die beiden Entscheidungen hängen dadurch zusammen, dass es um die Frage geht, ob die Entlassung des Beschwerdeführers gerechtfertigt war oder nicht. Der Oberste Gerichtshof hat diese Frage bejaht und hat im Teilurteil das Klagebegehren hinsichtlich eines Teils der eingeklagten Summe abgewiesen und im Zurückverweisungsbeschluss dem Obergericht aufgetragen, das Klagebegehren hinsichtlich des übrigen Teils im neuerlichen Verfahrensgang ebenfalls abzuweisen. |
| | 1.2 | Beide angefochtenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes sind als letztinstanzlich zu qualifizieren, ob sie auch enderledigend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 StGHG sind (StGH 2004/28, Jus & News 3/2006, 361 [366 ff., Erw. 1 - 1.5]; StGH 2004/6, Erw. 1 [www.gerichtsentscheide.li]; vgl. hierzu auch Peter Bussjäger, Was ist eine enderledigende Entscheidung?, in: Hubertus Schumacher/Wigbert Zimmermann [Hrsg.], Festschrift für Gert Delle Karth - 90 Jahre Fürstlicher Oberster Gerichtshof, Wien 2013, 81 ff. sowie Tobias Michael Wille, Liechtensteinisches Verfassungsprozessrecht, a. a. O., 557 ff., jeweils mit umfangreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen), bleibt nachfolgend zu klären. |
| | 1.3 | Der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, dass die beiden Entscheidungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Es wäre völlig widersinnig, nur eine der beiden Entscheidungen als enderledigend zu betrachten und einen neuerlichen Rechtsgang vor dem Staatsgerichtshof hinsichtlich der anderen Entscheidung zu provozieren. |
| | 1.4 | Hinsichtlich eines Teilurteils hat der Staatsgerichtshof in StGH 2010/86, Erw. 1.3, den enderledigenden Charakter mit der Begründung verneint, dass, auch wenn das Teilurteil vom Obersten Gerichtshof im fortgesetzten Verfahren bindend ist, der Staatsgerichtshof selbst in der Prüfung der das Verfahren abschliessenden Entscheidung auch die Verfassungskonformität des Teilurteils prüfen kann. In StGH 2011/66, Erw. 1.4, hat der Staatsgerichtshof allerdings erklärt, nunmehr in ausdrücklicher Abkehr von dieser Rechtsprechung davon auszugehen, dass auch Feststellungsentscheidungen sowie Zwischen- und Teilentscheidungen grundsätzlich enderledigend sein können. |
| | 1.5 | Was den Zurückverweisungsbeschluss betrifft, so judiziert der Staatsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass Zurückverweisungsbeschlüsse von besonderen Ausnahmen abgesehen nicht enderledigend sind. Einen solchen Ausnahmefall hat der Staatsgerichtshof allerdings in StGH 2010/103, Erw. 1.1 (www.gerichtsentscheide.li), angenommen. In der dieser Entscheidung zugrunde gelegenen Konstellation beliess der Zurückverweisungsbeschluss des Obersten Gerichtshofes dem Obergericht keinerlei Spielraum. Der Oberste Gerichtshof konnte nur deshalb nicht in der Sache entscheiden, weil der liechtensteinische Gesetzgeber § 519 Abs. 2 letzter Satz öZPO nicht rezipiert hatte, der dem öOGH eine Sachentscheidung auch bei Revisionsrekursen ermöglicht. | | Genau derselbe Fall liegt auch hier vor: Der Oberste Gerichtshof beruft sich auf § 487 Ziff. 3 ZPO, der inhaltlich dem § 519 Abs. 2 öZPO, aber eben ohne die angesprochene österreichische Norm, entspricht und verweist die Sache mittels Aufhebungsbeschluss an das Obergericht zurück. Das Obergericht hat nach dem Auftrag des Obersten Gerichtshofes mit einer Klagsabweisung vorzugehen und keine weiteren Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Im Übrigen würde auch nur eine vollständige Klagsabweisung mit dem vom Obersten Gerichtshof ausgesprochenen Teilurteil konform gehen. Es liegt daher dieselbe Konstellation wie bei StGH 2010/103 (a. a. O.) vor. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin hat sich im Übrigen der Oberste Gerichtshof nicht dazu geäussert, dass der Zurückverweisungsbeschluss nicht enderledigend sei; dies zu beurteilen, obliegt ausschliesslich dem Staatsgerichtshof. |
| | 1.6 | Somit sind nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes sowohl das Teilurteil als auch der Zurückverweisungsbeschluss, die im Übrigen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, enderledigend. |
| | 1.7 | Da die Beschwerde auch frist- und formgerecht eingebracht wurde, hat der Staatsgerichtshof materiell darauf einzutreten. |
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| 2. | Der Beschwerdeführer beruft sich zunächst auf die Meinungsfreiheit. Er sei als Whistleblower aufgetreten und geniesse als solcher einen aus Art. 40 LV bzw. Art. 10 EMRK resultierenden Schutz. | | 2.1 | Die Meinungsfreiheit gemäss Art. 40 LV und die Vereins- und Versammlungsfreiheit gemäss Art. 41 LV stehen in einem engen Zusammenhang (StGH 2010/88, Erw. 3.4.1 [www.gerichtsentscheide.li]). Beide Grundrechte dienen wesentlich der Freiheit der Kommunikation und der (politischen) Meinungsbildung. Sie haben deshalb eine Doppelfunktion: Sie sind nicht nur individuelle Freiheitsrechte, sondern sind auch unabdingbare Grundlage für eine funktionierende Demokratie (vgl. etwa StGH 1994/8, LES 1995, 23 [27, Erw. 4] und StGH 2010/88, Erw. 3.4.1 [a. a. O.] unter Verweis auf Christoph Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl., Wien 2009, 298, § 23, Rz. 58). |
| | 2.2 | Das Vorbringen des Beschwerdeführers wirft zunächst die Frage auf, ob im vorliegenden Fall die Meinungsfreiheit überhaupt tangiert sein kann. Die Entlassung, welche der Beschwerdeführer als Verletzung der Meinungsfreiheit qualifiziert, spielte sich in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis ab (vgl. auch Art. 14 des Gesetzes über die Steuerung und Überwachung öffentlicher Unternehmen, ÖUSG), wenngleich der Arbeitgeber, das Spital C, eine staatliche Einrichtung darstellte. Sie stellte daher auch keinen Hoheitsakt dar. | | In diesem Sinne führen Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl., München/Basel/Wien 2016, 159, Rz. 8, aus, dass Ansatzpunkte einer unmittelbaren Drittwirkung, also dass Grundrechte gegenüber einem Privaten wie gegenüber dem Staat geltend gemacht werden können, in keiner Garantie der EMRK zu finden seien. | | Allerdings weist gerade das Grundrecht der Meinungsfreiheit über die klassische Funktion als Abwehrrecht gegenüber hoheitlichen Eingriffen des Staates wie Zensur und ähnliche Instrumente hinaus und zieht in ihrer modernen Auffassung auch eine sogenannte indirekte Drittwirkung nach sich (vgl. Hilmar Hoch, Meinungsfreiheit, in: Andreas Kley/Klaus A. Vallender [Hrsg.], Grundrechtspraxis in Liechtenstein, LPS Bd. 52, Schaan 2012, 212 ff., Rz. 26 ff.). Diese indirekte Drittwirkung äussert sich darin, dass Grundrechte im Privatrecht nur indirekt über Gesetzesnormen und dabei insbesondere über unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln gelten (Hilmar Hoch, a. a. O., 213, Rz. 26). | | Im Arbeitsverhältnis wurde der Meinungsfreiheit eine indirekte Drittwirkung in dem Sinne beigemessen, dass wie in § 1173a Art. 46 ABGB ausdrücklich verankert, eine Kündigung wegen der Ausübung verfassungsmässiger Rechte wie der Meinungsfreiheit in der Regel missbräuchlich sei (Hilmar Hoch, a. a. O., 213, Rz. 28 mit weiteren Nachweisen). | | An diesem Verständnis einer indirekten Drittwirkung ist auch im vorliegenden Fall anzuknüpfen. |
| | 2.3 | Der EGMR (siehe insbesondere 21.07.2011, 28.274/08, Heinisch vs. Deutschland, aber auch schon 12.02.2008, 14.277/04 Guja vs. Moldawien) unterstellt den wegen „Whistleblowing“ entlassenen Arbeitnehmer dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (dazu näher Katharina Pabel, Der grundrechtliche Schutz des Whistleblowing, in: Feik/Winkler, Festschrift für Walter Berka, Wien 2013, 161 ff.; Daniel Ulber, Whistleblowing und der EGMR, NZA 2011, 962 ff.; Monika Schlachter, Kündigung wegen „Whistleblowing“? – Der Schutz der Meinungsfreiheit vor dem EGMR. Besprechung des Urteils EGMR v. 21.7.2011 – 28274/08, RdA 2012, 108 ff.). Pflicht des Staates ist es demnach, auch in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen den Schutz der Meinungsfreiheit sicherzustellen (Katharina Pabel, a.a.O., 164), was sich im konkreten Fall dadurch manifestiert, dass die anzuwendenden Normen des Arbeitsrechtes von den Gerichten im Lichte der Gewährleistung der Meinungsfreiheit zu interpretieren sind. | | Unter einem „Whistleblower“, als welchen sich der Beschwerdeführer bezeichnet, wird ein Arbeitnehmer verstanden, der schwerwiegende Missstände in seinem Arbeitsumfeld aufdeckt und dabei primär aus uneigennützigen Motiven handelt. Bei den Missständen kann es sich dabei um Fehlverhalten von Mitarbeitern i.S. strafrechtlich relevanten Verhaltens handeln. Es können aber auch strafrechtlich nicht erhebliche sonstige Fehlentwicklungen oder Fehlverhalten im Arbeitsumfeld aufgedeckt werden (Katharina Pabel, a.a.O., 162; Walter Berka, Whistleblower und Leaks. Von den Schwierigkeiten, das Amtsgeheimnis zu wahren, in: Österreichische Juristenkommission [Hrsg.], Recht und Öffentlichkeit. 40 Jahre Österreichische Juristenkommission, Wien – Graz 2004, 71 f.). | | Der Staatsgerichtshof kann dem Beschwerdeführer grundsätzlich folgen, wenn er sich aus seiner Perspektive als Whistleblower betrachtet. | | Der Staatsgerichtshof gelangt daher zur Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Meinungsfreiheit tangiert ist, sodass die relevanten vertragsrechtlichen Normen im Sinne der indirekten Drittwirkung im Lichte dieses Grundrechts verfassungskonform auszulegen sind. |
| | 2.4 | Gesetzliche Grundlage der vorliegenden Kündigung bildet § 1173a Art. 53 i. V. m. Art. 4 ABGB. Demnach kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen fristlos auflösen. Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die im § 1173a Art. 4 ABGB geregelten Treuepflichten des Arbeitnehmers von Bedeutung. | | Im Hinblick auf eine verfassungskonforme Handhabung dieser gesetzlichen Regelung im Lichte der Meinungsfreiheit kann an das bereits erwähnte und in der Literatur (siehe neben der bereits oben, Erw. 2.2 f. angeführten Literatur auch Wolfgang Mazal, Weitergabe von Informationen durch Dienstnehmer und Koalitionsfreiheit, JHG 2017/2, 81) intensiv diskutierte Urteil des EGMR Heinisch gg. Deutschland angeknüpft werden. In diesem Fall handelte es sich um eine Altenpflegerin in einer Pflegeeinrichtung des Landes Berlin. Die Arbeitnehmerin hatte nach einigen vergeblichen internen Hinweisen auf erhebliche Missstände betreffend die Arbeitsbelastung des Personals und betreffend die Qualität der Pflege Anzeige wegen Betrugs gegen die Einrichtung bei der Staatsanwaltschaft gestellt (vgl. Katharina Pabel, a.a.O., 163). | | Der EGMR folgerte aus der Loyalitäts- und Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers, dass dieser sich mit der Meldung von Missständen und Fehlerverhalten zunächst an seine Vorgesetzten bzw. andere intern zuständige Stellen wenden müsse (EGMR 21.07.2011, 28.274/08, Erw. 65; Katharina Pabel, a.a.O., 165; Daniel UIber, a.a.O, 963). Nur wenn dieses Vorgehen offenkundig ergebnislos ist, darf der Arbeitnehmer als letzte Möglichkeit an die Öffentlichkeit gehen (Katharina Pabel, ebendort). | | Des Weiteren ist zu berücksichtigen, wie gross das öffentliche Interesse daran ist, dass die entsprechende Information publik wird. Es ist auch zu prüfen, ob die verbreiteten Informationen glaubwürdig sind. Wer Informationen verbreitet, muss angesichts der Pflichten und Verantwortung, die die Ausübung der Meinungsfreiheit mit sich bringt, sorgfältig prüfen, ob die Angaben zutreffen und verlässlich sind. Ausserdem verlangt der EGMR, dass der mögliche Schaden, der dem Arbeitgeber wegen der Aufdeckung durch den Arbeitnehmer entstehen kann, zu bedenken ist. Zu guter Letzt hält der EGMR auch das Motiv, aus dem heraus der Arbeitnehmer zum Whistleblower wird, für massgeblich. Während eine Informationspreisgabe wegen persönlicher Streitigkeiten oder wegen der Erwartung monetärer Vorteile keinen besonders weitreichenden Schutz fordert, ist die Anforderung an den Schutz von Äusserungen, die in guter Absicht getätigt wurden und im guten Glauben, dass die Angaben wahr sind und dass die Öffentlichkeit ein Interesse an der Verbreitung hat, umso grösser (Katharina Pabel, a.a.O, 165; siehe auch Monika Schlachter, a.a.O., 111 ff.; Daniel Ulber, a.a.O., 963 f.). |
| | 2.5 | Wendet man diese Kriterien auf den vorliegenden Fall an, ist festzuhalten: | | Es kann kein Zweifel bestehen, dass ein enormes öffentliches Interesse an einer nach allen Regeln der ärztlichen Berufsausübung erfolgende Behandlung in einem Spital, schon gar in einer staatlichen Einrichtung, besteht. Dass der Beschwerdeführer aus eigennützigen Motiven gehandelt hätte, lässt sich den Feststellungen der Gerichte nicht entnehmen. | | Dem steht gegenüber, dass der Beschwerdeführer eben nicht zunächst eine interne Abklärung der Vorwürfe, etwa durch Kontakt mit der Spitalleitung, versucht hatte, sodass sich bereits unter diesem Aspekt die Frage stellt, ob der Beschwerdeführer schutzwürdig ist. Im angefochtenen Urteil lässt der Oberste Gerichtshof diesen Aspekt freilich offen, sodass er auch vom Staatsgerichtshof nicht weiter zu vertiefen ist. | | Tragendes Motiv der Begründung des Obersten Gerichtshofes ist vielmehr, dass der Beschwerdeführer, hätte er nicht nur die elektronischen Akten, sondern auch die schriftlich geführten Aufzeichnungen eingesehen, „die Unhaltbarkeit der Vorwürfe sofort erkannt“ hätte (siehe vorne Ziff. 2.7.2 des Sachverhaltes). Der Kläger habe die Anschuldigungen vor Erhebung der Vorwürfe an Dritte nicht stichhaltig geprüft, obwohl er als leitender Angestellter und im Hinblick auf die Schwere der Vorwürfe dazu verpflichtet gewesen wäre, z.B. durch Einsicht in die „Papierakten“, und ihm dies auch zugemutet werden hätte können. |
| | 2.6 | Gerade angesichts der Schwere der erhobenen Vorwürfe und der Konsequenzen für alle Beteiligten im Falle eines öffentlichen Bekanntwerdens, waren an das eigenmächtige Vorgehen des Beschwerdeführers höchste Ansprüche zu stellen. In seiner Beschwerde tritt der Beschwerdeführer der Auffassung des Obersten Gerichtshofes, wonach eine Einsichtnahme in den Papierakt zumutbar gewesen wäre, allerdings nicht entgegen. Er verweist lediglich darauf, dass der elektronische Akt den Verdacht gestützt habe, was freilich nicht in Zweifel steht. Auch wenn der elektronische Akt die Befürchtung des Beschwerdeführers nährte (etwa mit der Angabe „no limits“ hinsichtlich der Verabreichung bestimmter Medikamente) und seine Bewertungen somit, wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf ein Gutachten vorbringt, nachvollziehbar waren, ändert dies nichts an seiner Verpflichtung, auch den Papierakt heranzuziehen. Dies gilt umso mehr, als die Unvollständigkeit des elektronischen Aktes dem festgestellten Sachverhalt zufolge bekannt war. | | Wenn der Oberste Gerichtshof zur Auffassung gelangt, der Beschwerdeführer habe leichtfertig gehandelt, kann ihm angesichts des Tatsachensubstrats nicht entgegen getreten werden. Das Kriterium der „Leichtfertigkeit“ ist freilich auch für den EGMR bei der Beurteilung, ob die Entlassung eines Whistleblowers die Meinungsfreiheit verletzt, ein ganz entscheidendes (vgl. Schlachter, a.a.O, S. 111). Daraus folgt für den Staatsgerichtshof freilich auch, dass eine Verletzung der Meinungsfreiheit im konkreten Fall nicht stattgefunden hat. |
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| 3. | Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung im Gebot der rechtsgleichen Behandlung. Er beruft sich darauf, dass der Oberste Gerichtshof in anderen Fällen weit kürzere Zeiten für den Ausspruch der Entlassung angenommen habe. | | 3.1 | Nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes verlangt der Gleichheits-satz von Art. 31 Abs. 1 LV, dass bei der Rechtsanwendung Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Un-gleichheit ungleich behandelt wird. Bei Vorliegen gleicher Sachverhalte ist somit immer eine Gleichbehandlung bzw. bei ungleichen Sachverhalten eine entsprechende Ungleichbehandlung erforderlich (StGH 2011/47, Erw. 4.1; StGH 2010/107, Erw. 4.1; StGH 2008/45, Erw. 5.1 [alle abrufbar unter www.gerichtsentscheide.li]; siehe auch Andreas Kley/Hugo Vogt, Rechtsgleichheit und Grundsatz von Treu und Glauben, in: Andreas Kley/Klaus A. Vallender [Hrsg.], Grundrechtspraxis in Liechtenstein, a. a. O., 267 f., Rz. 31 ff.). Der Staatsgerichtshof nimmt im Bereich der Rechtsanwendung eine Prüfung anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes im Allgemeinen nur dann vor, wenn zumindest zwei konkrete Vergleichsfälle vorliegen (siehe statt vieler: StGH 1998/45, LES 2000, 1 [5 f., Erw. 4.1]; StGH 2003/70, Erw. 2.1; StGH 2005/84, Erw. 3; StGH 2007/112, Erw. 3.1; StGH 2009/161, Erw. 2.2 [alle abrufbar unter www.gerichtsentscheide.li]; vgl. auch Andreas Kley/Hugo Vogt, Rechtsgleichheit und Grundsatz von Treu und Glauben, a. a. O., 268 ff., Rz. 33 ff.). |
| | 3.2 | Der Oberste Gerichtshof stellt ausführlich dar, dass die dem Arbeitgeber zumutbare Frist für den Ausspruch der Entlassung einzelfallabhängig ist. Er begründet in der Folge, weshalb es in diesem hochsensiblen Fall wichtig war, ein Gutachten abzuwarten, bevor Schritte gegenüber dem Arbeitnehmer gesetzt wurden. Nachdem dieses Gutachten vorlag, wurde der Beschwerdeführer zu einem Gespräch am folgenden Tag eingeladen und, als er nicht erschien, die Entlassung ausgesprochen (siehe vorne Ziff. 2.7.3 des Sachverhaltes). | | Der Beschwerdeführer legt nicht näher dar, inwieweit die von ihm angezogenen Fällen mit dem vorliegenden Fall in irgendeiner Hinsicht vergleichbar wären. |
| | 3.3 | Eine Verletzung im Gebot der rechtsgleichen Behandlung hat sohin nicht stattgefunden. |
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| 4. | In seiner Willkürrüge rügt der Beschwerdeführer schliesslich die angefochtene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nochmals unter dem Aspekt der Verletzung der Meinungsfreiheit und des Umstandes, dass die ausgesprochene Entlassung nicht rechtzeitig gewesen sei. | | 4.1 | Nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes liegt ein Verstoss gegen dieses Grundrecht nur dann vor, wenn eine Entscheidung sachlich nicht zu begründen, nicht vertretbar bzw. stossend ist (siehe anstatt vieler: StGH 2007/130, LES 2009, 6 [8, Erw. 2.1] sowie Hugo Vogt, Willkürverbot, in: An-dreas Kley/Klaus A. Vallender [Hrsg.], Grundrechtspraxis in Liechtenstein, a. a. O., 317 f., Rz. 26 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Soweit der Beschwerdeführer unter dieser Grundrechtsrüge das Vorbringen im Rahmen der schon behandelten Grundrechtsrügen lediglich wiederholt bzw. variiert, ist hierauf aufgrund des subsidiären Charakters des Willkürverbots nicht weiter einzugehen (vgl. statt vieler: StGH 2009/161, Erw. 2 [a. a. O.]; siehe auch StGH 2008/74, Erw. 6; StGH 2006/84, Erw. 5; StGH 2005/84, Erw. 2; StGH 2002/69, Erw. 3.1 [alle abrufbar unter www.gerichtsentscheide.li]; StGH 1997/35, LES 1999, 71 [74, Erw. 3]; StGH 1997/12, LES 1999, 1 [4, Erw. 2]). |
| | 4.2 | Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Willkürrüge wurde im Wesentlichen bereits in den Grundrechtsrügen zur Verletzung der Meinungsfreiheit und des Gebotes der rechtsgleichen Behandlung eingegangen. Er geht insbesondere nicht darauf ein, dass angesichts der Brisanz des Falles zunächst die Stichhaltigkeit der Vorwürfe des Beschwerdeführers zu prüfen war. Aus Sicht des Staatsgerichtshofes wäre es weltfremd, vom Arbeitgeber eine sofortige Kündigung zu einem Zeitpunkt zu verlangen, bei dem noch nicht klar ist, ob die Vorwürfe tatsächlich unberechtigt sind. Eine solche Vorgangsweise würde die Meinungsfreiheit des Whistleblowers erst recht beeinträchtigen. |
| | 4.3 | Eine Verletzung des Willkürverbots liegt sohin nicht vor. |
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| 5. | Aufgrund all dieser Erwägungen war der Beschwerdeführer mit keiner seiner Grundrechtsrügen erfolgreich, sodass der vorliegenden Individualbeschwerde spruchgemäss keine Folge zu geben war. |
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| 6. | Hinsichtlich des Kostenspruches ist in Bezug auf den vom Staatsgerichtshof gegenständlich gemäss Art. 56 Abs. 1 StGHG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Bst. b und Art. 28 Abs. 1 und 3 GGG amtswegig festgesetzten Streitwert von CHF 100‘000.00 auf das unlängst ergangene Urteil des Staatsgerichtshofes vom 2. Juli 2018 zu StGH 2018/34 zu verweisen. Mit dieser Entscheidung behält der Staatsgerichtshof seine langjährige Praxis zur Streitwertbegrenzung, wonach der Maximalstreitwert für Verfahren vor dem Staatsgerichtshof CHF 100'000.00 beträgt, auch unter dem Regime des neuen GGG (LGBl. 2017 Nr. 169) im Ergebnis unverändert bei, wobei er sich auf den Willen des Gesetzgebers im Sinne einer extensiven Auslegung des Wortlautes von Art. 28 Abs. 1 GGG stützt (StGH 2018/34, Erw. 3.3). | | Der Beschwerdegegnerin waren sohin die geltend gemachten Kosten für ihre Gegenäusserung vom 4. Juli 2018 auf der Grundlage eines Streitwertes von CHF 100'000.00 antragsgemäss zuzusprechen. | | Gemäss der gegenständlichen Bemessungsgrundlage von CHF 100‘000.00 beträgt die Höhe der Gerichtsgebühren für das vorliegenden Individualbeschwerdeverfahren sohin CHF 4‘000.00 (Art. 56 Abs. 1 StGHG i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 28, 30, 35 und der Gebührentabelle des GGG). Diese wurden vom Beschwerdeführer mit Valuta vom 19. Juni 2018 bereits beglichen. Daraus folgt nunmehr auch, dass sein Antrag vom 13. Juni 2018 gegenstandslos geworden ist. |
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Dieser Beschluss ist endgültig. Vaduz, den 3. September 2018 Der Präsident: Dr. Hilmar Hoch |