StGH 2022/056
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06.02.2023
StGH
Urteil
Sprüche: - nicht vergeben -
StGH 2022/056
Der Staatsgerichtshof als Verfassungsgerichtshof hat in seiner nicht-öffentlichen Sitzung vom 6. Februar 2023, an welcher teilnahmen: Präsident Dr. Hilmar Hoch als Vorsitzender; stellvertretender Präsident lic. iur. Christian Ritter, Prof. Peter Bussjäger und Prof. August Mächler als Richter; Mag. iur. Michael Kranz als Ersatzrichter sowie Dr. Tobias Wille als Schriftführer
in der Beschwerdesache
Beschwerdeführer:
A


vertreten durch:

***
Belangte Behörde:Fürstliches Obergericht, Vaduz
gegen:Beschluss des Obergerichts vom 29. März 2022,05 CG.2021.189-22
wegen:Verletzung verfassungsmässig und
durch die EMRK gewährleisteter Rechte
(Streitwert: CHF 100‘000.00)
zu Recht erkannt:
1.§ 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Zivilprozessordnung (ZPO), LGBl. 1912 Nr. 9/1 i. d. F. v. LGBl. 2016 Nr. 405, ist verfassungskonform.
2.Der Individualbeschwerde wird keine Folge gegeben. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Urteil des Fürstlichen Obergerichts vom 29. März 2022, 05 CG.2021.189-22, in seinen verfassungsmässig und durch die EMRK gewährleisteten Rechten nicht verletzt.
3.Die Gerichtsgebühren werden für uneinbringlich erklärt.
SACHVERHALT
1.
Das vorliegende Verfahren wurde von A (Beschwerdeführer) mit einer als Klage überschriebenen Eingabe vom 4. Juli 2021 (ON 1) eingeleitet. Dabei wurde gegen neun Beklagte eine Forderung von CHF 170 Mio. geltend gemacht. In der Einleitung zu diesem Schriftsatz brachte der Beschwerdeführer vor, er sei juristisch nicht geschult, sodass das Klagevorbringen hier zunächst zum Gegenstand eines Antrages auf Beistellung eines Rechtsbeistandes dargetan werde. Die Beistellung eines Rechtsbeistandes sei zwingend, weil die Sache komplex und umfangreich sei. Darüber hinaus tangierten die Sachverhalte die Rechtsordnungen von Österreich, der Schweiz und Deutschland, sodass die Sache von einem juristischen Laien ganz sicher nicht sach- und formgerecht dargestellt werden könne. Aus dem weiteren Vorbringen ergab sich, dass sich die Beklagten am Vermögen des Beschwerdeführers bereichert hätten. Wo ein Zugriff auf sein Vermögen nicht möglich gewesen sei, hätten die Beklagten dieses vorsätzlich vernichtet. Aus deren Verhalten resultiere ein in der endgültigen Klage noch genauer zu beziffernder, allenfalls den Betrag von CHF 170 Mio. erreichender Schaden. Der Beschwerdeführer beantragte Verfahrenshilfe in vollem Umfang und die Beigebung eines Rechtsbeistandes zur Klageführung und zur Ausarbeitung einer Klage wie auch zur detaillierten Fixierung der Schadenssumme bzw. des Streitwertes.
2.
Am 12. Juli 2021 (ON 3) fasste das Landgericht folgenden Beschluss:
„A.
Die am 09.07.2021 bei Gericht eigelangte Klage des A wird dem A zur Verbesserung folgender Mängel binnen 14 Tagen zurückgestellt, um die Klage ordnungsgemäss geschäftlich behandeln zu können:
  1. Eindeutig formulierte Anträge;
  2. Beibringung so vieler gleichlautender Ausfertigungen, dass jedem Gegner eine Ausfertigung zugestellt und eine für den Gerichtsakt zurückbehalten werden kann (§ 80 ZPO).
Sollte der Kläger nicht binnen der angegebenen Frist, die Beseitigung der Formgebrechen vornehmen, so wird das Schreiben als nicht zur ordnungsgemässen geschäftlichen Behandlung geeignet zurückgewiesen.
B.
Weiters wird der Kläger innert selber Frist zur Beibringung eines nicht mehr als vier Wochen alten Bekenntnisses über die Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse (Vermögensbekenntnis) samt entsprechenden Belegen seiner Ehefrau aufgefordert, widrigenfalls der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgewiesen wird.“
Dieser Beschluss wurde vom Landgericht wie folgt begründet:
„Die hg. am 09.07.2021 eingelangte Klage ist zur ordnungsgemässen geschäftlichen Behandlung nicht geeignet. Sie enthält nicht den für eine Klagsschrift notwendigen Inhalt und die nach den entsprechenden Gesetzesbestimmungen vorgeschriebenen Ausführungen.
Im Sinne des § 84 ZPO war daher eine Verbesserung der Eingabe anzuordnen. Kommt die Partei der Verbesserung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, wird die Eingabe als nicht zur ordnungsgemässen geschäftlichen Behandlung geeignet zurückgewiesen.
In Bezug auf die beantragte Prozesskostenhilfe ist anzumerken, dass gemäss § 66 Abs 1 ZPO zugleich mit dem Verfahrenshilfeantrag ein nicht mehr als vier Wochen altes Vermögensbekenntnis vorzulegen. Ist dem Antrag ein solches Bekenntnis nicht angeschlossen, so hat das Gericht unter Fristsetzung und mit entsprechender Belehrung eine Behebung des Mangels im Sinne der §§ 84 und 85 ZPO zu versuchen. dies gilt auch für das Vermögensverzeichnis der grundsätzlich zur Unterstützung verpflichteten Ehefrau des Antragstellers. Im Sinne der obigen Ausführungen war eine Verbesserung der Eingabe unter Hinweis auf die Folgen, aufzutragen.“
3.
Mit Schreiben vom 22. August 2021 (ON 5) übermittelte der Beschwerdeführer einen weiteren Schriftsatz „Antrag auf Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Klage“. Darin schilderte er den Sachverhalt etwas detaillierter als in seiner Eingabe vom 4. Juli 2021 (ON 1), allerdings ebenfalls ohne eindeutige Anträge. Der Beschwerdeführer führte u. a. wie folgt aus:
„6. Insofern ist der Antragsteller dem Gericht dankbar, dass die ‚Klage‘ (?) schon aufgrund der vom Gericht benannten Formmängel nicht zur ordnungsgemässen geschäftlichen Behandlung geeignet angesehen wurde und der Antragsteller so sein Vorbringen versucht verständlicher zu formulieren, sodass Missverständnisse im Sinn des Vorbringens nachfolgend ausgeräumt werden können. (…) 
9. Wie ausgeführt ist der Antragsteller juristisch nicht geschult, sodass das Antragsvorbringen hierzu zum Gegenstand eines Antrages auf eine vorläufige Beistellung eines Rechtsbeistandes, um die eigentliche Klage form- und sachgerecht dem Gericht vorlegen zu können. (…)
16. Der Kläger beantragt Verfahrenshilfe in vollem Umfang und Beistellung eines Rechtsbeistandes. (…)
a) Antrag zu[r] vorläufigen Beistellung eines Rechtsbeistandes gemäss Formblatt S. 2 zu Punkt 4 Rechtssache, um eine formgerechte Klage erheben zu können.
Ziel der Klage ist es dann, hier laienhaft ausgedrückt, dass das Gericht die Beklagten zur Zahlung einer durch den Rechtsbeistand und gegebenenfalls durch die vom Gericht dann in der Folge noch zu beauftragenden Sachverständigen festgestellten Schadenssumme zu verurteilen.“
4.
Am 20. Oktober 2021 fasste das Landgericht folgenden Beschluss (ON 6):
„1. Der Antrag, das Fürstliche Landgericht möge dem Kläger Verfahrenshilfe bewilligen und diesem einen Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer beigeben wird, abgewiesen.
2. Die Klage wird als zur geschäftsmässigen Behandlung ungeeignet zurückgewiesen.“
Begründet wurde dieser Beschluss wie folgt:
„Zu 1.:
Mit hg. am 09.07.2021 eingelangter Klage (ON 1) brachte der Kläger eine Klage auf Schadenersatz und Wiedergutmachung sowie Herausgabe von Aktienzertifikaten mit einem Streitwert von CHF 170‘000‘000.00 ein.
Mit Klagseinbringung begehrte der Kläger zudem, das Fürstliche Landgericht möge ihm Verfahrenshilfe bewilligen und legte dazu ein Vermögensbekenntnis vor. Mit Beschluss vom 12.07.2021 erteilte das Fürstliche Landgericht dem Kläger den Auftrag ein Vermögensbekenntnis seiner Ehefrau zu übermitteln sowie die am 09.07.2021 bei Gericht eingelangte Klage entsprechend der Vorgaben zu verbessern.
Mit Eingabe vom 27.08.2021 (ON 5) reichte der Kläger neuerlich sein Vermögensbekenntnis ein sowie das Vermögensbekenntnis seiner Ehegattin B. Aus dem Vermögensbekenntnis des Klägers ergibt sich, dass dieser ein monatliches Einkommen von rund CHF 400.00 ins Verdienen bringt, derzeit keinerlei Wohnkosten hat, da er sich im Gefängnis C befindet sowie ein Guthaben bei der D Bank von CHF 50‘000.00 hat. Des Weiteren ergibt sich aus dem Vermögensbekenntnis der Ehefrau des Klägers sowie aus der dort beigefügten E-Mailkorrespondenz, dass die Ehefrau B eine Liegenschaft hat. Gleichzeitig ergibt sich aus der beigefügten Email-Korrespondenz dass sie dieses Eigentum der gemeinsamen Tochter schenkungsweise überlassen möchte. Dabei handelt es sich um einen Wert von rund EUR 400‘000.00, den die Ehefrau B an die Tochter schenkungsweise überträgt. Nachdem dies ein Vermögenswert darstellt, der unter Abzug des notwendigen Lebensunterhaltes jedenfalls geeignet wäre die Klagsführung des Klägers zu unterstützen scheidet eine Gewährung der Verfahrenshilfe aus.
(…)
Die Familie *** ist in Anbetracht der vorhandenen Vermögenswerte unter Abzug der Kosten des notwendigen Unterhalts sehr wohl in der Lage die Prozessfinanzierung zu bewältigen. Zudem erscheint es geradezu mutwillig eine Klage mit einem Streitwert von CHF 170‘000‘000.00 einzureichen, denn bei verständiger Würdigung alles Umstände des Falles würde jedenfalls nur ein Teil geltend gemacht werden. Gesamthaft betrachtet war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe daher abzuweisen.
Zu 2.:
Ebenfalls mit Beschluss vom 12.07.2021 (ON 3) wurde der Kläger aufgefordert die Klage vom 09.07.2021 (ON 1) binnen vierzehn Tagen derart zu verbessern, dass sie zur geschäftsmässigen Behandlung geeignet ist. Dabei wurde diesem insbesondere aufgetragen, dass er eindeutig formulierte Anträge in die Klage aufnehmen sowie so viele gleichlautende Ausfertigungen dem Gericht beibringen möge, dass jedem Gegner eine Ausfertigung zugestellt werden könne.
Mit Eingabe vom 27.08.2021 (ON 5) ist der Kläger dieser Aufforderung bezüglich der Anzahl gleichlautender Ausfertigung nachgekommen und hat die Eingabe in 10-facher Version eingereicht. Gleichzeitig hat er die Klage neu formuliert und bei Gericht eingebracht.
Die neuerlich eingereichte Klage scheitert nach wie vor an den mangelnden Anträgen, die ein klares Urteilsbegehren erkennen lassen würden. Aus dem gesamten Klagsvortrag ergibt sich weder eine schlüssige Klage noch das tatsächliche Klagebegehren, ganz zu schweigen davon, dass der Kläger nicht dartut, weshalb dieser zur Klagsführung berechtigt ist. Die Klage ist gesamthaft zur geschäftsmässigen Behandlung ungeeignet zurückzuweisen. Darauf wurde der Kläger im Verbesserungsbeschluss ON 3 bereits hingewiesen.“
5.
Gegen den Beschluss des Landgerichts vom 20. Oktober 2021 erhob der Beschwerdeführer Rekurs (ON 8). Das Obergericht entschied mit Beschluss vom 29. März 2022 (ON 22) wie folgt:
„1. Dem Rekurs gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Beschlusses wird mit der Massgabe keine Folge gegeben, dass der Antrag, das Fürstliche Landgericht möge dem Kläger Verfahrenshilfe bewilligen und diesem einen Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer beigeben, statt abgewiesen, zurückgewiesen wird.
2. Der Rekurs gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Beschlusses wird zurückgewiesen.
3. Der Rekurswerber hat seine Kosten des vorliegenden Verfahrens selbst zu tragen.“
Diese Entscheidung wurde wie folgt begründet:
5.1
Zu Spruchpunkt 1.:
5.1.1
Mit Entscheidung vom 05.04.2012, LES 2012, 119, habe das Obergericht ausgesprochen, dass ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe schon vor Einbringung einer Klage, eines Vermittlungsgesuches oder eines Aufforderungsschreibens gestellt werden könne. Der Antrag sollte gemäss dieser Entscheidung aber soweit substantiiert sein, dass im Groben überprüft werden könne, ob die Rechtsverfolgung aussichtslos sei. Der Rechtsanwalt, der vor Einbringung einer Klage zum Verfahrenshelfer bestellt worden sei, habe die Pflicht gehabt, von sich aus die Mutwilligkeit und Aussichtslosigkeit der gewollten Rechtsverfolgung zu überprüfen und allenfalls einen Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe zu stellen. Dieses Judikat sei aber zu § 65 Abs. 1 ZPO idF vor der Novelle LGBl. 2016 Nr. 405 ergangen. Mit jener Gesetzesänderung sei § 65 ZPO neu gefasst worden, wobei § 65 Abs. 1 ZPO nunmehr laute wie folgt:
„1) Die Verfahrenshilfe ist beim Prozessgericht erster Instanz schriftlich oder zu Protokoll zu beantragen. Der Antrag auf Verfahrenshilfe kann frühestens in Verbindung mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz, in den Fällen einer obligatorischen Aufforderung auch mit der Aufforderung, beim Prozessgericht erster Instanz gestellt oder protokolliert werden. Im Fall der Rechtsverteidigung kann die Partei frühestens mit der ersten Prozesshandlung die Verfahrenshilfe beantragen.“
5.1.2
Aus den Materialien zur ZPO-Novelle LGBl. 2016 Nr. 405 (vgl. insbesondere BuA Nr. 69/2016 sowie BuA Nr. 113/2016) ergebe sich, dass wesentlicher Anlass für die Notwendigkeit der Novellierung die hohe Anzahl der Verfahrenshilfefälle und die damit verbundene Steigerung der Kosten für das Land gewesen sei, sodass der Einsparungsgedanke durchaus im Vordergrund stand (BuA Nr. 69/2016, 13). In den genannten Erläuterungen (BuA Nr. 69/2016, 57) finde sich Folgendes:
„In Abs. 1 der Bestimmung wird eine Neuerung eingeführt, indem der Antrag auf Verfahrenshilfe künftig immer frühestens in Verbindung mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz beim Prozessgericht erster Instanz gestellt bzw. protokolliert werden kann. Die gegenständliche Neuerung wurde nicht rezipiert und stellt daher eine eigene Lösung dar.
Mit dieser Neuerung soll die Anzahl an Verfahrenshilfefällen reduziert werden und insbesondere von vornherein aussichtslose oder gar mutwillige Verfahren hintangehalten werden. Dem Gericht wird durch den zwingend einzubringenden verfahrenseinleitenden Schriftsatz die Beurteilung der Verfahrenshilfevoraussetzungen der ‚Mutwilligkeit‘ und ‚Aussichtslosigkeit‘ wesentlich vereinfacht und somit ein geeignetes Instrument zur Prüfung dieser Voraussetzungen an die Hand gegeben. Als verfahrenseinleitend gilt auch der erste Schriftsatz eines Prozessgegners (Beklagter oder Antragsgegner), der mit seiner ersten Prozesshandlung Verfahrenshilfe beantragt. Die Parteien werden dadurch künftig angehalten sein, bei der Antragstellung schlüssige Anträge und Klagen und einleitende Schriftsätze zu verfassen, welche dem Gericht die Prüfung auf Mutwilligkeit und Aussichtlosigkeit ermöglichen.“
5.1.3
Der Gesetzgeber habe sich also bewusst gegen die früher - durch die Rechtsprechung bzw. Praxisänderung des damaligen Obergerichtes - eröffnete Möglichkeit einer Antragstellung vor Einbringung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes entschieden. Demnach sei die Argumentation des Beschwerdeführers widerlegt, dass es einen Anspruch auf Verfahrenshilfe zur Klageeinbringung gebe. In der vorliegenden Sache drängten sich auch aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers keine grundrechtlichen Bedenken gegen die Regelung gemäss § 65 ZPO auf, sodass dieser grundsätzlich anzuwenden sei.
5.1.4
Nach der Definition der Klage sei diese ein den Zivilprozess einleitender Antrag um Gewährung von Rechtsschutz in der Hauptsache, somit der prozesseinleitende Parteiantrag.
5.1.5
Da der Beschwerdeführer aber selbst im Rechtsmittel wiederholt betone, noch keine Klage erhoben bzw. noch keine Klage eingebracht zu haben, sei sein Verfahrenshilfeantrag noch nicht zulässig. Dass das Landgericht den Verfahrenshilfeantrag abgewiesen habe, sei für die vorliegende Entscheidung unerheblich. Es habe im Sinne einer Massgabebestätigung ausgesprochen werden können, dass der Verfahrenshilfeantrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen statt abgewiesen werde.
5.1.6
Auf die weiteren vom Beschwerdeführer im Rekurs relevierten Fragen, insbesondere zu seinen vermögensrechtlichen Verhältnissen und zur Mangelhaftigkeit, sei daher nicht mehr einzugehen.
5.2
Zu Spruchpunkt 2.:
5.2.1
Mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Beschlusses sei die vom Beschwerdeführer eingebrachte Klage als nicht zur geschäftsordnungsgemässen Behandlung geeignet zurückgewiesen worden.
5.2.2
Der Kläger habe in seinen Schriftsätzen - auch im Rekurs selbst - wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass seine Eingaben nicht als Klage zu verstehen seien, sondern vielmehr lediglich als Sachverhaltsdarstellung zur Beurteilung seiner Ansprüche.
5.2.3
Zu Ziff. 26 des Rekurses bringe der Beschwerdeführer vor: „Auch hier liegt der Annahme des Gerichts erkennbar der Rechtsfehler zugrunde, dass der Beschwerdeführer eine Klage eingereicht hätte. Da aber keine Klage eingereicht wurde, ist schon die Annahme einer mutwilligen Klage verfehlt.“
Die Eingaben des Beschwerdeführers könnten und dürften angesichts dieser klaren Äusserung des Beschwerdeführers nicht als Klage verstanden werden.
5.2.4
Voraussetzung jeden Rechtsmittels sei eine Beschwer des Rechtsmittelwerbers, also ein Anfechtungsinteresse. Der Beschwerdeführer sei durch die angefochtene Entscheidung aber weder formell noch materiell beschwert. Er habe offenbar keine Klage einbringen wollen, sodass er durch deren Zurückweisung nicht einmal formell beschwert sein könne. Eine materielle Beschwer bestehe schon deswegen nicht, weil die Zurückweisung einer Klage als zur geschäftsordnungsgemässen Behandlung ungeeignet keine Rechtskraftwirkung dahingehend entfalte, dass eine später formgültig erhobene Klage nicht mehr zulässig wäre. Dem Beschwerdeführer stehe es also trotz der Entscheidung des Gerichtes 1. Instanz jederzeit offen, eine Klage wegen der von ihm behaupteten Schadenersatzansprüche einzubringen.
5.2.5
Da der Beschwerdeführer sohin nicht beschwert sei, sei sein Rekurs zu Spruchpunkt 2. zurückzuweisen gewesen.
6.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2022 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Hinblick auf seine noch einzubringende Individualbeschwerde beim Staatsgerichtshof ein.
7.
Mit Präsidialbeschluss vom 27. Juni 2022, StGH 2022/056 V, abgeändert durch den Präsidialbeschluss vom 1. Juli 2022, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers, ihm die Verfahrenshilfe für das Individualbeschwerdeverfahren in vollem Umfang zu bewilligen, Folge gegeben.
8.
Gegen den Beschluss des Obergerichts vom 29. März 2022 erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 2. August 2022 Individualbeschwerde an den Staatsgerichtshof, wobei eine Verletzung des Rechts auf den ordentlichen Richter und auf Zugang zum Gericht (Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 31 Abs. 1 LV), das Recht auf Beschwerdeführung (Art. 43 LV) sowie das Recht auf willkürfreie Behandlung (Art. 31 Abs. 1 LV). Beantragt wird, der Staatsgerichtshof wolle der Individualbeschwerde Folge geben und feststellen, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Beschluss des Obergerichtes in seinen verfassungsmässig und durch die EMRK gewährleisteten Rechten verletzt worden sei; er wolle den angefochtenen Beschluss ON 22 aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Obergericht unter Bindung an die Rechtsansicht des Staatsgerichtshofs zurückverweisen sowie wolle der Staatsgerichtshof das Land Liechtenstein verpflichten, dem Beschwerdeführer die verzeichneten Kosten dieser Individualbeschwerde binnen 14 Tagen zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreter zu ersetzen.
9.
Mit Schreiben vom 5. August 2022 verzichtete das Obergericht auf eine Gegenäusserung zur Individualbeschwerde.
10.
Mit Beschluss vom 16. November 2022 (Äusserungsbeschluss) entschied der Präsident des Staatsgerichtshofes, § 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Zivilprozessordnung i. d. F. der Novelle LGBl. 2016 Nr. 405 von Amtes wegen auf seine Verfassungsmässigkeit zu überprüfen und der Regierung die Möglichkeit einzuräumen, sich binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses zur Verfassungsmässigkeit der Bestimmung zu äussern.
11.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2022 machte die Regierung von ihrem Recht auf Beitritt Gebrauch und stellte den Antrag, § 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO als verfassungskonform zu erachten. Für den Fall, dass der Staatsgerichtshof dennoch die Meinung der Regierung nicht teile und eine Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit von § 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO feststellen sollte, werde beantragt, die Rechtswirksamkeit dieser Aufhebung um ein Jahr aufzuschieben, um den Erlass einer entsprechenden Ersatzregelung zu ermöglichen. Auf die Ausführungen der Regierung wird, soweit relevant, in den Erwägungen eingegangen.
12.
Der Staatsgerichtshof zog die Vorakten, soweit erforderlich, bei und beschloss infolge Spruchreife, auf die Durchführung einer öffentlichen Schlussverhandlung zu verzichten. Nach Durchführung einer nicht-öffentlichen Schlussverhandlung wurde wie aus dem Spruch ersichtlich entschieden.
BEGRÜNDUNG
1.
Das im Beschwerdefall angefochtene Urteil des Obergerichts vom 29. März 2022, 05 CG.2021.189-22, ist gemäss der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes als sowohl letztinstanzlich als auch enderledigend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 StGHG zu qualifizieren (StGH 2018/128, Erw. 1; StGH 2018/091, Erw. 1; StGH 2018/063, Erw. 1 [alle www.gerichtsentscheide.li]). Da die Beschwerde auch frist- und formgerecht eingebracht wurde, hat der Staatsgerichtshof materiell darauf einzutreten.
2.
Zentral ist die Frage der Verfassungsmässigkeit von § 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO. Der Beschwerdeführer erachtet eine verfassungskonforme Auslegung als möglich und angebracht. Aufgrund von Zweifeln an der Verfassungsmässigkeit dieser Norm hat der Staatsgerichtshof jedoch ein Normenkontrollverfahren eingeleitet und die Regierung mit Äusserungsbeschluss vom 16. November 2022 zu einer Stellungnahme eingeladen. Die Regierung gab mit Schreiben vom 19. Dezember 2022 eine entsprechende Stellungnahme ab und trat dem Normenkontrollverfahren bei.
3.
Zur Normenkontrolle betreffend § 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO ist Folgendes zu erwägen:
3.1
Gemäss Art. 18 Abs. 1 Bst. c StGHG entscheidet der Staatsgerichtshof von Amtes wegen über die Verfassungsmässigkeit von Gesetzen oder einzelner gesetzlicher Bestimmungen, wenn und soweit er ein ihm verfassungswidrig erscheinendes Gesetz oder einzelne seiner Bestimmungen in einem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden hat (Präjudizialität) (StGH 2021/085, Erw. 4.1; StGH 2020/059 b, Erw. 1 [beide www.gerichtsentscheide.li]).
3.2
§ 65 Abs. 1 ZPO lautet i. d. F. der ZPO-Novelle LGBl. 2016 Nr. 405 wie folgt:
„Die Verfahrenshilfe ist beim Prozessgericht erster Instanz schriftlich oder zu Protokoll zu beantragen. Der Antrag auf Verfahrenshilfe kann frühestens in Verbindung mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz, in den Fällen einer obligatorischen Aufforderung auch mit der Aufforderung, beim Prozessgericht erster Instanz gestellt oder protokolliert werden. Im Fall der Rechtsverteidigung kann die Partei frühestens mit der ersten Prozesshandlung die Verfahrenshilfe beantragen.“
3.3
Der Staatsgerichtshof hat § 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO in seiner Entscheidung über die Individualbeschwerde im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Bst. c StGHG anzuwenden. Für die obergerichtliche Begründung der Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrages des Beschwerdeführers ist die Frage der Verfassungsmässigkeit von § 65 Abs. 1 ZPO präjudiziell. Dies gilt zwar nicht für die vom Landgericht für die blosse Abweisung des Verfahrenshilfeantrages des Beschwerdeführers gegebene Begründung, doch geht das Obergericht nicht auf diese Begründung ein. Hätte das Obergericht dies getan, läge eine nicht auf § 65 Abs. 1 ZPO gestützte Alternativbegründung vor und die Präjudizialität dieser Bestimmung wäre insgesamt zu verneinen.
So sind aber alle Normprüfungsvoraussetzungen gegeben.
3.4
Der Beschwerdeführer macht im Rahmen seiner Rügen der Verletzung des Rechts auf das ordentliche Gericht und auf Zugang zum Gericht (Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 31 Abs. 1 LV) sowie des Rechts auf Beschwerdeführung (Art. 43 LV) u. a. folgende relevante Ausführungen:
„3.2.6 (…) Durch den Beschluss ON 22 wird dem Beschwerdeführer der Zugang zum Gericht verwehrt, da vom Beschwerdeführer verlangt wird, bereits für den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe eine formell korrekte und der Bestimmung des § 76 Abs. 1 ZPO entsprechende Klage als verfahrenseinleitender Schriftsatz einzureichen. Die wiederholten und gescheiterten Versuche des Beschwerdeführers, eine zur geschäftsmässigen Behandlung durch das Fürstliche Landgericht taugliche Klage zu formulieren, zeigen anschaulich, dass diesem schlicht die erforderlichen genauen Kenntnisse über die Anforderungen der liechtensteinischen ZPO an einen ordnungsgemässen Schriftsatz/Klage fehlen. Ebenso wenig wäre es für den Beschwerdeführer aufgrund seiner beengten finanziellen Möglichkeiten möglich gewesen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, eine Klage zu formulieren, die den Anforderungen genügt, um erfolgversprechend einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe stellen zu können. In letzter Konsequenz würde der Beschluss ON 22 darauf hinauslaufen, dass der Beschwerdeführer zur Wahrung seiner Rechte bzw. zur Verfolgung seiner Ansprüche gezwungen wäre, eine unbestimmte Anzahl weiterer Schriftsätze beim Fürstlichen Landgericht einzubringen, bis diese den formellen Voraussetzungen an eine Klage resp. einen Schriftsatz (§ 76 Abs. 1 ZPO) genügen. Diese mehrfache Einreichung von Schriftsätzen zum gleichen Streitgegenstand ist schon rein aus prozessökonomischen Gründen nicht sinnvoll.
3.2.7 Die Bestimmung des § 65 Abs. 1 ZPO wurde vom Fürstlichen Obergericht in Beschluss ON 22 nicht verfassungskonform angewendet. § 65 Abs. 1 ZPO ist auch nach dessen Teilrevision durch LGBl. 2016 Nr. 405 im Einklang mit der Verfassung (insbesondere mit dem Recht auf Beschwerdeführung gemäss Art. 43 LV sowie dem Grundsatz der Rechtsgleichheit gemäss Art. 31 Abs. 1 Satz 2 LV) und der EMRK (Art. 6 Abs. 1) auszulegen. Gemäss BuA 2016/69 sollte mit der besagten Teilrevision von § 65 Abs. 1 ZPO die Anzahl an Verfahrenshilfefällen reduziert und sollten insbesondere von vornherein aussichtslose oder gar mutwillige Verfahren hintangehalten werden (S. 57 f.). Der erste Teilsatz kann allerdings nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine Reduktion der Verfahrenshilfefälle ungeachtet deren Begründetheit angestrebt wurde. Das Ziel einer Verhinderung auch berechtigter Verfahrenshilfefälle wäre offensichtlich verfassungs- und EMRK-widrig, da dies den Zugang zum Gericht in unsachgemässer Weise einschränken würde, und kann deshalb dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Demgemäss ist die durch LGBl. 2016 Nr. 405 eingeführte Voraussetzung des 'verfahrenseinleitenden Schriftsatzes' im Lichte des gesetzgeberischen Ziels der Teilrevision der ZPO von 2016 dahingehend zu interpretieren, dass diejenigen Parteien, welche Verfahrenshilfe beantragen, ihre Eingaben (den 'verfahrenseinleitenden Schriftsatz') (nur) so schlüssig und nachvollziehbar verfassen müssen, dass dem Gericht die Prüfung der Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit ermöglicht wird (vgl. BuA 2016/69, S. 57 f. sowie BuA 2016/113, S. 15 ff.). Durch die erhöhten Anforderungen an die Substantiierung im Rahmen des Antrages auf Verfahrenshilfe wird es dem Gericht erleichtert, Anträge für aussichtslose oder mutwillige Verfahren herauszufiltern. Hierdurch wird auch erreicht, dass von vornherein weniger Anträge auf Verfahrenshilfe für aussichtslose oder mutwillige Verfahren eingebracht werden (wobei ohnedies darauf hinzuweisen ist, dass bei der Beurteilung, ob eine Rechtsverfolgung bzw. Beschwerdeführung aussichtslos ist, Zurückhaltung geboten ist, um eine Sachentscheidung nicht vorwegzunehmen [vgl. Alexander Klausner/Georg Kodek, JN-ZPO18, 2018, § 63 ZPO, E. 58/1; siehe auch StGH 2014/74, Erw. 4.3 f.]). Es lässt sich allerdings aus den Gesetzesmaterialien nicht ableiten und wäre überdies (…) verfassungs- und EMRK-widrig, würden diese erhöhten Anforderungen durch den neuen § 65 Abs. 1 ZPO dahingehend interpretiert, dass gemeinsam mit dem Antrag auf Verfahrenshilfe ein den Erfordernissen des § 76 Abs. 1 ZPO entsprechender Schriftsatz einzureichen wäre, wo doch bis zur ZPO-Revision von 2016 das gemäss Verordnung vom 5. Juli 1994 über den schriftlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und über das Vermögensbekenntnis zur Erlangung der Verfahrenshilfe (LGBl. 1994 Nr. 061, in der jeweils geltenden Fassung) zu verwendende Formblatt als ausreichend befunden wurde.“
3.5
Der Staatsgerichtshof leitet den Anspruch auf Verfahrenshilfe sowohl aus dem Recht auf Beschwerdeführung als auch - primär - aus dem Gleichheitssatz der Verfassung ab (StGH 2021/034, Erw. 3.1; StGH 2016/066, Erw. 6.1; StGH 2008/079, Erw. 5.1 [alle www.gerichtsentscheide.li]). Der in Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleistete Anspruch auf Zugang zu einem unabhängigen, unparteiischen und auf Gesetz beruhenden Gericht setzt zudem voraus, dass gerichtlicher Rechtsschutz tatsächlich und effektiv gewährt wird. Auch wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen entsprechenden Gestaltungsspielraum der Vertragsstaaten bei der Ausgestaltung dieses Rechts anerkennt und ein direkter Anspruch auf Verfahrenshilfe in Art. 6 EMRK nicht gewährleistet ist, steht fest, dass der Staat dafür Sorge zu tragen hat, dass dem Einzelnen der Zugang zu Gericht nicht aus wirtschaftlichen Gründen verwehrt bleibt (StGH 2018/112, Erw. 4.1 [www.gerichtsentscheide.li]; vgl. EGMR, Marina gg. Lettland, Nr. 46040/07, Urteil vom 26. Oktober 2010, §§ 55 f.). Dem geltend gemachten Recht auf das ordentliche Gericht kommt für den Anspruch auf Verfahrenshilfe keine eigenständige Bedeutung zu. Gleiches gilt für die ebenfalls erhobene Willkürrüge.
3.6
Der Präsident des Staatsgerichtshofes erwog im Äusserungsbeschluss, gerade der Anlassfall zeige, dass es für die Rechtssuchenden häufig schwierig sei, ohne anwaltliche Unterstützung eine den Anforderungen gemäss § 76 Abs. 1 ZPO genügenden ersten Schriftsatz zu verfassen. In der Individualbeschwerde wird in diesem Zusammenhang zu bedenken gegeben, dass dies einen oder mehrere Verbesserungsaufträge verursachen könne. Der Staatsgerichtshof hat dazu im Äusserungsbeschluss weiter erwogen, auch wenn das Verbesserungsverfahren erfolgreich sei, werde der Rechtsvertreter im Falle der Gewährung der Verfahrenshilfe in der Regel noch „nachbessern“ müssen, was wiederum für das Gericht und gegebenenfalls für die Gegenpartei einen weiteren Verfahrensaufwand darstelle. Dabei seien der „Nachbesserung“ Grenzen gesetzt, da die im verfahrenseinleitenden Schriftsatz gestellten Anträge aufgrund der insoweit bestehenden zivilprozessualen Beschränkungen (§ 243 ZPO - Klageänderung) allenfalls gar nicht mehr abgeändert werden könnten. Gerade Letzteres erscheine aus grundrechtlicher Sicht problematisch, da dadurch die Gefahr bestehe, dass berechtigte Ansprüche nicht durchgesetzt werden könnten.
Dem Staatsgerichtshof erscheine die Regelung in § 65 Abs. 1 ZPO nicht verfahrensökonomisch und somit im Sinne des gesetzgeberischen Willens eher nicht geeignet, wesentliche Einsparungen bei den Ausgaben im Zusammenhang mit der Verfahrenshilfe zu ermöglichen. Anzumerken sei, dass die in der Individualbeschwerde angeregte verfassungskonforme Auslegung von § 65 Abs. 1 ZPO (nämlich dahingehend, dass im erstinstanzlichen Zivilverfahren auf das Erfordernis der gleichzeitigen Einbringung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes zusammen mit dem Verfahrenshilfeantrag verzichtet würde) nicht möglich sei, da neben dem Gesetzeswortlaut auch der in den Gesetzesmaterialien manifestierte Wille des Gesetzgebers dagegen spreche.
3.7
Die Regierung verweist in ihrer Äusserung vom 19. Dezember 2022 zunächst auf StGH 2017/082 und 083 (LES 2018, 84 [www.gerichtsentscheide.li]), wo der Staatsgerichtshof Art. 83 Abs. 1a AsylG in dessen ursprünglicher Fassung teilweise für verfassungswidrig erklärte.
3.7.1
Art. 83 Abs. 1a AsylG hatte in seiner ursprünglichen Fassung wie folgt gelautet: „1a) Ein Antrag auf Verfahrenshilfe kann frühestens mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz bzw. der Beschwerde gestellt werden. Der Antrag wird zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache behandelt.“
3.7.2
Wie die Regierung ausführt, erachtete es der Staatsgerichtshof in dieser Entscheidung als bedenklich, dass der als eigenständig zu behandelnde Antrag auf Verfahrenshilfe gemäss Art. 83 Abs. 1a AsylG nicht nur gleichzeitig mit der Beschwerde gestellt, sondern zusammen mit der Hauptsache beurteilt werden müsse. Die Regelung lasse das Recht auf Verfahrenshilfe im Asylbereich leerlaufen. Diese gesetzliche Vorgabe bedeute im Ergebnis, dass eine Gutheissung des Verfahrenshilfeantrages ohne Wirkung bleibe, da in der Hauptsache bereits gleichzeitig materiell entschieden worden sei. Im Falle einer Ablehnung der Beschwerde wäre der Beschwerdeführer systemwidrig gezwungen, mit einer Individualbeschwerde beim Staatsgerichtshof eine Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichtshofes zu erwirken, um sein Recht auf Verfahrenshilfe effektiv durchsetzen zu können. Art. 83 Abs. 1a AsylG sei deshalb nicht direkt vergleichbar mit der analogen Regelung im erstinstanzlichen Zivilverfahren gemäss § 65 ZPO, wo im Übrigen der ordentliche Rechtsmittelweg offen stehe. Der Staatsgerichtshof kam zum Schluss, dass eine Regelung im Sinne von Art. 83 Abs. 1a AsylG verfassungsrechtlich vertretbar wäre, falls die Verpflichtung zur gleichzeitigen Behandlung von Verfahrenshilfeantrag und Beschwerde (Art. 83 Abs. 1a Satz 2 AsylG) aufgehoben würde. Der Verfahrenshilfeantrag eines rechtsfreundlich vertretenen oder eines unvertretenen Beschwerdeführers sei selbständig zu beurteilen (StGH 2017/082 und 083, LES 2018, 84 [87, Erw. 4.6.9] [www.gerichtsentscheide.li]).
3.7.3
Dieser Einschätzung des Staatsgerichtshofes, so die Regierung weiter in ihrer Gegenäusserung, sei der Gesetzgeber mit LGBl. 2018 Nr. 270 nachgekommen, indem der zweite Satz von Art. 83 Abs. 1a Satz 2 AsylG („Der Antrag wird zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache behandelt.“) weggelassen worden sei. § 65 Abs. 1 Satz 2 ZPO („Der Antrag auf Verfahrenshilfe kann frühestens in Verbindung mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz, … beim Prozessgericht erster Instanz gestellt oder protokolliert werden.“) entspreche Art. 83 Abs. 1a Satz 2 AsylG in der neuen Fassung. Der Staatsgerichtshof habe in StGH 2017/082 und 083 erwogen, dass im erstinstanzlichen Zivilverfahren gemäss § 65 ZPO im Unterschied zum Asylverfahren noch der ordentliche Rechtsmittelweg offenstehe. Gemäss dieser Erwägung des Staatsgerichtshofes könnten an § 65 Abs. 1 ZPO jedenfalls keine höheren Anforderungen gestellt werden als an Art. 83 Abs. 1a AsylG.
3.8
Hierzu ist Folgendes zu erwägen:
3.8.1
Es ist grundsätzlich richtig, wenn die Regierung die zu prüfende ZPO-Norm mit Art. 83 Abs. 1a AsylG vergleicht und sich dabei auf StGH 2017/082 und 083 beruft. Wie der Staatsgerichtshof in jener Entscheidung ausführte, macht es durchaus einen Unterschied, dass im Zivilverfahren anders als im dort betroffenen Asylbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof noch ein ordentlicher Instanzenzug offensteht. Tatsächlich kann im Zivilverfahren anders als im Asylverfahren die ungerechtfertigte Verweigerung der Verfahrenshilfe im Instanzenzug noch korrigiert werden.
3.8.2
Damit werden aber die vom Staatsgerichtshof im Äusserungsbeschluss vom 16. November 2022 formulierten Bedenken nicht ausgeräumt, dass nämlich im Zivilverfahren ein im Instanzenzug doch noch bestellter Verfahrenshelfer den verfahrenseinleitenden Schriftsatz wegen der eingeschränkten Zulassung von Klageänderungen (§ 243 ZPO) nur noch beschränkt abändern könne.
3.9
Dieser Befürchtung hält die Regierung in ihrer Äusserung Folgendes entgegen:
Da eine Verfahrenshilfe beantragende rechtsunkundige Partei durch die eingeschränkte Zulassung von Klageänderungen nicht weitergehend, sondern genau gleich betroffen sei wie eine (zufolge Fehlens der wirtschaftlichen Voraussetzungen von § 63 Abs. 1 und 2 ZPO) nicht Verfahrenshilfe beantragende rechtsunkundige Partei, sei - insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in Liechtenstein kein Anwaltszwang bestehe - kein Grund ersichtlich, weshalb Erstere gegenüber Letzterer begünstigt werden sollte. Angesichts des Umstands, dass eine Klageänderung nicht anzunehmen sei, wenn lediglich die tatsächlichen Angaben der Klage geändert oder berichtigt oder offenbare Irrtümer in der Fassung des Klagebegehrens korrigiert würden, seien die vom Staatsgerichtshof gehegten Bedenken eher theoretischer Natur und spielten in der Gerichtspraxis keine Rolle. Zudem seien Klageänderungen gemäss Gesetz möglichst zuzulassen. Bei Bewilligung der Verfahrenshilfe über einen mit der Klage verbundenen Verfahrenshilfeantrag erfolge die Bestellung des Verfahrenshelfers ganz zu Beginn des Prozesses und noch vor der ersten Streitverhandlung. Es bestehe daher im Falle einer vom Verfahrenshelfer „nachgebesserten Klage“ keine Gefahr einer „erheblichen Erschwerung und Verzögerung der Verhandlung“ gemäss § 243 Abs. 3 ZPO, weshalb eine solche ganz zu Beginn des Verfahrens vorgenommene Klageänderung zuzulassen sei (OG, 19.10.2022, 15 CG.2019.325; u. v. a.; Klicka in Fasching/Konecny3 III/1, § 235, Rz. 39; Ziehensack in Ziehensack/Höllwerth, ZPO-TaKom, § 235 ZPO, Rz. 20). In der Gerichtspraxis würden Klagen beim Landgericht trotz fehlenden Anwaltszwangs beinahe ausschliesslich von rechtsanwaltlich vertretenen Parteien eingebracht und Verfahrenshilfeanträge gleichzeitig mit der Klage gestellt. Ausgehend davon trage die bestehende Regelung von § 65 Abs. 1 Satz 2 ZPO dieser Rechtswirklichkeit Rechnung und habe sich bislang bewährt.
3.10
Diese Ausführungen der Regierung sind weitgehend überzeugend.
3.10.1
Das erste und das letzte Argument sind allerdings nicht stichhaltig: Der Vergleich mit einer Partei, welche keinen Anspruch auf Verfahrenshilfe hat oder jedenfalls von vornherein auf die Stellung eines Verfahrenshilfeantrages verzichtet, ist nicht sachgerecht. Im Beschwerdefall geht es nämlich um diejenige Partei, die bedürftig ist und deren Verfahrenshilfeanspruch (und sei es allenfalls erst im Instanzenzug) auch ansonsten bejaht wird. Nur bei ihr stellt sich die Frage, inwieweit der erst nach Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes bestellte Verfahrenshelfer überhaupt noch die Möglichkeit hat, Fehler dieses Schriftsatzes zu verbessern. Vor diesem Hintergrund spielt der fehlende Anwaltszwang keine Rolle. Und dass Anwälte häufig das Kostenrisiko auf sich nehmen und bedürftige Parteien trotz (noch) fehlender Gewährung der Verfahrenshilfe vertreten, ist zwar löblich; doch es geht nicht an, die Verantwortung für eine verfassungskonforme Umsetzung des grundrechtlichen Anspruchs auf Verfahrenshilfe in diesem Zusammenhang auf die Anwaltschaft abzuschieben und auf deren bisherigen Goodwill zu vertrauen.
3.10.2
Hingegen ist die überraschend gute Kenntnis der Regierung von nicht publizierten aktuellen Obergerichtsentscheidungen hilfreich. Tatsächlich hält das Obergericht in der von der Regierung zitierten Entscheidung Folgendes fest (15 CG.2019.325-135, S. 9): „Gemäss § 243 Abs. 3 ZPO ( § 235 Abs. 3 ö-ZPO) kann das Gericht Klageänderungen - soweit hier relevant - zulassen, wenn aus der Änderung eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist. Im ‚Kann‘ in § 243 Abs. 3 ZPO ist ein ‚Soll‘ zu sehen.“ In verfassungskonformer Auslegung ist allerdings noch ein Schritt weiterzugehen: Wenn der nachträglich bestellte Verfahrenshelfer einen die Klage verbessernden Schriftsatz nachreicht, „soll“ das Gericht nicht nur eine allfällige damit verbundene Klageänderung zulassen, sondern es „muss“ dies sogar tun, wenn nicht besonders triftige Gründe dagegen sprechen. Umso mehr müssen neues Vorbringen und neue Beweisanträge durch den nachträglich bestellten Verfahrenshelfer zulässig sein und die einschlägigen Restriktionen gemäss § 179 Abs. 1 ZPO sind entsprechend grosszügig zu handhaben.
3.11
Im Hinblick auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Handhabung von § 65 Abs. 1 ZPO sind auch die folgenden Ausführungen in der Äusserung der Regierung zu beachten:
3.11.1
Der Staatsgerichtshof erwäge in seinem Äusserungsbeschluss, dass es für den Rechtssuchenden ohne anwaltliche Unterstützung schwierig sei, einen den Anforderungen der ZPO genügenden „ersten Schriftsatz“, also v. a. eine Klage, zu verfassen, was allenfalls zu wiederholten, nicht verfahrensökonomischen und dem gesetzgeberischen Willen nicht entsprechenden Verbesserungsaufträgen des Gerichts führe. Diese Überlegungen des Staatsgerichtshofes zielten an der Sache vorbei. In Liechtenstein bestehe kein Anwaltszwang. Das berge notwendigerweise das Risiko in sich, dass die von nicht anwaltlich vertretenen juristischen Laien eingebrachten verfahrenseinleitenden Schriftsätze gelegentlich nicht den formellen (§§ 75, 77 ZPO) und/oder inhaltlichen (§§ 76, 226 ZPO) Anforderungen der ZPO entsprächen und dies Verbesserungsverfahren nach sich ziehe. Dem Umstand, dass keine Anwaltspflicht bestehe, sei in § 226 Abs. 1 ZPO dahingehend Rechnung getragen worden, dass für das Gericht eine über § 182 ZPO hinausgehende Anleitungs- und Belehrungspflicht normiert werde. Den an eine Klage zu stellenden formalen Anforderungen von §§ 75, 77 ZPO zu genügen, werde in der Regel jedem Rechtsunkundigen spätestens nach dem ersten Verbesserungsauftrag gelingen, zumal darin die formellen Mängel im Einzelnen genau zu bezeichnen seien. Inhaltliche Mängel führten demgegenüber nicht zur Zurückweisung der Klage, sondern zu deren Abweisung, und zwar erst nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Urteil.
3.11.2
Insofern erachtet die Regierung den vom Landgericht im Beschwerdefall gefällten Beschluss auf Zurückweisung der Klage, weil diese nicht schlüssig sei, als rechtlich verfehlt. Aus Sicht der Regierung hätte daher das Obergericht, falls das Vorliegen einer Klage angenommen worden wäre, den angefochtenen Beschluss kassieren und die Rechtssache an das Landgericht zurückverweisen müssen, damit dieses mit Urteil entscheide. Das Landgericht hätte dann eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in welcher das Landgericht bei sonstiger Mangelhaftigkeit des Verfahrens gehalten gewesen wäre, seiner Manuduktionspflicht gemäss §§ 182, 226 Abs. 1 ZPO nachzukommen und den Beschwerdeführer zur Behebung der inhaltlichen Mängel seiner Klage anzuleiten.
3.11.3
Sofern inhaltliche Mängel nicht nach einem ersten schriftlichen Verbesserungsauftrag beseitigt würden, habe das Gericht darauf gemäss seiner Manuduktionspflicht (§§ 182, 226 Abs. 1 ZPO) im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu dringen; wiederholte schriftliche Verbesserungsaufträge seien der ZPO fremd. In der Praxis werde bei inhaltlichen Mängeln der Klage üblicherweise kein schriftlicher Verbesserungsauftrag erteilt, sondern würden diese in der Regel verfahrensökonomischer gleich in der mündlichen Verhandlung beseitigt. Für den „verfahrenseinleitenden Schriftsatz“ gemäss § 65 Abs. 1 Satz 2 ZPO - in streitigen Zivilverfahren die Klage - brauche es zumindest ein ausreichendes Vorbringen, welches dem Gericht die Beurteilung der für die Bewilligung der Verfahrenshilfe erforderlichen Voraussetzungen der fehlenden Mutwilligkeit und der fehlenden Aussichtslosigkeit (§ 63 Abs. 1 und 2 ZPO) ermögliche. Hingegen müsse der „verfahrenseinleitende Schriftsatz“ noch nicht allen weiteren inhaltlichen und formellen Voraussetzungen der ZPO für eine Klage genügen.
3.12
Hierzu ist Folgendes zu erwägen:
3.12.1
Zunächst kann offen gelassen werden, inwieweit die Erwägungen im Äusserungsbeschluss des Staatsgerichtshofes „an der Sache vorbeizielen“. Nicht überzeugen kann jedenfalls, wie schon erwähnt, die Argumentation der Regierung mit dem fehlenden Anwaltszwang. Im Weiteren geht die Regierung nicht nur mit dem Staatsgerichtshof, sondern auch mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit robust um, wenn sie die Landgerichtsentscheidung „als rechtlich verfehlt“ qualifiziert - zumal die Zurückweisung der Klage im Ergebnis durchaus richtig war (siehe Erw. 4.2 hiernach). Immerhin ist es gerechtfertigt, wenn die Regierung die gerichtliche Manuduktionspflicht für nicht anwaltlich vertretene Parteien betont. So hat der Staatsgerichtshof für das Asylverfahren erwogen, dass im Lichte des grundrechtlichen Beschwerderechts gerade bei unvertretenen Beschwerdeführern eine Anleitung erforderlich ist und bei Vorliegen eines behebbaren Mangels ein Verbesserungsantrag zu ergehen hat (siehe den Überblick über die einschlägige Rechtsprechung in StGH 2017/045, Erw. 2.5 ff. [www.gerichtsentscheide.li]). Im Zivilverfahren kann die Manuduktionspflicht gemäss §§ 182, 226 Abs. 1 ZPO die Einhaltung dieser grundrechtlichen Minimalanforderungen gewährleisten.
3.12.2
Im Hinblick auf eine verfassungskonforme Handhabung von § 65 Abs. 1 ZPO ist im Weiteren die Argumentation der Regierung wesentlich, dass an den verfahrenseinleitenden Schriftsatz keine strengen Inhaltsanforderungen zu stellen sind, sondern dass nur ein ausreichendes Vorbringen dafür zu erstatten sei, dass es „dem Gericht die Beurteilung der für die Bewilligung der Verfahrenshilfe erforderlichen Voraussetzungen der fehlenden Mutwilligkeit und der fehlenden Aussichtslosigkeit (§ 63 Abs. 1 und 2 ZPO) ermöglicht“. Dies entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes, wonach die Anforderungen an einen Schriftsatz gemäss § 76 ZPO verfassungskonform dahingehend auszulegen sind, dass die Durchsetzung des Anspruchs auf Verfahrenshilfe nicht unsachlich erschwert wird (StGH 2013/180, Erw. 2.2 [www.gerichtsentscheide.li]). Auch der Beschwerdeführer beruft sich auf diese Entscheidung. Er räumt zwar ein, dass die Entscheidung zu § 63 Abs. 1 und 2 ZPO in der Fassung vor der Teilnovelle von 2016 ergangen sei, betont aber zu Recht, dass sie auch für die aktuelle Fassung dieser Bestimmung Geltung haben müsse.
3.13
Insgesamt kommt der Staatsgerichtshof im Lichte der Ausführungen der Regierung ebenfalls zum Schluss, dass § 65 Abs. 1 ZPO verfassungskonform ausgelegt werden kann, aber eben unter den zwei genannten Voraussetzungen: Zum einen hat das Gericht nur geringe formelle und inhaltliche Anforderungen an den verfahrenseinleitenden Schriftsatz zu stellen und bei Vorliegen eines behebbaren Mangels ein effektives Verbesserungsverfahren bzw. eine effektive Manuduktion durchzuführen; zum anderen ist eine vom nachträglich bestellten Verfahrenshelfer initiierte Klageänderung und sonstiges neues Vorbringen und neue Beweisanträge in aller Regel zuzulassen. Bei Einhaltung dieser beiden Vorgaben können nach Auffassung des Staatsgerichtshofes die Nachteile des Erfordernisses der gleichzeitigen Einreichung von Verfahrenshilfeantrag und verfahrenseinleitendem Schriftsatz genügend abgefedert werden, um den Anforderungen des grundrechtlichen Anspruchs auf Verfahrenshilfe zu genügen.
Demnach ist § 65 Abs. 1 ZPO spruchgemäss als verfassungskonform zu qualifizieren.
4.
Es fragt sich nun weiter, welche Auswirkungen diese verfassungskonforme Interpretation von § 65 Abs. 1 ZPO auf den Beschwerdefall hat - zumal diese Auslegung weder derjenigen des Beschwerdeführers noch des Obergerichts entspricht.
4.1
Das Obergericht hat seine Entscheidung wesentlich damit überzeugend begründet, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich keine Klage erheben, sondern nur einen Verfahrenshilfeantrag stellen wollte. Entsprechend änderte das Obergericht zum einen den Spruchpunkt 1. des Landgerichtsbeschlusses dahingehend ab, dass der Verfahrenshilfeantrag nicht ab-, sondern zurückgewiesen wurde. Denn gemäss § 65 Abs. 1 ZPO muss der Verfahrenshilfeantrag zusammen mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz - im streitigen Zivilverfahren wie im Beschwerdefall also der Klage - eingereicht werden. Da der Beschwerdeführer aber ausdrücklich keine Klage erheben wollte, fehlte eine gesetzliche Voraussetzung für die materielle Behandlung des Verfahrenshilfeantrages. Diese Argumentation des Obergerichts bleibt auch mit der vom Staatsgerichtshof nunmehr vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung von § 65 Abs. 1 ZPO grundrechtskonform, denn diese Auslegung ändert nichts daran, dass beide Schriftsätze gemäss dem Wortlaut dieser ZPO-Bestimmung gemeinsam einzubringen sind.
4.2
Gleiches gilt für die Begründung von Spruchpunkt 2. der Obergerichtsentscheidung, womit der Rekurs gegen die Zurückweisung der Klage durch das Landgericht seinerseits zurückgewiesen wurde. Auch die hierfür gegebene Begründung des Obergerichts bleibt grundrechtskonform, nämlich dass eine Partei, die gar keine Klage einbringen wollte, durch die Zurückweisung des betreffenden Schriftsatzes nicht beschwert sein kann. Mit dem Argument, dass der Beschwerdeführer gar keine Klage einbringen wollte, hätte im Übrigen schon das Landgericht die von ihm vorgenommene Zurückweisung des betreffenden Schriftsatzes rechtfertigen können, sodass der betreffende Spruchpunkt 2. seiner Entscheidung jedenfalls im Ergebnis richtig war.
5.
Demnach hat die in einer verfassungskonformen Auslegung resultierende Normenkontrolle von § 65 Abs. 1 ZPO durch den Staatsgerichtshof keine Auswirkungen auf die angefochtene Obergerichtsentscheidung. Sie erweist sich auch mit dieser Auslegung als verfassungskonform, so dass der Beschwerdeführer insgesamt mit keiner seiner Grundrechtsrügen Erfolg hatte und der vorliegenden Individualbeschwerde spruchgemäss keine Folge zu geben ist.
6.
Anzumerken bleibt, dass das Obergericht zu Recht betont, dass der Beschwerdeführer durch die Zurückweisung seiner „Klage“ mangels res-iudicata-Wirkung nicht daran gehindert ist, neuerdings ein Zivilverfahren einzuleiten, dabei wiederum einen Verfahrenshilfeantrag zu stellen und einen verfahrenseinleitenden Schriftsatz einzubringen - diesmal aber im Sinne der vom Staatsgerichtshof vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung von § 65 Abs. 1 ZPO vorbehaltlos als Klage. Mit der dem Landgericht gerade auch im Lichte dieser verfassungskonformen Auslegung obliegenden weitgehenden Manuduktionspflicht sollte die Behebung allfälliger Form- und Inhaltsmängel dieser Klage gewährleistet sein, sodass einer materiellen Behandlung des Verfahrenshilfeantrages insoweit nichts im Wege stehen sollte. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die Gewährung der Verfahrenshilfe im vorliegenden Individualbeschwerdeverfahren keine Präjudizwirkung für das ordentliche Zivilverfahren hat (StGH 2022/051, Erw. 2.3.1; StGH 2018/141, Erw. 2.3; vgl. auch StGH 2012/200, Erw. 2 [alle www.gerichtsentscheide.li]).
7.
Nachdem der Staatsgerichtshof gemäss Art. 56 Abs. 2 StGHG bzw. Art. 8 Abs. 4 GGG die Möglichkeit hat, die angefallenen Gerichtsgebühren als uneinbringlich zu erklären bzw. von der amtlichen Einbringung der Gebühren abzusehen, erscheint es gegenständlich angesichts der zu erwartenden erschwerten Einbringlichkeit der Gebühren angezeigt, in diesem Sinne vorzugehen (StGH 2018/087, Erw. 7; StGH 2018/006, Erw. 7; StGH 2017/076, Erw. 8).