StGH 2022/102
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07.02.2023
StGH
Urteil
Sprüche: - nicht vergeben -
StGH 2022/102
Der Staatsgerichtshof als Verfassungsgerichtshof hat in seiner nicht-öffentlichen Sitzung vom 7. Februar 2023, an welcher teilnahmen: Präsident Dr. Hilmar Hoch als Vorsitzender; stellvertretender Präsident lic. iur. Christian Ritter, Prof. Peter Bussjäger und Prof. August Mächler als Richter; Mag. iur. Franziska Goop-Monauni als Ersatzrichterin sowie Dr. Tobias Wille als Schriftführer
in der Beschwerdesache
Beschwerdeführer:
1. A
2.B


beide vertreten durch:

***
Beschwerdegegnerin:
C Stiftung



vertreten durch:

***
Belangte Behörde:Fürstliches Obergericht, Vaduz
gegen:Beschluss des Obergerichtsvom 3. November 2022, 07 HG.2021.140-35
wegen:Verletzung verfassungsmässig und durch die
EMRK gewährleisteter Rechte
(Streitwert: CHF 30’000.00)
zu Recht erkannt:
1.Der Individualbeschwerde wird Folge gegeben. Die Beschwerdeführer wurden durch den angefochtenen Beschluss des Fürstlichen Obergerichts vom 3. November 2022, 07 HG.2021.140-35, in ihren verfassungsmässig und durch die EMRK gewährleisteten Rechten verletzt.
2.Der Beschluss des Fürstlichen Obergerichts vom 3. November 2022, 07 HG.2021.140-35, wird aufgehoben und unter Bindung an die Rechtsansicht des Staatsgerichtshofes an das Obergericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
3.Die Beschwerdegegnerin ist schuldig, den Beschwerdeführern die Kosten ihrer Vertretung von CHF 2‘286.90 binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
4.Die Beschwerdegegnerin ist schuldig, die Gerichtsgebühren von CHF 2'100.00 binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution an die Landeskasse zu bezahlen.
5.Die Landeskasse hat den Beschwerdeführern die bereits bezahlten Gerichtsgebühren von CHF 2'100.00 zurückzuerstatten.
SACHVERHALT
1.
A und B (Beschwerdeführer) stellten mit Eingabe vom 11. Oktober 2021 verschiedene Anträge in einem stiftungsrechtlichen Aufsichtsverfahren (07 HG.2021.140). Mit der einstweiligen Vorkehrung vom 22. Oktober 2021 (ON 9) wurde dem Stiftungsrat der C Stiftung (Beschwerdegegnerin) für die Dauer des Aufsichtsverfahrens untersagt zu beschliessen, Vermögenswerte der Stiftung an den Nachlass des D oder an E, dem Lebensgefährten des verstorbenen Stifters D, zu überweisen. Hingegen wurden die weitergehenden Anträge der Beschwerdeführer, Art. 3 des Reglements vom 10. August 2020 der Beschwerdegegnerin für nichtig bzw. für ungültig zu erklären sowie der Antrag, die Zweckmässigkeit der Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens durch den Stiftungsrat zu prüfen, mit Beschluss des Landgerichts vom 23. Juni 2022 (ON 25) abgewiesen.
2.
Das Landgericht begründete seinen Beschluss vom 23. Juni 2022 (ON 25) zusammengefasst damit, dass nach Art. 11 der Gründungsstatuten der Stiftungsrat in Beistatuten die Begünstigten und das Ausmass ihrer Ansprüche festlegen könne und dies mit dem Reglement vom 28. September 1988 auch erfolgt sei. Diese beiden Dokumente bildeten eine untrennbare Einheit betreffend den in den Stiftungsdokumenten ausgedrückten Stifterwillen. Dabei sei in dem als Reglement bezeichneten Beistatut D das Recht eingeräumt worden, den Stiftungsrat mit einer Ergänzung oder Abänderung dieses Reglements gemäss seinen Wünschen zu beauftragen. Dies korrespondiere mit dem Recht des Stiftungsrates, die Statuten abzuändern. Der Stifter habe sich dadurch Rechte betreffend die Abänderung der Begünstigungsregelung vorbehalten. Eine Abänderung der Begünstigungsregelung sei daher möglich, wenn der Stifter einen entsprechenden Wunsch geäussert habe und der Stiftungsrat in der Folge einen entsprechenden Beschluss gefasst bzw. wenn der Stifter einem Beschluss zugestimmt habe. Im vorliegenden Fall habe der Stiftungsrat aufgrund des Wunsches des Stifters die Begünstigungsregelung angepasst und ein Legat für Herrn E auf EUR 850'000.00 erhöht. Der angefochtene Artikel im Reglement sei daher nach den Vorgaben der Stiftungsdokumente gültig zustande gekommen, weshalb es nicht notwendig sei, die Eignung des Stiftungsrates deswegen in Frage zu stellen.
3.
Die Beschwerdeführer erhoben gegen den Beschluss des Landgerichts vom 23. Juni 2022 (ON 25) einen Rekurs an das Obergericht. Im Kern der Rügen wird ausgeführt, dass sich der Stifter D keine wie immer gearteten Stifterrechte vorbehalten habe, die Beschwerdeführer Zweitbegünstigte und Stiftungsbeteiligte seien und der mit dem Legat bedachte E ursprünglich gar nicht zum Kreis der Begünstigten gehört habe. Da keine Stifterrechte vorbehalten gewesen seien, sei die beschlussmässige Erledigung durch das Landgericht fehlerhaft.
4.
Das Obergericht gab mit Beschluss vom 3. November 2022 dem Rekurs kostenpflichtig keine Folge und begründete dessen Abweisung im Wesentlichen wie folgt:
4.1
Das Obergericht hielt fest, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes das Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. die Aufhebung von Stiftungsratsbeschlüssen Gegenstand der Stiftungsaufsicht und damit des Ausserstreitverfahrens sei. Die Hauptfrage der Nichtigkeit der Stiftungsratsbeschlüsse sei im ausserstreitigen Verfahren geltend zu machen. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin sei der Antrag richtigerweise im Ausserstreitverfahren gestellt worden.
4.2
Nach dem auch auf Alt-Stiftungen anzuwendenden Art. 552 § 32 PGR sei eine Änderung anderer Inhalte der Stiftungsurkunde oder Stiftungszusatzurkunden durch den Stiftungsrat zulässig, wenn und soweit die Änderungsbefugnis dem Stiftungsrat in der Stiftungsurkunde ausdrücklich vorbehalten sei. Die Änderungsbefugnis des Stiftungsrates müsse aber vom Stifter in den Statuten oder Beistatuten vorbehalten worden sein. Eine Änderung der Begünstigtenstellung innerhalb des Begünstigtenkreises stelle nach ständiger Rechtsprechung keine Änderung des Stiftungszwecks dar (GE 2014, 367; StGH 2014/062; GE 2014, 313; LES 2008, 279; StGH 2008/056, GE 2010, 489). Dass die Änderung hinsichtlich der erfolgten Begünstigtenbestellung keine Zweckänderung darstelle, solange die Begünstigen Mitglieder dieses Begünstigtenkreises seien, sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich und steht im Einklang mit dem Willkürverbot (StGH 2008/056, GE 2010, 489: eine oder mehrere Personen der beiden Familien des Stifters). Da es dem Stifter freistehe, ob er überhaupt eine Stiftung errichte oder wen er als Begünstigten einsetze, müsse es ihm auch überlassen bleiben, nach seinem Gutdünken eine Begünstigtenregelung zu beseitigen bzw. Stiftungsorganen solche Rechte vorzubehalten und zuzuweisen. Der Stifter habe in den Statuten vom 22. September 1988 dem Stiftungsrat ausdrücklich die Änderung an diesen Statuten vorbehalten. Der Stiftungsrat könne nach den Statuten Begünstigte in den Beistatuten bestimmen sowie den Umfang und die Art und Weise ihrer Begünstigung regeln. Daher sei der Stiftungsrat befugt gewesen, die Beistatuten zu ändern und auch begünstigungsrelevante Änderungen vorzunehmen.
4.3
Entgegen dem Rekursvorbringen sei die Begünstigtenstellung der Beschwerdeführer nicht als erstarrt anzusehen. Das in den Statuten dem Stiftungsrat eingeräumte Statutenänderungsrecht gelte auch für begünstigungsrelevante Änderungen eines Beistatuts. Die Begünstigtenstellung könne durch ein späteres Beistatut jedenfalls dann widerrufen werden, wenn dem Begünstigten kein rechtlich durchsetzbarer (klagbarer) Anspruch gegen die Stiftung eingeräumt worden sei. Auf einen solchen durch Auslegung der Statuten und Beistatuten zu ermittelnden klagbaren Anspruch könnten sich die Beschwerdeführer nicht mit Erfolg stützen. Sie seien nicht als Begünstigungsberechtigte anzusehen und die Stiftungsräte seien daher ermächtigt gewesen, die Begünstigung der Beschwerdeführer gesetzes- und statutenkonform abzuändern.
4.4
Letztlich habe sich der Stiftungsrat an dem vom wirtschaftlichen Stifter geäusserten Willen orientiert. Die Erhöhung des Legats des Lebenspartners des Stifters sei auf Mitteilung und Wunsch des wirtschaftlichen Stifters erfolgt. Die als nichtig angefochtene Beistatutenänderung sei daher statuten- und gesetzeskonform erfolgt.
4.5
Da die Beistatutenänderung zu Recht erfolgt sei, fehle der wesentliche Anlass, die Eignung des Stiftungsrates überhaupt in Frage zu stellen. Es bestehe daher kein Anlass für aufsichtsrechtliche Massnahmen.
5.
Mit Schriftsatz vom 11. November 2022 beantragten die Beschwerdeführer, ihrer noch einzubringenden Individualbeschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2022 gab der Präsident des Staatsgerichtshofes diesem Antrag statt.
6.
Mit Eingabe vom 5. Dezember 2022 erhoben die Beschwerdeführer eine Individualbeschwerde an den Staatsgerichtshof, wobei eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, des Anspruchs auf eine rechtsgenügliche Begründung sowie des Willkürverbotes geltend gemacht wird. Beantragt wird, der Staatsgerichtshof wolle der Individualbeschwerde Folge gegeben und feststellen, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Beschluss des OG zu 07 HG.2021.140 ON 35 vom 03.11.2022 in ihren verfassungsmässig gewährleisteten und durch internationale Übereinkommen garantierten Rechten verletzt seien, den Beschluss des OG zu 07 HG.2021.140 ON 35 vom 03.11.2022 aufheben und die Beschwerdegegnerin dazu verpflichten, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die Kosten des Verfahrens zu ersetzen. Auf die nähere Begründung der Individualbeschwerde wird im Rahmen der rechtlichen Erwägungen zurückgekommen, sodass hier eine Darstellung der einzelnen Beschwerdegründe unterbleiben kann.
7.
Die Beschwerdegegnerin erstattete zur Individualbeschwerde am 4. Januar 2023 eine Gegenäusserung. Auf diese wird, soweit relevant, im Rahmen der rechtlichen Erwägungen eingegangen. Diese Gegenäusserung wurde den Beschwerdeführern übermittelt. Sie äusserten sich nicht weiter.
8.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2022 teilte das Obergericht mit, auf eine Gegenäusserung zur Individualbeschwerde zu verzichten.
9.
Der Staatsgerichtshof zog die Vorakten, soweit erforderlich, bei und beschloss infolge Spruchreife, auf die Durchführung einer öffentlichen Schlussverhandlung zu verzichten. Nach Durchführung einer nicht-öffentlichen Schlussverhandlung wurde wie aus dem Spruch ersichtlich entschieden.
BEGRÜNDUNG
1.
Der im Beschwerdefall angefochtene Beschluss des Obergerichts vom 3. November 2022, 07 HG.2021.140-35, ist gemäss der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes sowohl als letztinstanzlich als auch enderledigend im Sinne von Art. 15 Abs. 1 StGHG zu qualifizieren (StGH 2018/128, Erw. 1; StGH 2018/091, Erw. 1; StGH 2018/063, Erw. 1 [alle www.gerichtsentscheide.li]). Da die Beschwerde auch frist- und formgerecht eingebracht wurde, hat der Staatsgerichtshof materiell darauf einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und führen dazu aus, dass sich das Obergericht nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befasst habe, welche von den Beschwerdeführern im Verfahren vorgetragen worden sei. Es würden auch keine triftigen Gründe angegeben, weshalb das Gericht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweiche. Der Stifter habe den Zweck in der Stiftungsurkunde bestimmt zu bezeichnen, sodass dieser vom Stiftungsrat dauerhaft erstarrt vollzogen werden könne. Es sei ungültig, die Zweckbestimmung dem Stiftungsrat zur freien Entscheidung zu überlassen. Entgegen der Gesetzeslage und der höchstrichterlichen Rechtsprechung erachte das Obergericht die statutarische Bestimmung, wonach der Stiftungsrat die Begünstigten bestimme, als rechtmässig und genügend. Zudem vertrete das Obergericht die rechtswidrige Auffassung, der beistatutarisch bestimmte Begünstigtenkreis sei nicht erstarrt, sondern durch den Stiftungsrat frei abänderbar. Der Begünstigtenkreis sei jedoch gerade der Kern des Stiftungszweckes. Die Beschwerdeführer führen die von ihnen angezogene Rechtsprechung bei den Ausführungen zur Verletzung des Gleichheitsgebotes zwar nicht an, verweisen aber in der Sachverhaltsdarstellung und in den einleitenden Ausführungen auf Urteile des Obersten Gerichtshofes, insbesondere LES 2018, 270 sowie LES 2008, 279). Dazu erwägt der Staatsgerichtshof wie folgt:
2.1
Der Gleichheitssatz nach Art. 31 Abs. 1 LV verlangt, dass Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird (StGH 2018/124, LES 2019, 117 [118, Erw. 2.1]; StGH 2018/074, Erw. 3.1; StGH 2017/131, Erw. 3.1 [beide www.gerichtsentscheide.li]; siehe auch Andreas Kley/Hugo Vogt, Rechtsgleichheit und Grundsatz von Treu und Glauben, in: Kley/Vallender [Hrsg.], Grundrechtspraxis in Liechtenstein, LPS Bd. 52, Schaan 2012, 255, Rz. 10).
2.2
Der allgemeine Gleichheitssatz verpflichtet die Verwaltungsbehörden und die Gerichte dazu, die Gesetze einheitlich und gleichmässig anzuwenden (Andreas Kley/Hugo Vogt, Rechtsgleichheit und Grundsatz von Treu und Glauben, in: Kley/Vallender [Hrsg.], Grundrechtspraxis in Liechtenstein, LPS Bd. 52, Schaan 2012, 267, Rz. 31). Eine beschwerdeführende Partei, die sich auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes in der Rechtsanwendung beruft, muss zumindest einen vergleichbaren Fall dartun (siehe statt vieler: StGH 2018/095, LES 2019, 76 [79, Erw. 5.1]; StGH 2017/141, Erw. 2.3; StGH 2017/086, Erw. 4.1 [alle www.gerichtsentscheide.li]; vgl. auch Andreas Kley/Hugo Vogt, Rechtsgleichheit und Grundsatz von Treu und Glauben, a. a. O., 268 ff., Rz. 33 ff.).
Die behauptete ungleiche Behandlung muss dabei grundsätzlich von der gleichen Behörde ausgehen (StGH 2018/123, LES 2019, 123 [126, Erw. 3.1]; StGH 2013/184, Erw. 4.1; StGH 2012/172, Erw. 3.1 [beide www.gerichtsentscheide.li]). Rechtsungleich kann eine Behandlung aber auch sein, wenn der herangezogene Vergleichsfall vom Staatsgerichtshof oder von einer oberen Instanz stammt (StGH 2021/076, Erw. 2.1; StGH 2020/076, Erw. 4.1; StGH 2019/127, Erw. 2.1 [alle www.gerichtsentscheide.li]).
2.3
Das Obergericht verweist auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (insbesondere LES 2008, 279; betätigt in StGH 2008/056 [www.gerichtsentscheide.li]), wonach ein in den Statuten dem Stiftungsrat eingeräumtes Statutenänderungsrecht auch für begünstigungsrelevante Änderungen eines Beistatuts gelte. Der Oberste Gerichtshof hatte damals einen Sachverhalt zu beurteilen, wonach mit einem nachträglichen Beistatut eine von mehreren bereits im ersten Beistatut vorgesehenen Begünstigungen widerrufen wurde. Die vom Stiftungsrat vorgenommene Änderung geschah daher innerhalb des ursprünglichen Begünstigtenkreises. Der gegenständliche Sachverhalt liegt jedoch anders. Unstreitig ist nämlich, dass die beiden Beschwerdeführer ursprünglich als einzige Begünstigte in den Beistatuten angeführt waren und nunmehr ein Legat an eine ursprünglich nicht begünstigte Person erfolgen soll; im Ergebnis wird dadurch eine zusätzliche Begünstigung ausserhalb des ursprünglichen Begünstigtenkreises vorgenommen. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu LES 2008, 279, ist somit grundsätzlich für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig. Es ist in der Folge zu prüfen, ob die in LES 2008, 279 ergangene Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden kann.
2.4
Nach Art. 552 § 30 Abs. 1 PGR kann sich der Stifter das Recht zum Widerruf der Stiftung oder zu Änderung der Stiftungserklärung in der Stiftungsurkunde vorbehalten. Nur wenn sich der Stifter ein unbeschränktes Änderungsrecht vorbehalten hätte, könnte er den Stiftungszweck, die Organisation und den Begünstigtenkreis ändern (vgl. dazu: Martin Schauer in Schauer [Hrsg.], Kurzkommentar zum liechtensteinischen Stiftungsrecht, Basel 2009, S. 169). Ein solcher Vorbehalt ist aus den Statuten der Beschwerdegegnerin vom 22. September 1988 nicht ersichtlich.
2.5
Nach Art. 552 § 31 PGR ist eine Änderung des Stiftungszwecks durch den Stiftungsrat nur zulässig, wenn der Zweck unerreichbar, unerlaubt oder vernunftwidrig geworden ist oder sich die Verhältnisse so geändert haben, dass der Zweck eine ganz andere Bedeutung oder Wirkung erhalten hat, so dass die Stiftung dem Willen des Stifters entfremdet ist. Die Änderung muss dem mutmasslichen Willen des Stifters entsprechen und die Befugnis zur Änderung muss dem zuständigen Organ ausdrücklich vorbehalten sein. Die Voraussetzungen für eine solche Zweckänderung liegen nicht vor; dies wird auch nicht vorgetragen.
2.6
Gemäss den Feststellungen der Gerichte hat der wirtschaftliche Stifter, der am 1. März 2021 verstorbene D, in den Statuten der Beschwerdegegnerin vom 22. September 1988 in Art. 13 dem Stiftungsrat die Änderung an diesen Statuten vorbehalten. Bereits nach altem Recht war unstrittig, dass der Stifter dem Stiftungsrat nur in der Stiftungsurkunde ein Statutenänderungsrecht einräumen kann (Gasser, Liechtensteinisches Stiftungsrecht, Praxiskommentar, 2. Aufl., Bern/Wien/München, Art. 552 § 32, Rz. 4), wobei der Stiftungsrat das Recht zur Änderung unter Wahrung des Stiftungszwecks ausübt (Art. 552 § 32 letzter Satz PGR). Art. 11 der Statuten vom 22. September 1988 sahen vor, dass der Stiftungsrat in Beistatuten Begünstigte bestimmen sowie den Umfang und die Art und Weise ihrer Begünstigung regeln kann. Ferner ist festgehalten, dass die Beistatuten in ihrer rechtlichen Wirkung den Statuten gleichgestellt sind, wobei eine solche Abänderung eines einstimmigen Beschlusses des Stiftungsrates bedarf.
2.7
Die Beschwerdeführer rügen, dass mit der Änderung des Reglements vom 10. August 2020 eine unzulässige Zweckänderung der Stiftung erfolgt sei. Es ist nunmehr zu beurteilen, ob das gestützt auf die in den Statuten vorgesehenen Änderungsrechte erlassene Reglement vom 10. August 2020 einer Zweckänderung gleichkommt und sich dadurch der Verweis des Obergerichts auf LES 2008, 279 als unzulänglich erweist. „Damit stellt sich die Frage, was unter den Stiftungszweck fällt. Ist der Kreis der Begünstigung festgelegt, ist damit auch der Stiftungszweck hinreichend konkretisiert. Eine Änderung der Begünstigtenbestellung innerhalb des Begünstigtenkreises stellt nach stRsp keine Änderung des Stiftungszwecks dar“ (Gasser, a. a. O., Art. 552 § 32, Rz. 3).
2.8
Der Oberste Gerichtshof erwog in seiner Entscheidung vom 6. März 2008 (LES 2008, 279 [281]) u. a. wie folgt: „Die Umschreibung des Zwecks einer Stiftung bereits in der Stiftungsurkunde zählt […] zu den essentialia negotii des Stiftungserrichtungsgeschäfts und muss dem Willen des Stifters selbst entstammen (LES 1998, 97; LES 1991, 91 uva). Der Zweck begleitet die Stiftung für die Dauer ihres Bestandes und ist der Disposition allen an der Stiftung beteiligten Personen insbesondere auch des Stiftungsrates entzogen. Mit der Festlegung eines konkreten Stiftungszwecks bestimmt der Stifter die Leitlinien, wozu und auf welche Art und Weise das Stiftungsvermögen eingesetzt werden soll.“ Wenn für den Stiftungsrat aufgrund der dem Stiftungserrichtungsgeschäft vorangegangenen Besprechungen und Aufträge klar wird, welche Familien und/oder Angehörigen als sog. präsumtive Destinatäre begünstigt werden sollen, kann auf die namentliche Anführung in der Stiftungsurkunde verzichtet werden und die Konkretisierung im Beistatut ist ausreichend (LES 2008, 279 [282]).
2.9
Zwar umfasst ein Statutenänderungsrecht des Stiftungsrates grundsätzlich auch begünstigungsrelevante Änderungen eines Beistatuts (LES 2010, 144; LES 2008, 279; StGH 2008/056). Eine Begünstigtenstellung einer Person kann durch ein späteres Beistatut jedenfalls dann widerrufen werden, wenn den Begünstigten kein rechtlich durchsetzbarer Anspruch gegen die Stiftung eingeräumt wurde (LES 2008,279 [281]). Die ordentlichen Gerichte berufen sich im vorliegenden Fall auf diese Rechtsprechung und auf Gasser. Hier ist aber festzuhalten, dass begünstigungsrelevante Änderungen ohne das Vorliegen besonderer Voraussetzungen (vgl. Erw. 2.4 und 2.5) nur innerhalb des Begünstigtenkreises zulässig sind und gerade nicht die - zweckrelevante - Ausweitung der ursprünglichen Begünstigung ermöglichen. Die Bezeichnung der Begünstigten bildet einen Bestandteil der Zweckbestimmung einer Stiftung (Dominique Jakob, Die Liechtensteinische Stiftung, Schaan 2009, S. 61, Rz. 134) und die Aufnahme neuer Begünstigten ausserhalb des vom Stifter definierten ursprünglichen Begünstigtenkreises bedeutet daher eine Erweiterung bzw. Änderung des Stiftungszwecks (vgl. auch StGH 2014/062, Erw. 3.3; StGH 2011/008, Erw. 2.3 [beide www.gerichtsentscheide.li]).
2.10
Damit findet die Erwägung des Obergerichts, wonach gestützt auf das in den Statuten vorgesehene Statutenänderungsrecht des Stiftungsrates eine Erweiterung der Begünstigung über den ursprünglich bei Stiftungserrichtung vom Stifter festgelegten Begünstigtenkreis hinaus vorgenommen werden darf, keine Grundlage in der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und des Staatsgerichtshofes sowie in der herrschenden Lehre. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Stiftungsrat die Beistatutenänderung festgestelltermassen auf Wunsch des Stifters vorgenommen hat. Schliesslich werden vom Obergericht keine triftigen Gründe angeführt, weshalb die ständige Rechtsprechung nicht auf den Beschwerdefall anwendbar oder aber eine Abweichung von ihr gerechtfertigt wäre. Folglich ist im Sinne einer die Rechtssicherheit wahrenden einheitlichen Rechtsprechung die Verletzung des Gleichheitssatzes zu bejahen.
3.
Bei diesem Ergebnis ist auf die weiteren Rügen nicht einzugehen. Der Individualbeschwerde ist somit spruchgemäss Folge zu geben, die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben und an das Obergericht zurückzuverweisen zur neuerlichen Entscheidung unter Bindung an die Rechtsansicht des Staatsgerichtshofes.
4.
Den Beschwerdeführern sind die in ihrer Individualbeschwerde vom 5. Dezember 2022 verzeichneten Rechtsvertretungskosten von CHF 1‘829.52 antragsgemäss zuzusprechen. Darüber hinaus sind den Beschwerdeführern die in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verzeichneten Rechtsvertretungskosten dem Grunde nach zuzusprechen. Allerdings ist dieser Antrag gemäss TP 3C II. 4. RATV mit einem Verbindungszuschlag von 25 % zur Individualbeschwerde und somit mit CHF 457.38 zu vergüten (StGH 2021/064, Erw. 7 [www.gerichtsentscheide.li]).
Da im Individualbeschwerdeverfahren vor dem Staatsgerichtshof nach ständiger Praxis des Staatsgerichtshofes (StGH 2020/076, Erw. 8; StGH 2019/035, Erw. 5; StGH 2018/071, Erw. 4 [alle www.gerichtsentscheide.li]) die Gerichtsgebühren von der obsiegenden Partei nicht zu tragen sind, sind den Beschwerdeführern die mit Valuta vom 18. November bzw. 9. Dezember 2022 bereits an die Landeskasse geleisteten Gerichtsgebühren von CHF 2‘100.00 zurückzuerstatten. Demgegenüber sind ebendiese Gerichtsgebühren der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (StGH 2020/057, Erw. 5 [www.gerichtsentscheide.li]).